Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Faszinierende Welt der Mikroorganismen
Archiv - Wissenschaft und Forschung
Mittwoch, 8. Februar 2006
ImageDie Biotechnologin Dr. Gabriele Berg wurde mit dem Wintersemester 2005/06 als Professorin für Umweltbiotechnologie und Ökotechnik an die Technische Universität Graz berufen. Die gebürtige Potsdamerin übernimmt damit als erste Frau in der Geschichte der TU Graz einen Lehrstuhl auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Die ehemalige Heisenberg-Stipendiatin ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Biologischer Pflanzenschutz" der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft und war zuletzt an der Uni Rostock als Oberassistentin tätig.

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Analyse der Ökologie pflanzenassoziierter Mikroorganismen sowie in der Entwicklung nachhaltiger Verfahren für den biologischen Pflanzenschutz. Josef Schiffer von Korso sprach mit der Forscherin über die faszinierende Welt der Mikroorganismen und deren Potenzial für eine ökologische und den Einsatz von Pestiziden vermeidende Landwirtschaft.

Was genau darf man sich unter Umweltbiotechnologie vorstellen?
Wir erforschen bislang noch weitgehend unausgeschöpfte Möglichkeiten zur nachhaltigen Entwicklung umweltfreundlicher Strategien im Pflanzenbau, die darüber hinaus auch in der Praxis gefahrenfrei und einfach umsetzbar sowie ökonomisch effizient sein sollen. Erst seit wenigen Jahren ist es möglich, mit Hilfe von molekularen Methoden die Lebensgemeinschaften etwa in Pflanzenwurzeln hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Funktionen zu analysieren. Dadurch haben sich große Potenziale eröffnet, bislang völlig unbekannte Arten von Mikroorganismen und ihre Fähigkeiten als Ressourcen zu erschließen.

Was macht diese Mikroorganismen so interessant für die Forschung?
Es gibt eine unvorstellbare Anzahl von Arten Mikroorganismen, die erst zu einem winzigen Bruchteil klassifiziert und hinsichtlich ihrer Wirkungen erforscht wurden. Man kann sich die Dimensionen daran veranschaulichen, dass an/in einem Gramm Wurzel einer Erdbeerpflanze mehr Mikrolebewesen leben als der gesamte Planet Erde Menschen beherbergt. Eine wichtige Voraussetzung für die bessere Untersuchung der Eigenschaften dieser winzigen Organismen ist ihre Kultivierung auf künstlichen Nährböden im Labor, was derzeit bei nur etwa drei Prozent der erdbürtigen Mikroorganismen gelingt. Eine unserer zentralen Aufgabenstellungen ist es daher, durch die Entwicklung besserer Nährlösungen weitere Arten zu kultivieren. Neue Methoden auf der Basis der Erbinformation (DNA) erlauben uns bereits Einblicke in die bislang unbekannte Welt.

Welche Prozesse laufen in diesen mikrobiellen Lebensgemeinschaften ab, die sich für etwa den Pflanzenbau nutzbar machen?
Eine wichtige funktionelle Gruppe von Mikroorganismen stellen antagonistisch wirksame Organismen dar: Diese Antagonisten sind in der Lage andere Organismen, z.B. so genannte Pathogene (Krankheitserreger), abzuwehren. Da Nutzpflanzen von zahlreichen pathogenen Pilzen befallen werden, die jährlich bis einem Drittel der Welternte vernichten, kommt dieser Gruppe auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung zu. Für eine erfolgreiche Verwendung von bakteriellen Antagonisten ist es unabdingbar die ökologischen Abläufe und molekularen Mechanismen in allen Details zu verstehen.

Können Sie Beispiele für konkrete Anwendungen anführen?
Diese mikrobiellen Lebewesen können entweder in toto lebendig für die Sanierung von Böden
eingesetzt werden oder in Form der von ihnen erzeugten bioaktiven Substanzen, z.B. Antibiotika, Enzyme etc. Ein Beispiel für ersteres ist der Erdbeeranbau, wo ein von meiner Arbeitsgruppe isolierter Stamm des Mikroorganismus Serratia plymuthica zum Schutz und zur Stärkung des Wachstums der jungen Pflänzchen eingesetzt wird. Dies hat den Vorteil, dass auf die Verwendung des chemischen Bodenentseuchungsmittels Methylbromid verzichtet werden kann. Dieses hat nicht nur eine starke toxische Wirkung, sondern wird auch für negative Auswirkungen auf das Klima verantwortlich gemacht. Andere von Mikroorganismen produzierte Substanzen sind z.B. die Osmolyte. Diese sind ebenfalls biotechnologisch interessant, da sie sowohl Zellen als auch Enzyme vor Stress schützen können, wie das Glucosylglycerol, welches hauptsächlich von Cyanobakterien gebildet wird.

Wie sind Sie mit ihrer neuen Arbeitsumgebung zufrieden?
Die technologische Ausstattung für die Analytik entspricht in Graz einem sehr hohen Niveau, daneben macht die enge Einbindung in die Fakultät für Technische Chemie, Verfahrenstechnik und Biotechnologie viele Arbeitsprozesse einfacher. Alles in allem ergibt sich aus diesen Faktoren eine sehr inspirierende Atmosphäre. Derzeit sind wir auf der Suche nach Partnern aus der Industrie, um unsere Forschungsergebnisse in Form von konkreten und marktreifen Produkten umsetzen zu können.

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