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Ian Inaba: "Vereinigten Staaten eines der bedeutendsten Experimente in Sachen Demokratie"
Donnerstag, 11. Oktober 2007
DEMOCRACY – LAB – MUSIC www.elevate.at
 
Als Vorgeschmack auf dessen Graz-Besuch im Zuge des Festivals stellte Josef Obermoser dem US-amerikanischen Regisseur und Medienaktivisten Ian Inaba einige Fragen zur politischen Lage in den USA, zur Rolle der Medien sowie zu möglichen Perspektiven für grundlegende Veränderungen in der näheren Zukunft.

Der derzeit in New York lebende ehemalige Investmentbanker ist Mitglied des Guerrilla News Network, einer interaktiven Plattform für kritische Berichterstattung und unabhängigen Filmproduktionsfirma. Er ist ebenso für brisante Dokumentarfilme verantwortlich wie für kontroversielle Musikvideos. All seinen Produktionen gemeinsam ist ein hipper Stil und die besonders spannende Aufbereitung von an sich bereits sehr brisantem Content, wie er sie in seinem ersten Feature-length-Dokumentarfilm „American Blackout“ oder in dem von ihm produzierten Musikvideo für Eminems „Mosh“ demonstriert. Die unter anderem mit dem Jury-Preis des Sundance Festivals prämierte Dokumentation „American Blackout” behandelt die beeindruckende Laufbahn der langjährigen Kongressabgeordneten Cynthia McKinney sowie die systematische Benachteiligung afroamerikanischer WählerInnen bei den Präsidentschaftswahlen 2000 und 2004.

Am Elevate Festival diskutiert Ian Inaba mit dem ehemaligen CNN-Produzenten Danny Schechter über „neue Strategien für unabhängige Medien“ sowie am Podium „Medien & Demokratie“ (Fr 26.10., Dom im Berg).



Die Vereinigten Staaten betrachten es offenbar als ihre Pflicht, ihre Vorstellungen von Demokratie in die ganze Welt zu exportieren. Wie demokratisch sind die U.S.A. auf eigenem Territorium?

Die Vereinigten Staaten sind immer noch eines der weltweit größten Experimente in Sachen Demokratie. Das soll aber keinesfalls heißen, dass es nicht erhebliche Probleme in den eigenen demokratischen Systemen gäbe. Diese sind vorhanden und deshalb sind die USA auch kein leuchtendes Beispiel einer Vorzeige-Demokratie. Es ist so, dass zu wenig Leute wählen gehen und dass Präsidentschaftswahlen immer noch von den Wahlmännern entschieden und nicht von der Mehrheit der Bevölkerung. Außerdem gibt es signifikante Bestrebungen, den Willen der Bevölkerung zu untergraben und zwar durch WählerInnenbenachteilung und Wahlbetrug.



Beschäftigen sich „DurchschnittsbürgerInnen“ überhaupt mit Politik? Welche Rolle spielen verschiedene Medien, wenn es darum geht, Bewusstsein für politische Entwicklungen zu schaffen bzw. zu verhindern?

Mit der Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung kann die US-Regierung so gut wie alles machen, Krieg führen ebenso wie die Verfassung übergehen, auf die das Land sich gründet. Durch die Stärke von Lobbies, die bestimmte Interessen vertreten, wird nicht nur darum gekämpft, PolitikerInnen zu kaufen, sondern es gibt auch einen permanenten Kampf um die Herzen und Hirne der amerikanischen Bevölkerung durch die Medien. Anstatt dass JournalistInnen und Nachrichtenmedien ihrer Verantwortung nachkommen, objektiv zu berichten, damit die Mitglieder der Gesellschaft bewusste Entscheidungen treffen können, sehen wir häufig deren eigene Standpunkte und jene ihrer Sponsoren in der Berichterstattung reflektiert.

Die guten Nachrichten sind, dass die eigentlichen gesellschaftlichen Aufgaben der Medien derzeit von den Nachrichtenmedien und JournalistInnen besser erfüllt werden, weil es das Internet und die BürgerInnen-JournalistInnen-Bewegung gibt – und wegen der Tatsache, dass viele professionelle JournalistInnen das Gefühl haben, dass sie von der Regierung im Vorfeld des Irakkrieges belogen wurden.



Ein Werbebanner für Stephen Marshalls neues Buch auf der GNN Hompage sagt, dass die Neokonservativen zwar am Ende wären, stellt aber gleichzeitig die Frage, ob denn die a-list-Liberalen wirklich besser seien. Denken sie persönlich, dass die Herrschaft der Neocons tatsächlich vorüber ist? Und welche Alternative haben die amerikanischen BürgerInnen außer den Demokraten?

Leider haben die AmerikanerInnen das bestehende Zweiparteiensystem völlig verinnerlicht. Obwohl es Alternativen gibt, denke ich nicht, dass es tatsächlich dazu kommen wird, dass eine dritte Partei einen signifikanten Level erreichen kann.



Sollten die Leute dennoch die Grünen unterstützen, oder denken Sie, dass bedeutsame Veränderungen nur außerhalb das Wahlprozesses passieren können?

Ich bin der Meinung, dass Veränderung großteils von außerhalb das Wahlprozesses ausgehen muss. Nur dadurch, dass die Bevölkerung ihre wahre Macht durch BürgerInnenselbstorganisation zeigt und auf sehr öffentliche Weisen Veränderungen schafft, werden wir erfahren, dass es möglich ist, dass sich der Wille der Menschen wieder in der Politik unserer Regierung widerspiegelt.



Denken Sie, dass es in den nächsten Jahren zu einer radikalen Veränderung kommen könnte?

Ich denke, dass wir bereits beginnen, eine Veränderung zu erleben, und zwar weil die Menschen die Macht des Internet zur Selbstorganisation und Mobilisierung nutzen. Vor ein Paar Wochen, am 20. September, gab es zum Beispiel die größte Bürgerrechtsdemonstration seit Jahrzehnten. Mehr als 20.000 Menschen kamen in der kleinen Stadt Jena (in Louisiana) zusammen, um gegen ein rassistisches Justizsystem zu protestieren, das sechs Buben wegen einer Schulhofschlägerei ins Gefängnis stecken wollte. Diese Leute organisierten sich per Internet, E-Mail und alternativen Radios, um gemeinsam auf die Straße zu gehen und Veränderungen zu erwirken.

So waren die Nachrichtenmedien dazu gezwungen, über diese Geschichte und alle nachfolgenden Entwicklungen zu berichten. Ich denke, dass genau solch ein Beispiel aufzeigt, was in der Zukunft möglich wird: Die zunehmende Anwendung von neuen Technologien und Medien wird die Menschen politisch stärken und so wird es in den nächsten Jahrzehnten zu einer Wiederbelebung von BürgerInnenengagement kommen – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wahlzellen.



www.americanblackout.org // www.gnn.tv // www.videothevote.org

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