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Werner Kogler: „Konzerne und Vermögen müssen wieder etwas zum Sozial- und Bildungsstaat beitragen“
Archiv - Politik
Donnerstag, 7. September 2006
ImageWerner Kogler: „Die unteren Einkommensschichten sollen prozentuell weniger Anteile ihres Einkommens in die Sozialversicherungstöpfe zahlen als die oberen“

Warum Grün wählen?
Weil mit hoher Wahrscheinlichkeit der Führungsanspruch in der Opposition zu stellen sein wird. Ich gehe davon aus, dass es eine große Koalition geben wird, und da hoffe ich, dass sich die WählerInnen überlegen, ob sie Strache als wichtigsten Oppositionsführer wollen.

Die zentralen Probleme der letzten Jahre sind wirtschaftliche und Verteilungsprobleme: Die Lohnquote sinkt, die Lohnarbeit stagniert, die Arbeitslosigkeit steigt, auf der anderen Seite wird wichtige Arbeit nicht getan bzw. zu Dumpingpreisen von illegalen ausländischen Arbeitskräften getan. Was tun?
Auf der einen Seite gilt es weiteren Deregulierungsschüben standzuhalten, was den Arbeitsmarkt betrifft; auf der anderen muss Schluss sein mit dem aberwitzigen Steuerdumping zugunsten der Unternehmen und Vermögenden. Wir wollen gezielt die unteren Einkommensschichten entlasten – durch Lohnsteuersenkungen in diesem Segment, über Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für diese Gruppen durch andere Formen der Finanzierung der sozialen Verpflichtungen – und schließlich durch eine solidarische Aufbringung der Sozialversicherungsbeiträge. Die unteren Einkommensschichten sollen prozentuell weniger Anteile ihres Einkommens in die Sozialversicherungstöpfe zahlen als die oberen.

Das bedeutet die Abschaffung der Höchstbeitragsgrundlage.
Ganz genau, wir haben ja derzeit die perverse Situation, dass untere Einkommen prozentuell mehr Sozialversicherungsbeiträge einzahlen als höhere. Mit einer Umkehrung hilft man den unteren Einkommensgruppen wesentlich mehr als mit einer Lohnsteuerreform, weil sie ja teilweise kaum Lohnsteuer zahlen.
Zusätzlich wollen wir aber insgesamt eine halbe Milliarde über eine negative Einkommenssteuer an die SchlechtestverdienerInnen auszahlen.

Woher soll das Geld dafür kommen?
Da es ja in Österreich keine Vermögensbesteuerung mehr gibt, muss man bei jenen Privilegien ansetzen, die uns zur Steueroase für Begüterte machen – bei den Stiftungen. Inzwischen gibt es mehr Stiftungen als Aktiengesellschaften, und Unternehmensanteile werden in Stiftungen eingebracht, um Steuern zu sparen. Ein weiteres Privileg, das wir abschaffen wollen, ist die Gruppenbesteuerung. Wir sagen: Konzerne und Vermögen sollen wieder etwas zum Sozial- und Bildungsstaat beitragen.

Das übliche Gegenargument gegen solche Vorschläge ist, dass es dann zur Abwanderung von Kapital kommt …
Österreich ist ja Vorreiter des Steuerdumpings in Europa und nicht Opfer. Wir haben ja jetzt schon so niedrige Unternehmenssteuern wie die Slowakei …

… die ihre Flat Tax ja jetzt wieder anheben will …
Richtig. Bei uns kommen zusätzliche Privilegien wie die Gruppenbesteuerung dazu, die Projekte begünstigt, die irgendwo am Globus oft unter menschenrechtsverletzenden und ökologisch desaströsen Umständen umgesetzt werden, damit man sich in Österreich die Gewinnsteuer erspart. Mit der Aufhebung der Gruppenbesteuerung kann man deutlich machen, dass jede Steuersenkung nur mehr durch Umschichtungen finanziert werden darf.

Welches Angebot haben die Grünen für die zunehmende Gruppe der prekär Beschäftigten? Mit einem Verbot solcher Beschäftigungsformen wird man nicht mehr weit kommen, aber wie steht’s um die soziale Absicherung?
All jene, die freiwillig Teilzeit arbeiten oder ähnliche Beschäftigungsverhältnisse eingehen wollen, sollen das auch können. Das Problem ist, dass die meisten solche Jobs aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus annehmen – und dass sich die Arbeitgeber zumindest einen Teil der Sozialversicherung sparen. Wir müssen diese Arbeitsverhältnisse wieder in die Sozialversicherung hereinholen, sonst wird das Sozialversicherungssystem ausgehöhlt und als Dumme bleiben all jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer übrig, die sich diese arbeitsrechlichen Dislozierungen nicht leisten können oder wollen.
Es mag Differenzierungsmöglichkeiten bei der Arbeitslosenversicherung geben, für den Krankheitsfall oder die Altersvorsorge gibt es die nicht. Allein auch aus dem Grund, dass sonst der Drang zur Privatvorsorge zu groß wird und die Finanzmärkte die Pensionsverhältnisse bestimmen. Es ist im Übrigen höchst bemerkenswert, dass die private Pensionsvorsorge derzeit mit mehreren hundert Millionen Euro unterstützt wird, während die Subventionierung der öffentlichen Pensionstöpfe nachgerade als unmoralisch hingestellt wird.

Experten des AMS sagen, dass die Erhöhung des Pensionsantrittsalters bereits einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit verursacht hat …

Unter arbeitsmarktpolitischen Prämissen ist es unsinnig, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und damit einen Stau bei jenen Altersgruppen zu erzeugen, die in den Arbeitsmarkt eintreten. Ich denke aber nicht, dass wir politische Partner finden würden, mit denen wir dies zur Gänze rückgängig machen können. Sehr wohl müsste es aber möglich sein, die Anhebung mit 2007 zu stoppen.

Zur europäischen Dimension: Die Grünen haben vor dem Referendum in Frankreich sehr eindeutig für ein Verfassungsmodell Partei ergriffen, das neben der Institutionenreform auch die Festlegung auf ein radikal marktwirtschaftliches Modell und zur Aufrüstung enthielt – haben sich diese Positionen nach der Abstimmungsniederlage verändert?
Ja. Die Position ist die, den Bereich der eigentlichen Verfassungsregelungen, also der politischen Spielregeln, beizubehalten; da bringt der Verfassungsentwurf ja formaldemokratisch gesehen Fortschritte. Auf die ökonomischen Festlegungen und die Rüstungsbestimmungen sollte verzichtet werden. Johannes Voggenhuber verhandelt bereits auf dieser Grundlage. Skeptisch bin ich allerdings, was die Möglichkeit betrifft, Bestimmungen zur Sozialunion aufzunehmen – da gibt es zu viele Kräfte, die genau das nicht wollen.

Die „grüne Energiewende“, die in der Steiermark gerade als Kampagne gefahren wird, hat auch etwas mit dem grünen Verständnis von Wirtschaft zu tun …

Ja, das ist natürlich auch ein wirtschaftspolitischer Schwerpunkt: Jeder Euro, der in das regionale erneuerbare Energie-Angebot investiert wird, trägt zur Schaffung regionaler Arbeitsplätze bei. Dazu kommt, dass die Transportwege kurz bleiben – und schließlich geht es natürlich auch darum, die Abhängigkeiten von Konzernen und geopolitischen Unwägbarkeiten zu verringern.

Ein zentrales Thema grüner Selbstdarstellung ist die Regierungsfähigkeit. Welche Bedingungen müsste denn ein Koalitionspartner akzeptieren?

Bedingungen kann man nur dann formulieren, wenn man zwei Verhandlungsoptionen hat.

Ja, aber es gibt WählerInnen, die wollen wissen, welche Schwelle die von ihnen gewählte Partei nicht mehr bereit ist zu überschreiten – auch wenn Ministerämter locken.
Nun, die Eurofighter sind so ein Punkt. Wir sagen: Raus aus dem Vertrag – und wir haben schon gute rechtliche Argumente dafür gesammelt, dass der Ausstieg schonend vor sich gehen kann. Weiters muss das Budget halbwegs konstant gehalten werden und vor allem das Sozialbudget gesichert sein. Interessanterweise ist es ja in Oberösterreich in der schwarz-grünen Koalition gelungen, jährliche fixe Zuwachsraten des Sozialbudgets von 7% festzuschreiben; ich kann mir aber leider nicht vorstellen, dass das mit der Bundes-ÖVP möglich wäre. Desgleichen muss in den Bildungssektor auf allen Ebenen wieder mehr investiert werden, und das geht nur, wenn dafür Geld vorhanden ist – das heißt also. Keine Steuersenkungen.

NAbg. Mag. Werner Kogler ist Volkswirt, Vorsitzender des Rechnungshofausschusses und Budgetsprecher des Grünen

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