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Heidrun Silhavy: „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mir mehr Gegensteuern zur Globalisierung wün
Archiv - Politik
Donnerstag, 7. September 2006
ImageHeidrun Silhavy: „Wir brauchen ein Mehr an sozialer Sicherheit für prekär Beschäftigte“

Warum SPÖ wählen?
Neue Fairness braucht das Land. Weil wir eine Gegenkraft zur bestehenden konservativen Regierung sind, weil wir auch versuchen die negativen Auswirkungen der Globalisierung mit unseren Programmen und Konzepten zu bekämpfen. Um ein Beispiel zu nennen: Der Arbeitsmarkt verlangt immer mehr Flexibilität, aber flexibel kann man nur dann sein, wenn man mehr Sicherheit hat. Das ist unser Konzept: Mehr soziale Sicherheit anzubieten.

Ein Teil dieser Sicherheit betrifft den Arbeitsmarkt. Es wird behauptet, die Arbeit gehe uns aus, aber gleichzeitig wird der Pflegenotstand ausgerufen … offenbar gibt es einiges an Arbeit, das nicht erledigt werden kann.
Die steirische SPÖ hat einmal ein Buch herausgegeben, in dem es darum ging, wie nicht marktfähige Arbeit marktfähig gemacht werden kann. Es geht uns ja auch nicht die Arbeit aus, sondern die Frage ist, ob die Gesellschaft bereit ist, die Arbeit zu bezahlen. Da ist der eine Punkt. Der andere ist, dass die Definition von Arbeit selbst einem dauernden Wandel unterliegt. Wir wachsen in eine Dienstleistungsgesellschaft hinein. Es herrscht starke Nachfrage nach persönlichen Dienstleistungen, bei denen aber keine hohe Wertschöpfung erzielbar ist; damit sie dennoch von den Menschen angenommen werden, muss es dafür Unterstützungen geben.

Sie haben das Stichwort genannt. Es geht darum, dass die Arbeit im Sozialsektor von der Gesellschaft bezahlt wird. Mit Budgetkonsolidierung und Maastrichtkriterien haben sich die Staaten selbst ein Korsett gegeben, aus dem sie nun nicht mehr herauskommen. Die Sozialdemokratie war da – mit Nuancen gegenüber den Konservativen – ebenfalls dafür. Gibt es hier einen Sinneswandel?

Insofern, als man dieses Korsett aus heutiger Sicht sicherlich etwas flexibler gestalten müsste. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit macht es keinen Sinn, nicht in  die nötige Infrastruktur und damit in Arbeit zu investieren. Das bedeutet keine völlige Abkehr von einem Konsolidierungskurs, aber der Staat muss sich Spielräume erhalten bzw. durch neue Vereinbarungen neue Spielräume gewinnen.

Spielräume, die die Umverteilung von Mitteln in den sozialen Bereich erlauben. Aber wer will das eigentlich noch? Breite Strömungen in der europäischen Sozialdemokratie wie die Blairs und Schröders wollen das nicht.
Die Sozialdemokratie ist in diesen Fragen zweifellos heterogen. Die österreichische oder schwedische Sozialdemokratie sind da anderer Meinung als Blair.

Neben der Umverteilung hin zu gesellschaftlich notwendiger Arbeit gäbe es ja noch zwei weitere Möglichkeiten, mit den Rationalisierungskonsequenzen fertig zu werden: Nämlich die Arbeitszeitverkürzung – von der man ja kaum mehr etwas hört – und / oder das Grundeinkommen, wovon es ja verschiedenen Varianten gibt. Was ist da Ihre Position dazu?
Fangen wir bei der Arbeitszeitverkürzung an. Ich gehöre ja zu denjenigen, die nach wie vor an ihre Notwendigkeit glauben. Ich glaube allerdings nicht mehr an die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit …

… aber die Verkürzung der Lebensarbeitszeit ist ja bereits durch die steigende Arbeitslosigkeit verwirklicht.
Ja, wir haben die ungerechtesten Formen der Arbeitszeitverkürzung, nämlich Arbeitslosigkeit, Teilzeitjobs für Menschen, die eigentlich Vollzeitarbeitsplätze brauchen … Auf der anderen Seite gibt es die Forderung nach lebensbegleitendem Lernen. Nur: Derzeit haben die Menschen ja nur dann ein Anrecht auf Qualifizierungen, wenn sie arbeitslos sind. Ich würde mir wünschen, dass die Verkürzung der Arbeitszeit für das lebensbegleitende Lernen verwendet wird.

Können Sie sich mit der Idee des Grundeinkommens anfreunden?
Die SPÖ hat zusammen mit Wissenschaftern das Konzept der bedarfsorientierten Grundsicherung entwickelt, das den Charme hat, dass es im Vergleich zum voraussetzungslosen Grundeinkommen viel umsetzbarer erscheint. Es handelt sich in erster Linie um eine Weiterentwicklung des zweiten sozialen Auffangnetzes, der Sozialhilfe – und zwar ohne Regress. Es erlaubt während der Arbeitslosigkeit ein Mindesteinkommen auf menschenwürdigem Niveau – und es hat den Vorteil, dass man im bestehenden Sozialsystem bleibt.

Eine weitere arbeitsmarktpolitische Frage: Das AMS stellt fest, dass die Anhebung des Pensionsalters sich fördernd auf die Jugendarbeitslosigkeit auswirkt …
Unser Konzept heißt: Nach 45 bzw. 40 Arbeitsjahren soll jeder Mann bzw. jede Frau ohne Abschläge in Pension gehen können. Andere Maßnahmenvorschläge beziehen sich direkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit – da handelt es sich zum Teil um altbekannte Forderungen wie die Einrichtung eines Lehrlingsausbildungsfonds und die Wiedereinführung von Arbeitsstiftungen für junge Menschen.

Sie sind auch Gewerkschafterin – haben Sie den Eindruck, dass sich die Gewerkschaften ausreichend um jenes wachsende Potenzial an ArbeitnehmerInnen kümmert, die nicht in traditionellen Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen arbeiten und die sozialen Härten besonders zu spüren bekommen?
Es ist unsere Aufgabe, immer wieder aufs Neue versuchen herauszufinden, was die Betroffenen brauchen. Die Hoffnung, die die Gewerkschaft ursprünglich hatte, nämlich diese Formen der Beschäftigung durch Verbote einzudämmen, hat sich als nicht realistisch erwiesen. Man muss aber versuchen, diese Bereiche mit einem Mehr an sozialer Sicherheit auszustatten. Leider gibt es oft Interessenskonflikte – etwa wenn ein Betriebsrat versucht, der Stammbelegschaft angehörendes Reinigungspersonal gegenüber der Konkurrenz durch eine Reinigungsfirma zu verteidigen, die meist unter schlechteren Arbeitsbedingungen und zu geringeren Löhnen arbeitet.
Ich beschäftige mich als Frauensekretärin des ÖGB Steiermark und Sozialsprecherin seit vielen Jahren sehr intensiv mit Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Es ist schwierig, eine allgemein gültige Lösung zu finden, viele wollen ja gar nicht in das Korsett eines Normalbeschäftigungsverhältnisses gedrängt werden. Andere wollen den Schutz, der damit einhergeht, die dritten wollen zwar den Schutz, aber nicht anteilsmäßig dazu beitragen, weil sie ein zu geringes Einkommen beziehen.
Letztendlich ist die gemeinsame Klammer nur das Bedürfnis nach sozialer Sicherheit, und das muss befriedigt werden. Wenn man die die Betroffenen aus dem Sozialversicherungssystem drängt, dann darf man sich nicht wundern, wenn sie dieses System nicht mehr akzeptieren …

… und wenn dieses System, das ja nur durch die Beteiligung der großen Zahl funktionieren kann, letztendlich ausgehöhlt wird.
Richtig.

Wie stehen Sie persönlich zum Wunsch des Parteivorsitzenden, dass die Spitzen der Gewerkschaften keinen Platz im Parlament haben sollten?
Ich persönlich – und da mache ich aus meinem Herzem keine Mördergrube – bin nicht sehr glücklich darüber, ich hätte mir gewünscht, dass der ÖGB für sich entscheidet, was vereinbar ist und was nicht. Jetzt stehen wir vor der Situation, dass sehr wohl Spitzengewerkschafter im Parlament vertreten sein werden – nur eben keine Sozialdemo­kraten.

Was sind ihre Koalitionspräferenzen?
Das werde ich jetzt und hier nicht sagen, wie Sie sicherlich verstehen werden. Aber: Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mir mehr Gegensteuern zur Globalisierung wünsche.

NAbg. Heidrun Silhavy ist Frauensekretärin des ÖGB Steiermark und Sozialsprecherin der SPÖ

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