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„Grünräume und Grauzonen“: Dramatische Zuspitzung von BürgerInnenanliegen |
Archiv - Lokales | |
Samstag, 8. Juli 2006 | |
Noch ist der Grünraum unangetastet, aber die Lobbyisten scharren schon in den Startlöchern … Wenn die Grazer Theater-Truppe „InterAct" ihre Open-Air-Bühne betritt, erwartet das Publikum kein passiver Kunstgenuss, sondern ein unterhaltsamer und kluger Mix aus Theater zum Mitmachen, politischer Aufklärung und Bürgerbeteiligung. Ihr jüngster Streich: Eine Aktion gegen die Bedrohung des städtischen Grünraumes, die nun auch zur Behandlung konkreter Bürgeranliegen in den Gemeinderatsausschüssen führen wird.
Graz, 12. Juni, Hauptplatz, später Nachmittag: Die lamentierenden Naturgeister, die gegen die Beschneidung ihres Lebensraumes durch den Menschen anjammern, haben sich zurückgezogen. Die InterAct-Crew hat sich durch eine Reihe unterhaltsamer Szenen gespielt, die allesamt mit der Bedrohung des städtischen Grünraumes durch Verkehr und Bautätigkeit zu tun haben, an die 200 ZuseherInnen folgen interessiert den Darbietungen. EntscheidungsträgerInnen gehen vor Lobbyisten in die Knie. Dann folgt das eigentliche Forumtheaterstück: Zwei PolitikerInnen halten ein Stück grünen Teppichs – den Grünraum – und bekräftigen gegenüber einer bewegten Bürgerin wortreich die Notwendigkeit seiner Erhaltung. Und schon tauchen die Lobbyisten auf: Ein Bauwerber, der eine Tiefgarage in einem Innenhof errichten und dafür die dort befindlichen alten Bäume fällen will; die Betreiberin eines Einkaufszentrums, die aus der gesamten Fläche vor ihrem Laden einen gigantischen Parkplatz machen will und mit der Abwanderung ins Umland droht, wenn ihr die Erhaltung eines Flecken Grün vorgeschrieben wird. Klar, dass die PolitikerInnen in die Knie gehen; bei der Erfüllung jedes Wunsches wird der Teppich ein wenig eingerollt. Knapp bevor der letzte Streifen Grün vor den Augen der ohnmächtigen Grünraum-Schützerin verschwindet, gebietet der Spielleiter Einhalt – jetzt ist das Publikum dran. Wer will, kann in die Rolle eines Protagonisten / einer Protagonistin schlüpfen und dessen / deren Text so ändern, dass eine positive Lösung möglich wird. Klar, dass da auch populistische Forderungen laut werden: „10 Prozent sollten die PolitikerInnen von ihrem Gehalt für den Grünraumschutz abgeben", fordert eine Dame. Andere wiederum nehmen selbst die Rolle der PolitikerInnen ein und erklären sich gegenüber den Wirtschaftsinteressen als nicht erpressbar: „Meine Fraktion wird im Gemeinderat für eine Verschärfung der Strafen für Verstöße gegen die Baumschutzverordnung stimmen", erklärt ein „Neo-Gemeinderat" seinem Kollegen – „das können Sie auch schon mal gleich Ihrem Freund mitteilen, der die Tiefgarage bauen will, damit er sich keine falschen Hoffnungen macht." Weder die Intensität der Beteiligung noch die Kreativität der Vorschläge lassen zu wünschen übrig. Vorschläge sollen in den Gemeinderatsausschüssen diskutiert werden. „Beim Forumtheater fallen die Hemmschwellen auch für bildungsfernere Schichten, sich öffentlich zu einem sie betreffenden Anliegen zu artikulieren", sagt Mag. Martin Vieregg, Leiter des Projekts. Die vom Brasilianer Augusto Boal als „Theater der Unterdrückten" entwickelte Methode soll aufklärend wirken und die Menschen am politischen Prozess beteiligen. Und das sei im konkreten Fall auch gelungen, bilanziert der InterAct-Leiter und Sozial- und Theaterpädagoge Dr. Michael Wrentschur. Die geschilderte Veranstaltung war die letzte im Rahmen der Produktion „Grünräume und Grauzonen", insgesamt waren 400 Menschen bei den Aufführungen anwesend und „es gibt eine Unmenge an Ideen und Vorschlägen zur Rettung des Grünraumes, die im wahrsten Sinne des Wortes ,ins Spiel‘ gebracht wurden." Über den Sommer werden diese gesammelt und geordnet und im Herbst über MandatarInnen verschiedener Fraktionen, die sich dazu bereit erklärt haben, in die einschlägigen Gemeinderatsausschüsse eingebracht werden. Am 3. Oktober startet die nächste InterAct-Produktion – diesmal zum Thema „Neue Armut". Christian Stenner
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