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Zinggl: „10% weniger sind 100% mehr“
Archiv - Kultur
Montag, 12. Juni 2006
ImageAus Anlass der im Herbst bevorstehenden Nationalratswahlen hatte Michael Petrowitsch, Sprecher der IG Kultur Steiermark, den Nationalratsabgeordneten und Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, zum Gespräch ins Spektral / Raumwerk am Grazer Lendkai 45 geladen.

Zusammen mit Lioba Redekker war Zinggl Bundeskunstkurator von 1997 bis 2000, er ist Gründer der Gruppe Wochenklausur und war mit ihr 1999 Österreichvertreter auf der Kunstbiennale in Venedig.

Der Staat kennt sich da hinten und vorn nicht aus. Was die Grünen kulturpolitisch anders gestalten würden, sofern sie Regierungspartei werden sollten und Zinggl Kunststaatssekretär, fragte Petrowitsch eingangs. „Das geht mir jetzt ein bissl zu gach", nahm Zinggl gleich das provozierte Tempo zurück und beschrieb sich als jemanden, „der lieber diskutiert, als lange Eingangsstatements von sich gibt". Weil der Begriff Kultur in einem „babylonischen Sprachendurcheinander" für alle möglichen Zusammenhänge verwendet werde und allgemein im österreichischen Sprachgebrauch damit die Kunst gemeint ist, sei es ihm wichtig, diesbezüglich näher auf das Verständnis der Grünen einzugehen: Im Ministerium für Kultur werden derzeit in erster Linie Angelegenheiten der Kunst behandelt – ebenso im parlamentarischen Kulturausschuss – man sollte korrekterweise also nicht von einem Kultur-, sondern von einem Kunstministerium sprechen. „Der Staat, von dem man nach jahrzehntelanger Erfahrung ein bissl Durchblick erwarten könnte, kennt sich da hinten und vorne nicht aus."

Kultur ist Austausch. Kulturpolitik besteht für Wolfgang Zinggl im Bestreben, unterschiedlich kulturisierten Gruppen, die sich aber doch in Teilbereichen von Sprache, Kleidung, Bildung oder Umgang überschneiden, auf friedlicher Ebene Austausch und Zusammenleben möglich zu machen. Die Kunst dagegen besteht in der besonderen Ausprägung spezifischer Eigenschaften jener Gruppen. Diese kulturwissenschaftlichen Unterscheidungen seien Basis des Kulturprogramms der Grünen. Unterschiede zu dem der Konservativen bestünden darin, dass etwa die ÖVP einen sehr wirtschaftlich orientierten Begriff von Kultur pflegt, nach dem eine Kosten-Nutzen-Rechnung jeweils im Vorfeld des Ermöglichens stehe. Die Wirtschaftlichkeit der Kultur werde von den Grünen zwar ernst genommen, sie bilde aber nur einen Aspekt von Gemeinschaftsbildung.

Ungleiche Verteilung der Fördermittel. Hinsichtlich einer Verteilungsgerechtigkeit sieht Zinggl eine österreichische Tradition, nach der die darstellende Kunst, „das Theatralische", gegenüber der bildenden Kunst bzw. anderen Vorstellungen kultureller Äußerungen in einem Übermaß gefördert wird. Beispielweise beläuft sich die Basisförderung der Bundestheater auf 140 Mio. Euro jährlich gegenüber der Förderung für die Bundesmuseen mit 70 Mio. Euro. Das heißt für Zinggl allerdings nicht, dass der Verteilungsschlüssel unbedingt geändert werden muss, er macht diesen aber von „Verbreitungsmöglichkeiten" für Kultur abhängig: „Welche Möglichkeiten findet wer vor, um seine Arbeiten oder kulturellen Ansprüche unter die Leute zu bringen."
Am ORF kritisiert Zinggl uner anderem, dass er seinem Gebühren zahlenden Publikum Informationen vorenthält – zum Beispiel die vom österreischischen Staatsrundfunk mitproduzierte Dokumentation „Artikel 7", die im Nachhinein aus praktischen Gründen als „ungeeignet" für die ÖsterreicherInnen beurteilt wurde.

Künstlersozialversicherung soll ausgeweitet werden. Konkrete Änderungen würde Zinggl bei der Subventionierung von Festivals – z.B. Salzburg, Bregenz – vornehmen und denkt an die Verteilung: „10 Prozent weniger Festivalsubvention entsprechen 100 Prozent mehr für freie Kulturinitiativen". Das derzeitige Modell der Künstlersozialversicherung müsste von derzeit 5000 Bezugsberechtigten in einem ersten Schritt auf 8000 Personen erweitert werden, langfristig aber sollte diese Versicherung durch eine allgemeine Grundsicherung ersetzt werden. Und schließlich will sich Zinggl für den freien Eintritt in die Bundesmuseen stark machen, die ohnehin durch die Steuerzahler finanziert werden. Den Bund, so rechnet er vor, würde das 10 Mio. Euro im Jahr mehr kosten.
Wenzel Mraček

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