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Kunst oder bewohnbare Architektur? – Zum 4. Architekturdialog im Rahmen des Architekturlaboratoriums |
Archiv - Kultur | |
Montag, 12. Juni 2006 | |
Reinhold Weichlbauer & Albert Josef Ortis: wohnDNA, 2001 - kein Beitrag zum Wohnbau?
Zur inzwischen vierten Auflage der Architekturdialoge im Rahmen des „Architektur Laboratorium Steiermark" hatte Leiterin Charlotte Pöchhacker zum Thema Kunst und Architektur. Produktive Ambiguität und Transformation ins Grazer Literaturhaus geladen. Die Architekturdialoge begleiten eine in Vorbereitung befindliche Wanderausstellung zur steirischen Gegenwartsarchitektur, die bis Ende 2007 durch mehrere Städte Europas touren wird und mittels Austausch und Ergänzungen mit und durch die Gastgeber schließlich in eine finale Schau Ende 2007 in Graz münden soll. Die Überschneidungen und wechselweise Beziehungen zwischen Kunst und Architektur diskutierten – zum Teil ziemlich emotional – Vertreter von ARTEC (Wien), PURPUR.ARCHITEKTUR (Graz, Wien), SPLITTERWERK (Graz), und Weichlbauer&Ortis (Frohnleiten). Die Wiener Kulturtheoretikerin und Kuratorin Angelika Fitz und der Programmdirektor am deSingle, International Art Center (Antwerpen), Moritz Küng, kommentierten die produktive Unbestimmtheit / Ambiguität. Individueller Gestus des Künstlers statt Vertrauen im methodische Planungsstärke. Ausstellungen, erinnerte Charlotte Pöchhacker eingangs, waren für Architekturexperimente immer ein guter Rahmen. So entwarfen Domenig und Huth 1967 den Ausstellungstransformator für die Trigonausstellung unter dem Thema Ambiente oder Wohnvolumen Typ X für trigon ‘69. Peter Weibel beschreibt derlei Ambitionen (Styrian Window, 1996) mit Ansprüchen der Architekten auf den „individualistischen Gestus des Künstlers …, anstatt methodischen Planungsgrundsätzen und systematischen Theorien zu vertrauen. Nicht von der Stadt, sondern von der zeitgenössischen Skulptur leiteten sie ihre architektonischen Formen ab". „Aktionistisches Potential" sieht Pöchacker in Wolff-Plotteggs Metamorphose einer Stadtwohnung mit der er die „bürgerliche Wohnung sozialpolitisch unter Beschuss" genommen hatte. Für eine „erweiterte Auffassung des Architekturbegriffs" steht der Wettbewerbsbeitrag für die Gestaltung des Grazer Hauptplatzes 1990/91 der Gruppe SPLITTERWERK. Beziehungsängste. Das Thema Kunst am Bau sollte aus dieser aktuellen Diskussion aufgrund seiner Komplexität ausgeklammert bleiben, gleichwohl monierte Pöchhacker, dass zum inzwischen auch schon stattgefundenen Symposion Kunst im öffentlichen Raum an der KF-Universität keine die Architektur vertretenden Referenten geladen seien. Dem allerdings könnte man das Fehlen von Künstlern beim Architekturdialog entgegen halten … Es scheint, als wollte man eben gerne unter seinesgleichen bleiben, sofern man nicht bildender Künstler und Architekt ist wie Eugen Hein, der sich in seinen Interventionen im Justizzentrum Leoben allerdings „Sprachformen" (Werner Fenz: offsite. Kunst im öffentlichen Raum, Graz 2005) der Gegenwarts-Kunst annimmt, indem er den Artikel 1 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" an der Nord- und Ostseite der Mauer der Justizanstalt anbrachte (2005). Kunst statt Unterkunft? Seit den 1990er Jahren, zitiert Pöchhacker aus ihren Schriften, sind in der Architektur verstärkt Tendenzen zu Installation, Intervention, zu prozesshaftem Arbeiten und skulpturalen Formen auszumachen. Mit SPLITTERWERK (Grüner Laubfrosch, St. Josef, 2004 od. Schwarzer Laubfrosch, Bad Waltersdorf, 2005) und Weichelbauer&Ortis saßen Vertreter einer neuen, das Experiment propagierenden Architektur in der Steiermark auf dem Podium. Vor allem letztere verteidigen „die Ansicht, dass es in der Architektur um Kunst, nicht um Unterkunft" (Pöchhacker) gehe. Die Wolff-Plottegg-Schüler gehen in ihren Entwürfen von nominal erfassbaren Parametern für das zu entwickelnde Objekt aus, die mittels algorithmischer Verrechnung an ein Ergebnis geführt werden, das Weichelbauer&Ortis jenseits einer Diskussion um die Kategorien Architektur und/oder Kunst verstanden wissen wollen. Am Beispiel ihrer wohnDNA (2001) in Gratkorn zeigt sich die Ambivalenz zwischen Wohnbau und gestalterischem Experiment etwa in der Beschreibung durch Michael Szyskowitz und Renate Ilsinger: „Dieser Wohnblock … stellte bestehende Normen mithilfe von computergenerierten Formen und Zufallselementen infrage, wobei die Eigendynamik des digitalen Mediums den Komplexitätsgrad weiter erhöhte. Vorne nicht wissen, was hinten rauskommt. Jenseits bloßer Bewohnbarkeit erlaubte das System die Gestaltung nicht benutzbarer Balkone und blinder Fenster, während seltsam bemüht anmutende Auskragungen und die allgegenwärtige gelbe Farbe zum allgemeinen Gefühl der Abstraktion beitragen." (Michael Szyskowitz & Renate Ilsinger: Architektur_Stmk, Graz 2005.) „Wir versuchen", machen Weichelbauer&Ortis im Architekturdialog fest, „durch Anwendung von Regelwerken, so weit wie möglich unsere Subjektivität auszuschalten und Gewohnheitsstrukturen zu überlisten. Der Kunstanspruch bezieht sich auf den Form gebenden Prozess, der nach der Formfindung zu Kunsthandwerk wird." Das Spannende an diesem Prozess sei, „dass man nicht weiß, was hinten raus kommt". Angelika Fitz bestätigte diese Haltung als „klassisch künstlerische Strategie" zwischen Zufall und Kontingenz, während Richard Manahl (ARTEC, Wohnanlage Wagenredergründe, Bärnbach 1998; Raum Zita Kern, Raasdorf NÖ 1998) entgegnete, das sei „kein Beitrag zum Wohnbau, nicht einmal zur Architektur, vielleicht aber zum Bühnenbild". Zur Arbeitsweise „schauen, was rauskommt" bemerkte Manahl: „Aktionismus im Wohnbau ist mir zuwider." Wenzel Mraček
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