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„In Freiheit tätig sein“
Archiv - KORSO Sozial FORUM - Schwerpunkt: Sozialstaat
Donnerstag, 1. Juni 2006
Image Dr. Lieselotte Wohlgenannt setzt sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle ein.

Die einen plädieren für ein bedingungsloses Grundeinkommen, die anderen wollen Grundsicherung für alle, aber was ist genau der Unterschied? Grundeinkommen bedeutet, dass alle Menschen unabhängig von Erwerbsarbeit und Bedarfsprüfung ein existenzsicherndes Einkommen erhalten und so am sozialen und kulturellen Leben teilhaben können.

Grundsicherungsmodelle koppeln soziale Sicherung mit Einkommen und Erwerbsarbeit, wie es in Österreich seit Jahrzehnten üblich ist.

Grundeinkommen an der Höhe der Armutsgefährdungsgrenze ausrichten. Dr. Lieselotte Wohlgenannt von der katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) tritt für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle ein: „Durch die aktuellen Umwandlungen des Arbeitsmarkts ist es wichtig ein Modell zu entwickeln, das Freiheitsraum schafft. Das Bild der drei Lebensphasen Ausbildung-Erwerbsarbeit-Pension stimmt nicht mehr. Es wird für jeden dann und wann Zeiten geben, in denen er keinen Job hat. Um in dieser Zeit nicht in Zugzwang zu geraten, sollte ein Grundeinkommen die persönliche Freiheit jedes Menschen wahren." Frauen würden besonders von diesem Modell profitieren. Einerseits wären Hausfrauen nicht mehr in diesem Maße von ihren Männern abhängig und Kinderbetreuungszeiten würden besser entlohnt. Die Höhe des Grundeinkommens sollte laut Wohlgenannt im Moment an die Hälfte des Ausgleichszulagenrichtsatzes für ein Paar angelehnt sein. Auf lange Sicht gesehen müsste es aber an die jeweilige gesellschaftliche Armutsgefährdungsgrenze angepasst werden, die in Österreich derzeit bei 780 Euro liegt: „Das geht aber nur Schritt für Schritt." Zusätzlich brauche es eine andere Verteilung der Arbeit, von bezahlter und unbezahlter Arbeit und von Erwerbsarbeit über den Lebenszyklus verteilt, so Wohlgenannt. Dadurch würde einerseits der Arbeitsmarkt entlastet, andererseits wäre es möglich, das Leben rationeller zu gestalten. „Wenn ich mich zum Beispiel ein Jahr lang ehrenamtlich in einem Wahlkampf engagieren möchte, wäre der finanzielle Druck bei weitem nicht mehr so groß", hebt Wohlgenannt einen Vorteil hervor.

Die Gesellschaft auf Grundeinkommen vorbereiten. Ein Grundeinkommen einzuführen bedarf gesellschaftlicher Begleitmaßnahmen, ist einem Artikel der Katholischen Sozialakademie Österreichs zu entnehmen. „Solange Erwerbsarbeit ein wesentliches, persönlichkeitsstiftendes Status und Einkommen vermittelndes Element bleibt, muss der Arbeitsmarkt so geregelt sein, dass niemand dauerhaft von Erwerbsarbeit ausgegrenzt wird."
Das ist in Österreich im Moment nicht der Fall. Der Arbeitsmarkt ist ausgelastet, die so genannten „working poor" werden immer mehr. Wenn Erwerbsarbeit nicht mehr ausreicht um den Lebensunterhalt abzudecken, ist es an der Zeit sich Alternativen zu überlegen. So passiert auf dem ersten deutschsprachigen Grundeinkommen-Kongress, im Oktober vorigen Jahres in Wien.

Bedingungslos aber nicht ohne Verpflichtungen. Um zu verhindern, das 16-Jährige beschließen keine Ausbildung zu machen und im Hotel Mama gemütlich von ihrem Grundeinkommen zu leben, soll die Auszahlung zumindest an eine abgeschlossene Ausbildung oder an ein freiwilliges soziales Jahr gekoppelt sein. „Bedingungsloses Einkommen heißt nicht, dass es keine Verpflichtungen gibt", erläutert Wohlgenannt. „Unser Verständnis von Grundeinkommen ist getragen von der Erkenntnis, dass sich die Forderung nach Bedingungslosigkeit nicht nur auf die Frage der Arbeitswilligkeit beziehen darf, vielmehr hat diese Forderung umfassender zu sein: Eine Vielzahl von Lebensformen, Lebensmodellen und Bezugnahmen auf die Gesellschaft soll damit ermöglicht und unterstützt werde. So gesehen ist Grundeinkommen ein im besten Sinn liberales Modell, weil es Individuen in ihrer Verhandlungsmacht sowohl am Arbeitsmarkt als auch im privaten Bereich stärkt", erklärte Margit Appel von der ksoe am Grundeinkommen-Kongress.

Finanzierung. Das Grundeinkommen soll laut Lieselotte Wohlgenannt wie ein hoher Steuerabsetzbetrag wirken, ähnlich dem Kinderabsetzbetrag, der entweder ausbezahlt oder mit der Steuer verrechnet wird. Um genau berechnen zu können, was die Einführung eines Grundeinkommens dem österreichischen Staat kosten würde, müsste zuerst einmal die Höhe der ausbezahlten Beträge bekannt sein und geklärt werden, welche Sozialleistungen überflüssig würden.

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