Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Mariazeller Gespräche 2006 im Zeichen der Nanotechnologie 10-9
Archiv - Wissenschaft und Forschung
Dienstag, 7. Februar 2006
ImageDie diesjährigen Mariazeller Technologie-Gespräche, die von 12. bis 14. Jänner im tiefwinterlich verschneiten Wallfahrtsort abgehalten wurden, waren ganz dem noch jungen, aber viel versprechenden Feld der Nanotechnologie (NT) gewidmet.
Auf Einladung der Veranstalter, u.a. der Joanneum Research, beleuchteten die hochrangigen Teilnehmer aus Wissenschaft, Industrie und Politik im Zuge der Tagung denkbare Zukunftsstrategien und -perspektiven aus österreichischer Sicht, die verschiedenen Schwerpunkte der zukunftsweisenden Technologie in der heimischen Forschungslandschaft sowie die zunehmende Bedeutung von Nano-Werkstoffen für die industrielle Fertigung.

Daneben wurden – im Rahmen der heuer erstmals in die Technologiegespräche direkt eingebundenen Mariazeller Gespräche zur Ethik (die seit 2002 veranstaltet werden) – Fragen zum verantwortungsvollen Umgang mit Erkenntnissen der Naturwissenschaften, im Besonderen aus den Nanotechnologien, und deren Implikationen für die Gesellschaft diskutiert.

Europa findet Anschluss an internationale Forschung. Nachdem schon in den neunziger Jahren in den USA und Japan hoch dotierte Forschungsprojekte im Bereich der Nanowissenschaften aufgelegt worden waren, erkannte man auch in der Europäischen Union dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich des ökonomischen Potenzials der NT, der sich letztlich in den Rahmenprogrammen zur Forschungsförderung in Europa niedergeschlagen hat: Nach anfänglich relativ bescheidenen Fördergeldern fließen seit 2004 in der Ländern der EU-25 ansehnliche Mittel in die Nanotechnologie, die in den kommenden Jahren noch weiter aufgestockt werden sollen, wie Prof. Erich Gornik, GF der Austrian Research Centers (ARC), erläuterte. Zu diesem Zweck wurde ein europaweiter Aktionsplan für die Jahre 2005 bis 2009 ins Leben gerufen, der dem Forschungsfeld schnelleres Wachstum ermöglichen soll, um sich in einer anschließenden Phase auf die Selektion von Erfolg versprechenden Schwerpunkten zu konzentrieren. Man will dabei den Anschluss an die in diesem Sektor enorm innovativen USA, aber auch Asien, nicht verlieren und das derzeitige Fördervolumen von ca. 915 Mio Euro (2005) auf mindestens zwei Mia Euro verdoppeln.
Nano-Initiative – vernetzte Forschung in Österreich. Im Jahr 2002 wurde vom österreichischen Rat für Forschung und Technologieentwicklung die gezielte Förderung des Zukunftsfeldes empfohlen. Daraus entstand die Österreichische Nano-Initiative, die durch die Partizipation von Akteuren aus den relevanten Wissenschaftsbereichen, Unternehmern sowie Vertretern aus den Ministerien und Fördereinrichtungen auf den Weg gebracht wurde.

„Dieses Verbundprojekt (das sich am Clusterprinzip orientiert) beruht auf den drei Säulen Forschungsförderung, Vernetzung sowie Aus- und Weiterbildung", erklärte Mag. Alexander Pogány vom BM für Verkehr, Innovation und Technologie. Als eine der zentralen Regionen der Nanoforschung in Österreich fungiert die Steiermark, wo bereits im Herbst 2001 mit dem NANONET-Styria ein eigenes Nanotechnologienetzwerk gegründet wurde.

ImageHier wie in den übrigen Forschungsregionen Wien, Oberösterreich und Tirol konzentriert man sich auf zwei Kernbereiche der Nanotechnologie, in denen man „auch innerhalb Europas auf Augenhöhe agieren kann", wie Dr. Klaus Pseiner von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft betont. Dabei handelt es sich einerseits um die Entwicklung von Materialien, wo „eine ausdifferenzierte, gut vernetzte Szene mit zentralen österreichischen Akteuren existiert" und um den Bereich Optik/Elektronik, der sich „ebenfalls auf europäischem Niveau" bewegt. Weniger organisiert und vor allem ohne wirksamen Rückhalt von Unternehmen im Wirtschaftsstandort ist der Sektor der Biotechnologie stärker auf eine europäische Koordination seiner Aktivitäten angewiesen.

Mut zur Lücke.
Auch wenn die Nanowissenschaften erst in den siebziger Jahren mit der Erfindung des Rastertunnelmikroskops ihre eigentliche Entfaltung erfahren haben, so ist die Verwendung von Nanopartikeln (1 Nanometer entspricht einem millionstel Millimeter) dennoch keine Novität: „Die winzigen Teilchen aus Gold oder Silber werden seit dem frühen Mittelalter zum Färben von Glas oder Keramik verwendet", erläuterte Prof. Christoph Kratky (FWF). Die Nanowissenschaften, kooperieren in Form verschiedener Disziplinen von Physik, Chemie und Biologie, die sich mit Partikeln zwischen 0,1 und 100 nm befassen. Diese weisen Eigenschaften auf, welche größere Teilchen desselben Materials nicht zeigen; sie können aus Metallen, mineralischem Material, Polymeren etc. bestehen und werden für Anwendungen in Farbstoffen, Filtermaterialien und Katalysatoren hergestellt. Trotzdem ist der Palette der verfügbaren Produkte noch relativ schmal und entsprechend warnte Kratky vor einem Hype, der sich auf alles bezieht, was mit „Nano" zusammenhängt. Dieser Aspekt wurde auch von dem renommierten Nano-Experten Tim Harper von der Europan Nano Association in seinem Beitrag deutlich hervorgestrichen.
Gerade die wirtschaftliche Umsetzung steckt auch laut Dr. Sonja Hammerschmid noch in den Kinderschuhen: Einzig bei den Nanowerkstoffen ist die Relevanz bereits offenkundig: Etwa 8 Mia Euro Umsatz werden jährlich mit Antihaftbeschichtungen, Skiwachsen, Sonnencremen und anderen intelligenten Nanoprodukten erzielt.

Ethik und Gesellschaft.
Die ökonomische Bedeutung neuer Technologien darf nicht über die Verpflichtung zum verantwortungsvollen Handeln hinwegtäuschen, wobei „es jedoch keine Verpflichtung gibt etwas verstehen zu müssen, wenn man mitreden will, denn die Auswirkungen von Wissenschaft gehen jeden an", bemerkte Dr. Bernhard Pelzl in der Einleitung zur ethischen Dimension der NT.
Die medizinischen Anwendungen der NT standen im Mittelpunkt des Gesprächs, wohl auch bedingt durch den Teilnehmerkreis: DI Ulrich Kanter (Roche Diagnostics), Mediziner Univ.Prof. Gerhard Walter und Theologe Univ.Prof. Leopold Neuhold. Für Kanter stellt die „Sicherheit im Umgang mit den Materialien" – auch von Seiten der Angestellten – eine wichtige Frage dar, denn die Giftigkeit von Nano-Stoffen ist noch nicht ausreichend erforscht. Für den Arzt Walter ist die „Intention zu helfen, auch ein Ansporn neue Wege zu beschreiten, wobei es gilt das Vertrauen der Patienten zu gewinnen". Ethik darf nicht isoliert betrachtet werden, wie Neuhold betonte: „Es gibt keine Nano-Ethik, sondern nur eine umfassende Ethik, die kein bremsendes Element ist, sondern positive Möglichkeiten eröffnet." Einig war man sich auch darin, dass in den Menschen keine übertriebenen Hoffnungen geweckt werden dürfen (Stichwort Cyber-Medizin), sondern dass es einer realistischen Darstellung der Chancen und Risiken neuer Technologien bedarf, was nicht zuletzt eine Aufgabe der Medien ist.

Josef Schiffer


 

» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück