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Demokratie in Wirtschaft und Unternehmen – das funktioniert!
Archiv - Arbeit und Wirtschaft
Samstag, 6. Mai 2006
Image Engagierte Podiums- und Publikumsdiskussion zu einem Thema, das angesichts der Legitimationskrise des Neoliberalismus wieder Interesse erregt: Widerspricht demokratisches Wirtschaften der ökonomischen Rationalität?

Im Anschluss an die Artikelserie von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Mark-Ungericht in den letzten beiden KORSO-Ausgaben über die Möglichkeiten von Wirtschaftsdemokratie und das erfolgreiche Beispiel des genossenschaftlich organisierten baskischen Mondragón-Konzerns luden KORSO und das Sozialressort des Landes Steiermark, unterstützt von der Arbeiterkammer und der Akademie Graz, am 26. April zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion.

Am Podium: Univ. Prof. Bernhard Mark-Ungericht, LH-StV. Dr. Kurt Flecker, Dr. Herta Kindermann-Wlasak, Vizechefin des AMS Steiermark, Dr. Hans Jaklitsch (Wirtschaftskammer) und Mag. Karl Snieder (Arbeiterkammer).

Halbierte Demokratie. Die Idee der Selbstverwaltung und Solidarität in Unternehmen ist nicht neu, das Wissen darüber scheint aber kaum mehr präsent zu sein. So gab es nicht nur die Rätebewegung, wirtschaftsdemokratische Ideen in der Zwischenkriegszeit und das Mitbestimmungsmodell in der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon lange vorher war im Unternehmensrecht der USA des 18. Jhdts. verankert, dass die Unternehmen zum Wohle einer Region und für das Allgemeinwohl agieren sollten – und nicht umgekehrt. Wenn ein Unternehmen nicht im Dienste der Gemeinschaft handelte, konnte ihm die Lizenz entzogen werden.
Heute stehen wir hingegen vor der Situation, dass von den BürgerInnen erwartet wird, dass sie auf der einen Seite politisch interessiert und engagiert sind, auf der anderen Seite – nämlich bei der Arbeit – ihre Identität als politische BürgerInnen aufgeben, formulierte Mark Ungericht pointiert: „Die Demokratie endet vor den Toren der Fabriken und Unternehmen, dort soll der Mensch nur noch Arbeitskraft sein."

Real existierende Alternative: der selbst verwaltete Mondragón-Konzern. Dass es auch anders geht, zeigt der baskische Mondragón-Konzern. MCC (Mondragón Corporacion Cooperativa) gilt als das weltweit erfolgreichste genossenschaftliche Unternehmen. In weniger als zehn Jahren wurde die Anzahl der Beschäftigten verdoppelt. Mit ca. 74.000 Beschäftigten (davon die Hälfte GenossenschafterInnen mit lebenslanger Beschäftigungsgarantie) erwirtschaftete MCC im Jahr 2004 500 Mio. Euro Gewinn; es ist das größte Unternehmen des Baskenlandes, der siebtgrößte Konzern Spaniens – und gleichzeitig das produktivste Unternehmen des Landes. Gegründet wurde MCC 1956 in einer strukturschwachen Region; neben dem eigenen wirtschaftlichen Erfolg erreichte das Unternehmen, das die Verpflichtung gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld in seinem Statut führt, eine bemerkenswerte Reduktion der Arbeitslosigkeit in der Region. Dass bis 1986 von 103 Neugründungen im Rahmen der Kooperative nur drei ein Misserfolg waren, zeigt, dass eine demokratische Unternehmensführung auch im herkömmlichen Sinn erfolgreicher sein kann als traditionell kapitalistische Unternehmensgründungen (zum Vergleich: In den USA gehen 80% bis 90% der neu gegründeten Unternehmen wieder bankrott.) Und demokratische Unternehmensführung bedeutet bei Mondragón nicht etwa Mitbestimmung, sondern knallhart: Wahl der Leitungsorgane und Letztentscheidung der Vollversammlung der GenossenschafterInnen in allen Fragen. Manager verdienen auch in der MCC mehr als „einfache" Genossen, aber der Unterschied ist limitiert: Derzeit gilt eine Spanne zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Lohn von max. 6 zu 1 - in einigen Genossenschaften gilt allerdings auch absolute Lohngleichheit unabhängig von der Position und Tätigkeit. Die Gewinne werden nicht nur in die Unternehmen reinvestiert, sondern auch für eigene Bildungsinstitutionen und ein Research-and-Development-Zentrum verwendet. Und die Pensionskonten der Arbeitnehmer – Mondragón hat eine eigene Sozialversicherung, weil unter Franco genossenschaftlich Tätige aus der staatlichen Sozialversicherung ausgeschlossen wurden – werden derzeit mit 7% p.a. verzinst …

Der Mainstream betrachtet Wirtschaft als unvereinbar mit Demokratie. „Für den Erfolg eines solchen genossenschaftlichen Unternehmens sind aber neben genügend Know-how entsprechende gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen notwendig" betont Mark-Ungericht, es sei Aufgabe der Politik, eben solche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Neu wäre ein politisches Engagement dieser Richtung für Österreich nicht, erinnert Mag. Thomas Wögerer, Geschäftsführer von Alpha Nova, aus dem Publikum: „Sozialminister Dallinger hat solche Selbstverwaltungsansätze unterstützt. Damals hat es mehr als 60 solcher Unternehmen gegeben, die alle sehr erfolgreich waren."
Zurzeit sieht die politische Realität leider anders aus. So erklärt Dr. Hertha Kindermann-Wlasak: „Das Unternehmungsförderungsprinzip des AMS ist traditionell. Da gibt es keine speziellen Förderungen für Kooperativen. Die Mehrzahl der von uns geförderten Unternehmungsgründungen sind Ein-Personen-Unternehmen." In der weiteren Diskussion bringt Dr. Hans Jaklitsch von der Wirtschaftskammer die Widersprüche, die ein genossenschaftliches Modell gesellschaftlich aufwirft, auf den Punkt: „Hier geht es um Interessen und um einen Klassenstandpunkt." Landeshauptmannstellvertreter Dr. Kurt Flecker analysiert in seiner einleitenden Wortmeldung die aktuelle Situation: „Das Problem ist, dass Wirtschaft im Mainstream so gedacht wird, dass sie nicht mit Demokratie vereinbar ist. Und gerade die Verträge von Maastricht beinhalten eine ganz bewusste Strategie der Entpolitisierung des Wirtschaftsbereiches." SozialdemokratInnen sollten aber nicht darauf vergessen, dass die Demokratisierung der Wirtschaft weiterhin ein Bestandteil des sozialdemokratischen Parteiprogramms sei. Mag. Karl Snieder von der AK Steiermark ortet den Knackpunkt für die Realisierung demokratischen Wirtschaftens darin, „...ob wir die politische Macht für die Umsetzung entwickeln."
Dafür bestehe auch Veränderungsbedarf bei den ArbeiterInnen selbst. „Solidarität muss sich für die Menschen lohnen und da setzt die Bildungsarbeit der AK an. Wir versuchen den Solidaritätsgedanken zu stärken. Das Beispiel Mondragón ist gut. Es zeigt, dass sich Solidarität lohnt. Nur wer solidarisch ist, der bekommt etwas." Das unterstützt auch Mark-Ungericht in seinem Abschlussstatement: „Bewusstseinsarbeit ist nötig. Aber es geht auch um die großen Rahmenbedingungen.
In der EU-Gesetzgebung fehlt die Sozialbindung des Eigentums. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten die Kleinen und die demokratischen Unternehmen bevorzugen." Gerade die aktuelle Krise in der EU könne aber einen Ansatzpunkt bilden, denn, zitiert Mark-Ungericht Bert Brecht, „so, wie es ist, bleibt es nicht."
Johanna Muckenhuber



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