Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Hinter den Kulissen des Öffentlichen
Mittwoch, 8. Dezember 2010
Der Kunstverein <rotor>  zeigt in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Palazzo in Liestal in der Schweiz Arbeiten von KünstlerInnen, die ihre Kamera gezielt auf „Versteckte Öffentlichkeiten“ richten. Was ist sichtbar, was wahrnehmbar im öffentlichen Stadtraum? Wie viel verrät die Struktur eines Gebäudes über seinen Inhalt, seine Widmungen? Oft ist es erst die intensive Beschäftigung, die Disharmonien in Alltagsräumen sichtbar werden lässt. Den Künstlerinnen und Künstlern ist die Aufdeckung jener im Verborgenen wirkenden, gesellschaftspolitischen Barrieren ein Anliegen – ihre Kamera lenkt die Blicke der Betrachter genau dorthin, ihre Einstellung ist so gewählt, dass der Funke des Zweifels überspringt, auf den eine Auseinandersetzung folgen kann.

Abgekapselt oder weggesperrt?
Die 12 KünstlerInnen, kuratiert von Andrea Domesle und Walter Seidl, arbeiten allesamt mit den Mitteln von Fotografie und Video und haben in verschiedensten Ländern derartige Räume aufgespürt: Laurence Bonvin versuchte rund um Istanbul einen Blick auf die luxuriösen Gated Communities zu werfen, die am Stadtrand aus dem Boden schießen – auf eine gebaute Traumwelt, die in starkem Kontrast zu ihrer Umgebung steht. Kontraste sind auch Stilmittel von Walter Derungs‘ „Tiefgaragenästhetik“ – so genannte Nicht-Orte, die er nächtens mit einer Sofortbildkamera festhält. Unfreiwillige Communities finden sich in einem Netz von Zwangsunterkünften für Flüchtlinge und AsylwerberInnen, die Markus Dorfmüller in Deutschland dokumentierte – auch hier bleibt die Kamera außen vor, umkreist die fest umzäunten Objekte. Weder Ein- noch Ausreisen kann man an der hermetisch abgeriegelten Grenze zwischen Nord- und Südkorea, die Emil Gruber im Rahmen einer touristischen Tour besucht hat – jeder seiner Schritte von Militär bewacht. Kann Fotografie unter diesen erschwerten Bedingungen authentisch bleiben, oder transportiert sie nur jene ideologisch verfärbten Bilder, die ihr vorgesetzt werden?

Und 40 Jahre döst der Löwe.
In weniger fernen Welten waren Esther Hiepler und Max Philipp Schmid unterwegs – sie haben die Grenzregionen zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz durchwandert – und zeigen mit Einfamilienhaussiedlungen, verlassenen Grenzen und überwuchertem Dickicht das, was wir undefinierbares Gebiet nennen. Ivan Moudov hat dagegen die Gunst der Grenzregion genutzt, um sich eine lukrative Verdienstmöglichkeit zu schaffen. Er transportierte Müll, der in der Schweiz nur in zuvor teuer erworbenen Säcken entsorgt werden darf, zu günstigeren Konditionen nach Deutschland, um ihn an Raststätten in Containern zu entsorgen – seinen Gewinn investierte er wiederum in Kunst. Mit nur einem Motiv kommt Tanja Lazetic aus und doch wird augenzwinkernd eine Zeitspanne von mehr als 40 Jahren thematisiert: Veränderungen haben nämlich nicht für alle Gesellschaftsbereiche dieselbe Gültigkeit – am Löwen und seinem Käfig im Berliner Zoo, den ihre Großmutter 1965 fotografierte, sind auch die umfassendsten politischen Veränderungen spurlos vorüber gegangen.
| Eva Pichler

„Versteckte Öffentlichkeiten“ wird bis zum 19.Februar im <rotor> zu sehen sein.
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