Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Eine Ausstellung zwischen Mur und Bosporus
Mittwoch, 8. Dezember 2010
Eine Ausstellung, die noch bis zum Jahresende beim Österreichischen Kulturforum in Istanbul zu sehen sein wird, schlägt Brücken zwischen der Steiermark und der türkischen Metropole, zwischen den Kulturhauptstädten Europas 2003 und 2010. Der 1794 in Graz geborene Joseph Hammer (später: Hammer von Purgstall) gilt als Pionier der österreichischen Orientalistik; er schrieb ein 10-bändiges Werk über die Geschichte des Osmanischen Reiches, übersetzte den „Diwan“ des persischen Autors Mohammed Schemsed-din Hafis, der Goethe zu seinem „West-Östlichen Diwan“ inspirierte, ins Deutsche, die „Geschichten aus tausendundeiner Nacht“ ins Französische und die auf Griechisch verfassten Betrachtungen des römischen Kaisers Marc Aurel ins Persische, er initiierte die Gründung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und verfasste eine Vielzahl belletristischer Werke. Er verkörpert den Beginn einer aufgeklärten Beschäftigung mit dem islamischen Kulturkreis – und lebte selbst sechs Jahre lang in der Stadt am Bosporus.
Hammer-Purgstall steht im Mittelpunkt des ersten Teiles der durchgehend zweisprachig konzipierten Ausstellung „Brücken zum Orient“, die noch unter der Ägyde des damaligen Kulturlandesrates Kurt Flecker von Gerhard Dienes konzipiert wurde, der für die Auslandskulturprojekte des Universalmuseums Joanneum verantwortlich zeichnet; die wissenschaftliche Leitung hatte der Grazer Orientalist und Urania-Leiter Hannes Galter inne, die Gestaltung oblag Eberhard Schrempf.
Die Rezeption der Werke Hammer-Purgstalls in der Türkei ist ungebrochen, erzählt Galter, seine zwischen 1827 und 1833 erschienene „Geschichte des Osmanischen Reiches“ gilt noch immer als Standardwerk: „Noch 2008 konnte ich sie in Istanbul als Paperback auf Türkisch kaufen, und es gibt kein historisches Werk über die Türkei, in dem er nicht zitiert wäre.“

Ein Beitrag zur Integrationsdebatte.
Der zweite Teil der Schau zeigt die vielen Berührungspunkt Österreichs mit der Türkei  – viele davon sind konfliktbeladen wie die Türkenkriege oder die aktuelle Integrations- und Islamdebatte, andere – wirtschaftliche und wissenschaftliche, etwa die Kontakte der Technischen Universität mit türkischen Partnern – weisen den Weg in ein fruchtbares Miteinander. Auch der Aspekt der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema kommt nicht zu kurz: Erwin Schwentner, Edith Temmel und Hermine Prügger haben einschlägige Werke beigesteuert.
Der letzte Teil der Ausstellung entfernt sich völlig von musealen Konzepten: Er wurde von einer Welser Schulklasse gestaltet. 16- bis 17-jährige SchülerInnen mit türkischem Migrationshintergrund   schildern – unter anderem in Videos – ihr „Leben in zwei Welten“; sie haben ihre Mädchenzimmer im anatolischen und im österreichischen Haushalt verglichen und dem Welser Imam die gleichen Fragen zur Religiosität gestellt wie dem Stadtpfarrer. Und: Zwei der Mädchen haben bei der Eröffnung der Ausstellung Mitte September im Istanbuler Palais Yeniköy gedolmetscht.
Werden wir die Ausstellung auch in Graz sehen können? „Auch wenn sie als Wanderausstellung konzipiert ist, fehlt derzeit leider das Geld für weitere Präsentationen“, bedauert Hannes Galter, „man müsste sie ja entsprechend den Ausstellungsorten adaptieren.“ Schade, denn die Schau könnte zweifellos einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte leisten.

| Christian Stenner
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