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Christian Buchmann: Internationalisierung und Integration als kulturpolitische Leitlinien
Sonntag, 14. November 2010
Die Zuständigkeit im Landes-Kulturressort ist von der Sozialdemokratie wieder zurück an die ÖVP gewandert, neuer Amtsinhaber ist Dr. Christian Buchmann, der in der Vergangenheit schon drei Jahre lang Kulturverantwortlicher der Landeshauptstadt war. Mit KORSO-Herausgeber Christian Stenner sprach er über sein Verständnis von Kulturpolitik, über die Notwendigkeit einer Wiederbelebung des Trigon-Gedankens und darüber, dass Einsparungen im Kulturbereich primär die Infrastruktur treffen sollten. Herr Landesrat, auch wenn die Kultur ja als ehemaliger Grazer Kulturstadtrat kein neues Thema für Sie ist: Die Entfaltungsmöglichkeiten eines Ressortverantwortlichen im Land sind doch wesentlich umfangreicher. Was ist Ihre kulturpolitische Vision in dieser neuen Funktion? Da gibt es ja viele mögliche Herangehensweisen – als Über-Intendant, als Schiedsrichter, als Ezzes-Geber für Förderbeiräte …
Ich bin nach der Geschäftseinteilung der Landesregierung zuständig für Wirtschaft, Europa und für die Kultur und habe mir entsprechend vorgenommen, als Brückenbauer zwischen diesen drei Bereichen zu wirken. Innovation und Kreativität sind zwei Säulen, die der Wirtschaft und der Kultur gemeinsam sind, da sehe ich einiges an Chancen. Wir haben im Regierungsprogramm formuliert, dass wir eine Kultur des Ermöglichens fördern möchten, wobei möglichst große Vielfalt vorherrschen soll.
Ein wesentlicher Fokus wird auf der Internationalität liegen, zum Beispiel auf der Wiederbelebung des Trigon-Gedankens – allerdings nicht im ursprünglichen Sinn, sondern neu interpretiert. Dafür erfahre ich sehr viel Zuspruch.

Neu interpretiert heißt: Über die ursprünglichen Trigon-Länder hinausgehend?
Neu interpretiert heißt für mich beispielsweise, dass auch das Thema der Integration stärker im Kulturschaffen behandelt wird.
Ich möchte auf Ihre einleitende Frage noch eine ganz konkrete Antwort geben: Ich habe nicht vor, der Intendant der IntendantInnen zu sein. Aber ich sage sehr deutlich, dass diejenigen, die sich um öffentliche Fördergelder bemühen, auch dazu eingeladen sind, die genannten Punkte – nämlich die Internationalisierung der steirischen Szene und das Integrationsthema – in ihrer Programmatik mit zu behandeln. Wer diese Einladung ausschlägt, wird sich um Drittmittel am Markt bemühen müssen.

Letzteres ist allerdings eher illusorisch. Die Bereitschaft der Wirtschaft zum Kultursponsoring ist, wie alle Kulturschaffenden wissen, enden wollend. Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie in Ihrer Doppelfunktion auch die Wirtschaft zu mehr Engagement in diesem Bereich motivieren? Man könnte ja durchaus Wirtschaftsförderungen an eine solche Bedingung knüpfen.
Motivieren möchte ich die eine wie die andere Seite, wobei schon zu sagen ist, dass die Wirtschaft immer bestimmte kulturelle Aktivitäten unterstützt hat, so wie es auch Künstler gibt, die, ohne sich selbst zu verleugnen, sehr gut mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Ich habe in den letzten Jahren versucht, durch die Gründung der Creative Industries ein bestimmtes künstlerisches Milieu, das es ja im Großraum Graz in ganz ausgeprägter Weise gibt, näher an die Wirtschaft heranzuführen und dieses Netz einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Das ist nicht die einzige Aufgabe, die Kunst und Kultur haben, aber es ist eine mögliche; da sehe ich mich als Vermittler.

Die Möglichkeiten der Politik werden in den kommenden Jahren nicht nur in Ihren Ressorts durch die Einsparungsziele beschnitten werden. Woher sollen die geplanten 25% Einsparungen im Kulturbereich kommen, wer wird dran glauben müssen?
Diese 25% waren eine Arbeitshypothese, die alle Abteilungen des Landes im Auftrag der Landesregierung bearbeitet haben. Die Vorschläge der Kulturabteilung kenne ich im Detail noch nicht, weil ich derzeit mit Kunstschaffenden, mit Verantwortungsträgern von Festivals und jenen der großen Häuser das Gespräch suche, um mir ein Bild vom aktuellen Status zu machen. Ich möchte in der ersten Runde über Inhalte reden, über Internationalität, über Integration und über den Trigon-Gedanken und erst in zweiter Linie über das Geld. Ich sage jedem, der Sorge hat, dass es kein Geld mehr gibt: Fürchtet euch nicht. Erstens haben wir das Glück, dass meine Vorgängerin als Kulturlandesrätin jetzt Finanzlandesrätin ist und sie von daher wohl viel Verständnis für Kunst und Kultur haben wird. Zum Zweiten sind bei den großen Institutionen viele Ausgaben gebunden. Wenn ich etwa ans Joanneum denke, das nächstes Jahr sein Jubiläum feiert, dessen Umbau dann zumindest zum Teil vollendet sein wird – da wird es nicht ganz so einfach sein, Einsparungen vorzunehmen. Andererseits sollen die notwendigen Ausgabenkürzungen auch nicht die Kleinsten treffen – daher bin ich auf der Suche nach Möglichkeiten, bei der Infrastruktur einzusparen. Die Zeit ist vorbei, wo fünf ausgegliederte GmbHs parallel an den gleichen Aufgaben arbeiten. Ich möchte zentrale Ansprechpartner haben, sei es in der Verwaltung, sei es in einer ausgegliederten Gesellschaft.

Bedeutet das ein Aus für die Kulturservicegesellschaft?
Das bedeutet gar nichts für eine konkrete Gesellschaft. Derzeit führe ich Gespräche mit allen Betroffenen, am Ende der Reise werden wir hoffentlich auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Ich muss dennoch weiter fragen: Eine weitere ausgegliederte Gesellschaft ist die Regionale Organisations GesmbH – gibt es hier Ihrer Ansicht nach Einsparungspotenzial, und: Wie stehen Sie überhaupt zur Regionale, soll sie nach 2012 fortgesetzt werden?
Als Europa-Landesrat bin ich ein Anhänger der Regionen, die für mich aber nicht gleichbedeutend mit steirischen politischen Bezirken sind.

Sondern auch – im Sinn des von Ihnen schon angesprochenen Trigon-Gedankens – über die Landesgrenzen hinausreichen?
Ich habe in den letzten Tagen mit verschiedenen Persönlichkeiten genau darüber gesprochen und sehr positives Feedback geerntet – von Günter Waldorf und Alfred Kolleritsch bis hin zu jungen KünstlerInnen. Margarethe Makovec „rotor“ ist ja zum Beispiel schon lange mit einem solchen internationalen Schwerpunkt tätig. Wir werden das jedenfalls gut vorbereiten, und wenn die Landespolitik sich darauf einigt, werden wir den Treibstoff dafür zur Verfügung stellen.
Wie es mit der Regionale selbst weitergeht, werden wir, wie auch beim steirischen herbst oder der Styriarte, mit den Entscheidungsträgern besprechen. Ich glaube allerdings, dass wir – wenn wir ein Festival mit großer Strahlkraft wollen – es wenig Sinn macht, diese Mittel auf verschiedene Anbieter aufzuteilen.

Ein bereits gestarteter Versuch der Internationalisierung ist die geplante Kulturachse zwischen Graz und der europäischen Kulturhauptstadt 2012, Maribor. Werden Sie dieses von Bürgermeister Nagl und Kulturstadtrat Herper initiierte Projekt mittragen?
Ja, diese Chance sollten wir nutzen. Für mich persönlich ist es unverständlich, warum die Regionale da nicht mit eingestiegen ist. Aber: Ich gönne den Murauern ihr Festival von Herzen, nach 2012 werden wir weitersehen.

Zurück zu den leidigen Finanzen: Je enger die Spielräume werden, desto mehr sieht man sich auch in der Kulturszene gegenseitig auf die Finger. Die kleinen Initiativen kritisieren, dass die „großen Tanker“ wie die Bühnen oder das Universalmuseum Joanneum über ihre ohnehin auf jeweils fünf Jahre gesicherten Fördervereinbarungen hinaus auch immer wieder zusätzliche Projekte gefördert bekommen.
Das ist eine alte Diskussion, aber Gerechtigkeit ist in diesem Zusammenhang eine relative Frage, weil die freie Szene, wie der Name sagt, in ihrer Programmatik auch frei ist. Die großen Institutionen sind hingegen an kulturpolitische Aufträge seitens des Landes und der Stadt gebunden, das setzt auch entsprechende Mittel voraus.

Wie werden Sie in finanziellen Fragen gegenüber dem Bund auftreten? Ein großer Anteil der Bundesmittel im Kulturbereich fließt ja bekanntlich nach Wien. Und: Wäre es nicht sinnvoll, auch kulturelle Institutionen des Bundes oder zumindest Filialen davon in der Steiermark anzusiedeln?
Nur Bares ist Wahres. Mir geht es weniger um Auslagerungen von Institutionen des Bundes in die Steiermark als um einen fairen Anteil an der Kulturförderung; der ist aus meiner Sicht ausbaufähig. Wir haben tolle Festivals und tolle Kulturproduktionen, die sollten ebenso wie jene in Wien, Salzburg oder Bregenz auch mit einem fairen Bundesanteil gefördert werden. Wenn meine Vorstellungen in Bezug auf den Trigon-Gedanken Realität werden, dann werden wir mit einem entsprechenden Konzept an den Bund herantreten.

Abschließend die Frage, die jeder Kulturpolitiker und jede Kulturpolitikerin traditionell über sich ergehen lassen muss: Wohin tendiert Ihr persönlicher Kulturkonsum?
In Richtung sowohl als auch, wobei meine Vorliebe in Richtung bildende Kunst geht. Womit ich mich immer wieder bewusst konfrontieren muss, ist die neue Musik. Da versuche ich mich hineinzuleben – ohne sagen zu können, dass ich alles verstehe.
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