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Senegal: Kleinbauern kämpfen gegen Agrarkolonialismus
Sonntag, 14. November 2010
Die österreichische Organisation Welthaus der Diözese Graz-Seckau arbeitet seit 1998 mit der senegalesischen Partnerorganisation „Symbiose“ zusammen. Im Zuge der gemeinsamen Projektarbeit besuchten im Oktober zwei Landwirtschaftsexperten aus dem Senegal, die in der Entwicklungshilfe tätig sind, als Gäste des Welthauses die Steiermark, um in zahlreichen Vorträgen und Diskussionen über die Situation der Landbevölkerung im Senegal Auskunft zu geben und die radikalen Veränderungsprozesse der jüngsten Vergangenheit zu schildern. Neben vielen bedenklichen Entwicklungen im Rahmen der globalisierten Wirtschaft geben die Ansätze zu mehr Autonomie und Selbstbestimmung in den ländlichen Gemeinschaften auch Anlass zu Hoffnung für die Zukunft.

Monokulturen und Erosion bedrohen das Überleben.
Die Situation ist in den vergangenen Jahren im westafrikanischen Staat merkbar schwieriger geworden, berichten der Soziologe Malick Ba und der Agrarwissenschaftler Hane Elhadji Hamath, die als landwirtschaftliche Berater in Projekten für senegalesische Kleinbauernfamilien mitarbeiten. Der Senegal ist als Entwicklungsland am westlichen Rand der Sahelzone mit starken klimatischen Risiken konfrontiert, die die regionale Landwirtschaft immer wieder vor harte Herausforderungen stellen. Die natürliche Lebensgrundlage der zu über 60% in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung ist außerdem durch zu geringe Niederschläge, fortschreitende Abholzung, Überweidung und Missernten gefährdet.
Dazu kommt als größtes Problem die seit dem 19. Jahrhundert dominierende Monokultur von Erdnüssen in riesigen Plantagen, die als Rohstoff für Öl und Seifen nach Europa exportiert wurden, erklären die beiden Projektarbeiter. Im „Erdnussbecken“, dem Zentrum ihrer Kultivierung, haben die rücksichtslose Ausbeutung der Böden durch den wirtschaftlichen Egoismus der Europäer ihre Spuren hinterlassen: Nährstoffmangel und Bodenerosion haben das Ackerland über weite Strecken hinweg beinahe unfruchtbar gemacht.

Selbstbestimmung versus staatlichen Zentralismus.
In der Hilfe zur Selbsthilfe wurde das wichtigste Heilmittel erkannt: Das gemeinsame Ziel von „Symbiose“ und Welthaus ist die organisierte, aktive Teilnahme und Mitbestimmung der bäuerlichen Bevölkerung an der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. „Wir arbeiten seit zehn Jahren mit dem Welthaus zusammen, weil unsere Bevölkerung aufgrund der Ernährungsunsicherheit in einer sehr schwierigen Lage ist“, betont Hane Elhadji Hamath: „Wir wollen nicht nur die Ernteerträge erhöhen, sondern die Menschen anleiten, ihre Interessen zu vertreten. Die Bevölkerung ist sich sehr wohl ihrer Verantwortung für die Entwicklung an der Basis bewusst.“
Vom Staat ist wenig Hilfe zu erwarten, der konzentriert sich vornehmlich auf die wirtschaftlich aufstrebenden Regionen rund um Dakar an der Küste. „Die Landwirtschaftspolitik kümmert sich nicht um Lebensrealität auf dem Land und die Menschen auf dem Land werden im Stich gelassen“, erzählt Malick Ba: „Wir helfen ihnen, sich untereinander zu vernetzen und vermitteln unter anderem die Grundlagen der biologischen Landwirtschaft. Am Beginn haben wir mit 23 Dörfern in der Region Kaolack gearbeitet, mittlerweile sind bereits 524 Dörfer in unserem Netzwerk dabei.“

Kampf gegen Konzerninteressen.
Trotz der vielversprechenden Ansätze der Selbstorganisation in den ländlichen Kommunen ist der wirtschaftliche Einfluss aus dem Ausland groß: „Der Anbau von Erdnüssen für den Export hat unsere Böden ausgelaugt und es gibt immer weniger Land für die Eigenversorgung“, erklärt Elhadji Hamath: „Das Problem ist auch, dass die Eigentumssituation oft ungeklärt ist. Ein großer Teil des Landes wird vom Staat an die Bauernfamilien vergeben, während in anderen Gegenden die lokalen Sippenführer die Entscheidung darüber treffen.“ Der Trend zum lukrativen Geschäft mit „Bio-treibstoffen“ hat das westafrikanische Land erfasst und ausländische Konzerne erwerben das Nutzungsrecht für riesige Plantagen, um diese mit Jatropha (Brechnuss) zu bepflanzen. Senegal hat sogar ein eigenes Ministerium für Agrotreibstoffe und erneuerbare Energien geschaffen. Die Folgen bestehen in Verarmung, Hunger und Landflucht: „Vor allem die Jungen sehen am Land keine Perspektive und ziehen in die großen Städte oder emigrieren“, beklagt Malick Ba.

Zerstörerische EU-Nahrungsmittelexporte.
Obwohl rund 70% der Menschen im Senegal von der Landwirtschaft leben, muss rund die Hälfte der benötigten Lebensmittel importiert werden, was einen fatalen Kreislauf in Gang gesetzt hat. Trotzdem fließen nur 10% des nationalen Budgets in die Landwirtschaft und die Verbesserung der Bedingungen auf dem Land. Relativ günstige, weil hoch subventionierte Lebensmittel aus der EU überschwemmen die Märkte. „Im Senegal werden regional und biologisch erzeugte Lebensmitteln leider nicht wertgeschätzt“, meinte Elhadji Hamath: „Die Vermarktung der eigenen Produkte ist zu schwach, weil die Bauern nicht gut organisiert sind. So kommt es, das aus Europa importierte Produkte wie Coca Cola, Hühnerfleisch, Butter und Käse von der einheimischen Bevölkerung bevorzugt werden.“ Die Produkte der lokalen Bauern finden aufgrund ihrer höheren Preise und veränderter Konsumgewohnheiten nur schlechten Absatz, während die Preise für unverarbeiteten Reis, Mais oder Hirse am Markt extrem niedrig sind.

Besser Alternativen durch Entwicklung.
Der Schlüssel zur Verbesserung der Situation, so Elhadji Hamath, liegt in der besseren Ausbildung der Landbevölkerung, die so neue Pflanzen kultivieren lernt und mit dem nötigen Know-how an der Wiederbelebung der geschädigten Böden arbeiten kann. Überkommene Anbaugewohnheiten müssen geändert werden: Statt Erdnüssen, die kaum etwas einbringen und die den Boden ruiniert haben, wird nun von „Symbiose“ in der Region Kaolack der Anbau von Reis zur Eigenversorgung propagiert. Aufwändige Vorarbeiten erfordern planvolles Vorgehen, betont Malick Ba, denn dafür muss der Boden in Meeresnähe durch Entsalzung erst wieder fruchtbar gemacht werden. Wichtig ist auch die Züchtung von an die lokalen Verhältnisse angepasster Reissorten, die genügend Ertrag bringen, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Erste Erfolge können verzeichnet werden, berichtet Elhadji Hamath: „Die Reisernten steigen seit dem Einsatz verbesserter Anbaumethoden und von Düngung jährlich deutlich an.“ Besonders stolz ist sind die beiden Projektmitarbeiter darauf, dass inzwischen wieder vermehrt junge Menschen aus den städtischen Zentren zurückkehren und auf dem Land eine neue Zukunft finden.
Josef Schiffer
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