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Bergbauern am Hotdog-Standl
Dienstag, 5. Oktober 2010
Im Journalismus gibt es ganz gewiss etwas zu retten. Was genau von wem gerettet wer-den soll, konnte bei den Österreichischen Medientagen (mit ONLINE DAY!) nicht restlos geklärt werden. So hatte sich Hermann Petz, immerhin Vorstandsvorsitzender der Moser Holding und extra aus Tirol angereist, um im erlauchten Kreis der Metropolen-Medienelite über „Medien in der gesellschaftlichen Verantwortung“ zu raisonnieren, seinen Auftritt wahrscheinlich nicht vorgestellt: „Die Regionalmedien sind keine Qualitätsmedien“, beschied ihm Falter-Chefredakteur Armin Thurnher bei der Auftaktdiskussion der Österreichischen Medientage. Und die Herren Markus Breitenecker (Puls 4), Peter Pelinka (News) und Armin Wolf widersprachen da ebenso wenig wie Ines Pohl, die als TAZ-Chefredakteurin am Podium die Quoten-Ausländerin und -Frau (letzteres gemeinsam mit Moderatorin Ingrid Thurnher) in Personalunion war. Nur Presse-Chefredakteur Michael Fleischhacker konzedierte zumindest dem verlagseigenen Regionalmedium Kleine Zeitung, Anforderungen an Qualitätszeitungen doch partiell zu erfüllen. „Qualitätsmedien richten sich an Eliten“, reichte Thurnher auch gleich eine griffige Definition nach. Aufkeimenden Zweifeln und den Vorwurf des „semantischen Kidnapping der Qualität für Elitemedien“ (Petz)  machte der Falter-Chef mit der Habermas-Keule den Garaus: Von Jürgen Habermas stamme schließlich die Erkenntnis. Die Debatte, ob Innsbrucker Eliten (falls man deren Existenz überhaupt für möglich hält) sich eher aus dem Falter oder dem Moser-Flaggschiff Tiroler Tageszeitung informieren und Wiener Eliten (zumindest die politischen) ihre Antennen nicht vielleicht doch eher nach der Kronenzeitung ausrichten als nach exklusiven Elite-Medien, hätte wahrscheinlich zu weit weg geführt.

Medienqualität als „soziales Gut“.
Abgesehen von einem kleinen Disput zwischen Wolf, der dabei den ORF so leidenschaftlich verteidigte, als wäre er zumindest TV-Chefredakteur, und Puls 4-Geschäftsführer Breitenecker über öffentlich-rechtliche versus private Fernsehqualität vermied man Kontroversen sonst weitgehend. Ohne dabei auf starke Worte komplett zu verzichten: „Das Ersetzen von Denken durch Moralinsäurebäder ist Nichtqualität“ gerierte sich der formulierungspotente Presse-Chefredakteur Michael Fleischhacker, nachdem Breit-ecker und NEWS-Chefredakteur Peter Pelinka nicht ohne Stolz ihre jeweils medienspezifischen Beiträge zur öffentlichen Xenophobie- bzw. Integrationsdebatte präsentiert hatten – einen aus dem Boden gestampften Integrationspreis, der Magazin-Mann, eine 16-jährige Türkin, die laut offizieller Website „Sonnenschein zu Austria’s next Topmodel“ ist, der Puls 4-Chef.
Die beiden Medienformate sind nach den Kriterien der deutschen Kommunikationswissenschafterin Miriam Meckel aber keineswegs qualitätsfrei. Apostrophierte sie in ihrem Einführungsvortrag zur elitären Journalistenrunde doch die an der Publikumsattraktivität gemessene Nachfragequalität. Die, so Meckels These, immer mehr Raum greift, weil in elektronischen Medien (zu denen auch die Webplattformen von Zeitungen zählen) die umfassende Messbarkeit von Klick- und anderen Raten die Nachfragequalität verstärkt. Die Wissenschafterin Me-ckel muss wissen, wovon sie spricht: Ihre Popularität rührt ironischerweise weniger von ihrem wissenschaftlichen Output als von einem (in „Elitemedien“ wie der Süddeutschen übrigens ziemlich zerzausten) Burnout-Bekenntnis-Bestseller und einer unter Mediengetöse geouteten Beziehung zur (noch medienprominenteren)  ARD-Moderatorin Anne Will. In Wien war Meckel aber nur Wissenschafterin und Apologetin der „Qualität als sozialem Gut“: „Qualitätsjournalismus muss als Haupttätigkeit finanzierbar sein“ verlangte sie. Über das Wie sagte sie weniger, außer: „Der Journalismus muss für sich selbst argumentieren“.

Finanzierungsvorschläge: Von der Journalistenförderung bis zu branchenfremden Geschäften.
Der scheint sich aber nicht so ganz einig zu sein, wofür er argumentieren soll, eher noch wogegen: Die Aussage Thurnhers „Die Medienpolitik hat eine verantwortungslose Rolle“ darf man als verklausulierten Hilferuf an die selbige interpretieren. Währenddessen erwar-tet sich Fleischhacker von der öffentlichen Hand rein gar nichts: „Die Journalisten sind die Bergbauern des dritten Jahrtausends“, malte er das Schreckgespenst subventionsabhängiger „Demokratiepfleger“ an die Wand. Bloß: Die Frage, wie sich „Qualitätsmedien“ gegen die Gratiskonkurrenz aus dem Netz behaupten können, wusste keiner der Diskussionsteilnehmer so recht zu beantworten. „Geschäfte abseits des Journalismus“, wie sie Pelinka vorschlug, darf man ja getrost als Themenverfehlung qualifizieren. Und die Selbstanfeuerung von Ines Pohl „Wir müssen kreativ sein“ nicht als Lösung, sondern bestenfalls als Aufforderung, nach einer solchen zu suchen.
Das Publikum ging nach der Diskussion zum Mittagsbuffet. Hauptanziehungspunkt dabei: Das Qualitätsangebot eines von den Wiener Bezirksblättern werblich genutzten Gratis-Hotdog-Standls. Nach der Labung ging es optimistischer weiter. Jürgen Galler, Produktmana-ger von Google in Europa referierte „Trends in einer vernetzten Welt“. Anschließend wurde er noch interviewt – vom Googles Country-Manager für Österreich.

| Martin Novak
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