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Kurt Neumann: Aus dem Übelbachgraben nach Hollywood |
Montag, 19. Juli 2010 | |
Zwischen Zitoll im Übelbachgraben und Waldstein, der letzten Heimat der Habsburgerin Zita, liegt, historisch ebenfalls reich aufgeladen, der Ort Prenning mit dem „Landhaus Feuerlöscher“. Das „Landhaus Feuerlöscher“ ist Ort der „Prenninger Gespräche“, eines 2007 gegründeten, „gemeinnützigen Vereines für Weltoffenheit, Widerstandsgeist und Solidarität“. Die Wahrnehmung dieses Vereines und sein Programm scheinen, wie für Österreicher die Zwischenkriegszeit überhaupt, etwas kompliziert. Aber die Beschäftigung damit lohnt sich, auch wegen der dortigen Eröffnung von „Von Judenburg nach Hollywood“ am 10. Juli. Die Kurt Neumann gewidmete Ausstellung mit dem Untertitel „Redakteur – Schauspieler – Drehbuchautor“ wird zusätzlich am 11. September, weiters noch im Oktober und November mit zusätzlichen Veranstaltungen angereichert.
Das Leben des 1902 in Judenburg geborenen Kurt Neumann, vom Grazer Filmemacher Heinz Trenczak in der von ihm kuratierten Ausstellung nachgezeichnet, ist nicht weniger kompliziert und gefahrvoll als die eingangs erwähnten, gern verdrängten politischen Geschehnisse. Dabei fasziniert neben der zeitgeschichtlich-politischen Dimension vor allem auch die abenteuerliche Unberechenbarkeit von Neumanns Biografie, die sich noch auf dem Hintergrund der Habsburgischen Monarchie entfaltet. Neumann besucht die Volksschule in Marburg und maturiert in Graz, um dann erst in Leipzig, dann in Wien Welthandel zu studieren. Auf den Abschluss als Diplomkaufmann folgt die Promotion als Staatswissenschaftler in Graz. Aber als sich später herausstellt, dass Neumann Sozialist ist, wird er am schon am ersten Tag seiner Tätigkeit in der Handelskammer in Bruck a.d. Mur gefeuert. Ernst Fischer empfiehlt Neumann daraufhin dem „Arbeiterwillen“, wo er sich von den „Nachrichten aus der Provinz“ hocharbeitet und von 1932 bis 1934 als Redakteur wirkt. Nach einem „Aufruf zum Generalstreik auf eigene Faust“ wird er verhaftet, und glücklicherweise nach drei Monaten aus Mangel an Beweisen von einem Richter, der kein Sympathisant Dollfuß’ zu sein scheint, freigesprochen. Flucht nach Prag, Paris und in die USA. In diese Zwischenkriegszeit und den Ständestaat fällt auch die Ehe mit Anna Feuerlöscher, dem vierten und jüngsten Kind des Juristen und Fabrikanten Dr. Sigmund und seiner Frau Karoline Feuerlöscher. Der Familie gehört eine Pappendeckelfabrik in Prenning, und ihr „Landhaus Feuerlöscher“ wird zum Zentrum des „Prenninger Kreises“ mit Kurt Neumann als Initiator. Mitglieder wie Axl Leskoschek, Herbert Eichholzer, Otto Fischer setzen ihre antifaschistischen Aktivitäten auch während des Nationalfaschismus fort, was für den Architekten und Widerstandskämpfer Eichholzer in den Tod führt: Er wird 1943 von den Nazis hingerichtet. Der glücklichere Kurt Neumann geht nach seinem Freispruch nach Paris, wo er ein Buch über den Ständestaat verfasst. Das Werk wird aber vom „Comité Mondial contre la Guerre et la Fascisme“, als dessen Generalsekretär der junge Walter Ulbricht fungiert, nicht angenommen und bleibt unveröffentlicht. Nach einem kurzen Österreichaufenthalt 1937 flieht Neumann vor den Nationalsozialisten nach Prag und dann erneut nach Paris, um nach Kriegsausbruch als „feindlicher Ausländer“ interniert zu werden. Während dieser Internierung entsteht ein autobiografischer Roman, aus dem, von Eugen Gross eingeleitet, am 27. November dieses Jahres im „Landhaus Feuerlöscher“ auch gelesen wird. Jedenfalls revanchieren sich die Zionisten bei dem Antifaschisten Neumann und ermöglichen ihm knapp vor dem Einmarsch Hitlers in Frankreich die Überfahrt in die USA. All die Ungewissheiten der Haft und des Lagers, die Tricks, um Visa und Reisepapiere zu erhalten, die ständige Gefahr der Verhaftung scheinen in dieser dürren Aufzählung freilich nicht auf. In den USA bleibt Neumann. allerdings, da sein mexikanisches Visum sich als ungültig erweist, mit einem Durchreisevisum „hängen “. Erst arbeitet er ganz klassisch als Gärtner, dann unter dem Namen Walter Traum als Journalist. Nach der Heirat mit Jane Scott, der Schwester eines Drehbuchautors, fasst Kurt Neumann vorübergehend in der Traum- industrie Fuß. Er wirkt in Statistenrollen zwischen 1943 und 1946 in insgesamt sieben Filmen, wie „Gefährliche Flitterwochen“, „Einsatz im Nordatlantik“, „Counter Attack“, „Hotel Berlin“ oder „Strange Journey“ mit, unter denen Fritz Langs „Auch Henker sterben“ der bekannteste ist. Ein Höhepunkt der diesjährigen „Prenninger Gespräche“. Es hat eine gewisse Ironie, dass der Antifaschist Neumann in diesen Filmen, die sich hauptsächlich mit dem Hitlerregime und dem Krieg auseinandersetzen, meist als Nazischerge auftritt. Neumann schreibt auch an einem Drehbuch „The Hitler Gang“ (1943) mit. Nach seiner dritten Eheschließung mit Mia Corak Slavenska, einer kroatischen Primaballerina und Tanzpädagogin, der die Tochter Maria entstammt, enden die Hollywoodkontakte allerdings. Der vielseitige Kurt Neumann wird das Ensemble seiner Frau, dann auch verschiedene Chöre und das französische Symphonieorchester managen. Obwohl von österreichischer Seite eingeladen, am Wiederaufbau mitzuwirken, und trotz langer Verzögerung seiner Einbürgerung durch das McCarthy-System, bleibt er lieber in den USA, wo er 1984 in Canoga Park stirbt. Der Besuch seiner Tochter Maria Ramas, die am 11. September gemeinsam mit Heinz Trenczak und Kristina Henschke über ihren Vater und andere Österreicher in Hollywood referieren wird, wird zweifellos ein Höhepunkt der diesjährigen „Prenninger Gespräche“. Auf die DVD, mit der die Ausstellung und die zwei Filmabende (am 13. und 27. November) ergänzt werden, kann man gespannt sein. Einziger Schönheitsfehler: Dass offensichtlich für eine wirklich umfassende Film-Retrospektive, begleitet von einer aufwändigeren, zeithistorischen Diskussion bzw. Publikation, die Mittel gefehlt haben. | Willi Hengstler Kurt Neumann (1902 – 1984). Redakteur – Schauspieler – Drehbuchautor. Landhaus Feuerlöscher, Prenning 85, 8221 Deutschfeistritz. Tel. 0664/411 36 68. Info: www.prenningergespraeche.at. Eröffnung: Samstag, 10. Juli 2010, 17:00 Uhr, geöffnet bis 30. Dezember 2010.
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