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Grazer Spielstätten: Die Jugend rückt in den Mittelpunkt
Montag, 19. Juli 2010
Christoph Thoma kann auch das zweite Jahr seiner Tätigkeit als Intendant der Bühnen Graz positiv bilanzieren. Und er hofft, dass die Politik einsieht, dass Einsparungen an der Kultur – vor allem an deren partizipativen Ausformungen – gesellschaftlich schädlich sind. Die Wirtschaftskrise ist auch an den Spielstätten – Orpheum, Dom im Berg, Kasematten – nicht spurlos vorübergegangen, ein leichter Rückgang der BesucherInnenzahlen um ca. 4% auf noch immer hervorragende 173.000 im vierten Quartal der Spielzeit 2010 gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres wird zu verzeichnen sein. Im Orpheum allein sind die Besucherzahl allerdings deutlich gestiegen – um nahezu 10%. Und: Kulturinteressierte konnten unter 25% mehr Veranstaltungen wählen als im Vorjahr, darunter waren echte Publikumsmagneten. Das Karl-Markovics-Festival war ebenso ausverkauft wie der Krimischwerpunkt Ende März – beides waren Eigenveranstaltungen der Spielstätten.

Schwerpunkte Kinder, Jugend und Kulturvermittlung.
Die genannten Zahlen allein sagen allerdings wenig über die Qualität und Wirksamkeit des Tuns der Spielstätten aus, das sich im „Spagat zwischen Dienstleistungszentrum für die lokale Kulturszene und innovativen Veranstaltungsformaten in Form von Eigenveranstaltungen“ (Thoma) realisiert. Ein starker Fokus wurde schon in der aktuellen Spielzeit auf Angebote für das junge Publikum gelegt:  – und dieser Schwerpunkt soll noch weiter ausgebaut werden: „Die Zahl der Kinder- und Jugendveranstaltungen soll verdoppelt bis verdreifacht werden“, setzt sich Thoma zum Ziel. Dafür hat man sich verschiedene Kooperationspartner ins Boot geholt: Das Mezzanintheater, das heuer eine Aufführungsreihe angeboten hat, wird in der nächsten Spielzeit deren zwei produzieren. Mit Jeunesse gibt es eine Kooperation mit dem Fokus auf Schulkonzerte – „von 1400 angebotenen Karten wurden bereits 1000 verkauft“, freut sich Thoma. Die Ticketpreise (4 Euro inkl. GVB-Ticket) wurden bewusst niedrig gehalten, um keine sozialen Barrieren zu errichten – „die Zahl der Schulen, die unsere Angebote in Anspruch nehmen, wächst permanent.“ Mit der Grazer Tanz-Initiative @tendance von Christina Medina wird ein Tanzschwerpunkt für junges Publikum ab 12 umgesetzt, das Gitarrenduo Klaus Wienerroither und Thomas Mauerhofer hat dazu 10 selbst verfasste Short Stories vertont. Zu diesem Projekt ist auch ein Vermittlungsangebot geplant. Mit dem Verein „rainbows“, der sich um Scheidungskinder kümmert, ist ebenfalls eine Kooperation geplant, die in ein Benefizkonzert münden soll.
Eine zentrale Komponente des Jugendschwerpunktes ist die Integration von Jugendlichen via Kultur, etwa durch Lesungen von AutorInnen mit migrantischem Hintergrund, die im ebenfalls neuen Kulturcafé stattfinden werden. Diese Reihe wird gemeinsam mit dem Afroasiatischen Institut und UniT konzipiert und soll 2012 in ein Literaturfestival münden.

Kooperationen über Graz hinaus.
Provinzielles Denken ist dem rührigen Intendanten fremd, auch internationale Kooperationen gehören nun für die Spielstätten zur Selbstverständlichkeit. Neu war Mitte Juni eine Kooperation mit dem Feldkirch Festival, das die Jazzwerkstatt Graz und Bern, russische Musiker und das Jazzorchester Vorarlberg zusammenführte. Intensiviert wird auch die Zusammenarbeit mit dem netzwerk junge ohren Berlin, dessen Fachbeirat Intendant Christoph Thoma angehört, und RESEO, einem Netzwerk für Musiktheater und Tanz, das international agiert. Weitere Kooperationen verbinden die  Spielstätten nun mit Salam.Orient, dem Internationalen Forum für Bildung, Kultur und Wissenschaft Mürzzuschlag von Harnoncourt-Preisträger Ernst Smole sowie dem Jungen Schauspielhaus Zürich, dem schäxpir Festival Linz, dem Dschungel Wien und dem proSkript Verlag.

Jazzclub im Orpheum wird ständige Einrichtung.
Die Jazzplattform – die Kooperation mit der Jazzwerkstatt Graz, die nun schon das zweite Jahr ihre einwöchige Jahreskonzertreihe im Orpheum abhält, mit der Reihe Fat Tuesday und Gerhard Kosels Austrian Soundcheck – soll erweitert werden, es wird Impro-Tanz-Veranstaltungen mit Jazz geben und Primetime Jazz, eine Konzertreihe der Kunst-Uni, wird ebenfalls in den kleinen Saal des Orpheums wandern. „Damit wird es einmal in der Woche einen Jazzclub im Orpheum geben“, freut sich Thoma.
Kritiken, er habe das Orpheum seinem früheren Schwerpunkt als „Rockhouse“ entfremdet, lässt Thoma übrigens nicht gelten: „Die Zahl der einschlägigen Veranstaltungen aus dem Rock- und Metal-Bereich ist in absoluten Zahlen nicht gesunken – nur prozentuell, weil ja die Zahl der Veranstaltungen insgesamt zugenommen hat.“ Dennoch sei klar, dass Kooperationen immer zu hinterfragen seien, inwieweit sie zum Profil des Hauses passen und ob sie für beide Seiten Sinn machen.

Sponsoren und die Hoffnung, dass sich die Politik besinnt.
50% des Gesamtbudgets von 2,1 Mio Euro müssen die Spielstätten selbst erwirtschaften, da sind Sponsoren natürlich immer willkommen. Neben dem Hauptsponsor Volksbank-Bruck unterstützt nun auch die Biermarke Zipfer die Aktivitäten der Spielstätten mit einem fünfstelligen Betrag.
Aber: Gelder privater Sponsoren können bestenfalls den Spielraum von Kulturinstitutionen erweitern. Ganz allgemein – und nicht nur auf „den eigenen Säckel“ der Spielstätten bezogen – besteht Thoma darauf, dass Kunst- und Kulturförderung eine essentielle Aufgabe der öffentlichen Hand ist – gerade auch in schwierigen Zeiten. Denn: „Kulturelle und kreative Partizipation – sei es aktiv im Tun oder passiv im emotionalen Erleben – bereichern das Individuum, stärken die soziale und emotionale Kompetenz und sind daher für eine funktionierende Gesellschaft unumgänglich.“
| cs
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