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Regenerierung durch Kunst – Whitney Biennial 2010
Sonntag, 16. Mai 2010
Kloos up von Luise Kloos In diesem Jahr findet im Whitney Museum in New York City zum 75. Mal eine Biennale bzw. Annuale statt, die einen umfassenden Überblick über das zeitgenössische Kunstschaffen in Amerika gibt.
Sie reflektiert die amerikanische Identität auf politischer, kultureller und sozialer Ebene. Während der vergangenen zwei Jahre vollzog sich in den Vereinigten Staaten eine enorme atmosphärische Veränderung. Mit der Wahl von Barack Obama sind Wolken aufgebrochen und ein Regen der Erneuerung ergoss sich über das ganze Land. Die traditionellen Formen des Protestes und des Widerstandes sind plötzlich nicht mehr in dieser Form notwendig wie noch die Jahre davor, als man fühlte, dass das Land die moralische Führung verlor.
Das Jahr 2010 markiert eine Zeit, da Kunst zu ihren eigentlichen ästhetischen Wurzeln zurückkehrt. Dies wird zur Zeit als sogenannte Selbstmodernität oder personaler Modernismus bezeichnet – der Bedarf an Wiederentdeckung der experimentellen Natur der künstlerischen Praxis im eigenen Selbst, um unsere Rolle in größeren sozialen und kulturellen Transformationen zu verstehen. Viele KünstlerInnen haben ihre Arbeiten dem personalen Modernismus verschrieben, indem sie Stile früherer Epochen rekonstruieren und in einen Dialog mit den Traditionen von Kunsthandwerk treten. Die gemalten Bilder zeigen selbstbewusst ihre Beziehung zur Geschichte und deren Verzerrung, während gleichzeitig persönliche Bilder und Erinnerungen integriert werden. Die Strategie ist sowohl kritisch gegenüber dem Modernismus als auch optimistisch gegenüber der Möglichkeit der Verjüngung des sozialen Potentials der Abstraktion. Die abstrakten Bilder werden sorgfältig einem Prozess des Zufalls, dem Gespür für Kurzlebigkeit und Eventualität unterzogen.
Regenerierung durch Kunst. Das ist für KünstlerInnen in den gesamten Vereinigten Staaten von Amerika ein aktueller Anspruch: Die Bedeutung des individuellen Ausdrucks, um den kollektiven Wandel zu vollziehen mit dem Gespür für die Gesellschaft und die soziale Verantwortung. Zahlreiche Arbeiten in der Biennale beschäftigen sich mit dem menschlichen Körper. Dieser dient als repräsentative Strategie, um im Sinne von Paul Tillichs Proklamation „jede Periode hat eine eigene Sicht des Menschen“ mit den Mitteln von Video, Zeichnung und Skulptur die aufkeimende Hoffnung in einer Welt von extremer Gewalt darzustellen.
Obamas Slogan „Yes we can“ ist zum „Yes I can“ geworden. Etliche Arbeiten beziehen sich auf den meditativen Geist als eine tiefe Notwendigkeit, die Realität zu verstehen und sich auf etwas zu konzentrieren, das größer als das Leben selbst ist.
Die KuratorInnen der Whitney Biennale haben für 2010 unzählige Studios und Ateliers besucht und haben sich oft danach gefragt: Warum macht dieser Mensch Kunst, wo es offensichtlich ist, dass kein Erfolg am Kunstmarkt garantiert ist. Warum gibt es so viele Menschen, die sich selbst als KünstlerInnen bezeichnen? Es kommt daher, dass Kunst einen Zustand des Geistes beschreibt, der eine Form von ekstatischem Widerstand ist, der den Menschen hilft, die Komplexität der Gesellschaft zu bearbeiten und die Härten des Lebens anzunehmen. Mit diesem Verständnis wurde für die Whitney Biennale 2010 der Titel: „Der Zaun und die Brücke – oder die Regeneration durch Kunst“ gewählt.

Die Whitney Biennale ist noch bis 30. Mai 2010 zu sehen. Link: www.whitney.org

Autorin: www.luisekloos.at
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