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Edles Handwerk und glänzende Augenlust
Sonntag, 16. Mai 2010
Einmal mehr nützt das Universalmuseum Joanneum seinen guten Draht zur Sammlung Thyssen Bornemisza und präsentiert in Schloss Eggenberg Kostbarkeiten der Goldschmiedekunst. Eine einzigartige Sammlung, wie sie einst in den Kunstkammern der Spätrenaissance und des Barock vereint gewesen sein könnte, ist nun zum ersten Mal in Österreich zu sehen und bezeugt die außerordentlichen handwerklichen Fähigkeiten der damaligen Elite unter den Zünften.

Die Conditio Humana und die Qualen des Wohlstands.
Freilich sind derlei Gegenstände zur Selbstdarstellung ihrer Besitzer geschaffen – Prestige war seit jeher eine Triebfeder menschlichen Handelns – aber es geht nicht zuletzt um den schöpferischen Menschen, um Zeugnisse einer vollendeten Handwerkskunst. So stellt der „Homo faber“ auch den Bezug zum aktuellen Schwerpunkt des Joanneums rund um die Bedingtheit des Menschen in der Welt her.
In den Goldschmiede-Zentren Nürnberg und Augsburg spielt in diesem Zusammenhang aber auch die Leistungsethik des Protestantismus eine einschneidende Rolle. Lebhaftes Beispiel ist der sogenannte „Imhoff-Pokal“ (1626), ein Hauptwerk der Nürnberger Goldschmiedekunst, der mit den einzelnen Stationen der Metallgewinnung und einem eingravierten Gedicht den Wohlstand als eine unmittelbare „Frucht“ der Mühe herleitet. Neben „labor“ – der harten Arbeit – ist es aber auch „diligentia“, die Sorgfalt, Präzision und der gewissenhafte Umgang mit den wertvollen Materialien, der die 33 ausgestellten Stücke auszeichnet.

Trinkspiele und Diplomatie.
Dass es sich insbesondere um Humpen und Pokale handelt, korrespondiert mit der Überlieferung zahlreicher Trinkrituale in der Tafelkultur des 17. Jahrhunderts, die sich auch in humoristischen Stücken, wie einem Ziegen-Pokal äußern. Aufgestellt am „Schaubuffet“ illustrierten diese Pokale den Rang ihres Besitzers oder wurden als Gastgeschenke zu direkten Investitionen in bedeutungsvolle Beziehungen.

Kunstkammer und Kapital.
Für die beliebten Kunst- und Wunderkammern wurde die Kunstfähigkeit der Goldschmiede mit den Ausgefallenheiten der Natur gepaart, die zum Beispiel Kokosnüsse durch ergänzende Silberarbeiten in Trinkbecher verwandelte. Nautilus- oder Turboschneckenpokale kombinieren feinsten Silberglanz mit schimmerndem Perlmutt und erfreuten sich ebensolcher Beliebtheit wie Tischgefäße aus geschliffenem Bergkristall.
Dass Kunst in Notzeiten auch als Kapitalanlage angesehen wurde, bekunden mehrere Münzhumpen. Und es war keine Seltenheit, dass kostbar gefertigte Stücke nicht nur sprichwörtlich „in die Münze“ gegeben wurden, erläutert Kurator Dr. Ulrich Becker.
Für einen funkelnden Abschluss ist dennoch gesorgt: in Form einer Augsburger Toilettengarnitur, die – ausgestattet  mit 66 Teilen ein „Höchstmaß an technischer Raffinesse“ bietet. Als feines morgendliches Universum einer Dame von Welt um 1750 zeigt dieses erlesene Stück das Niveau des Augsburger Kunstverständnisses im Rokoko.

„Glanzstücke – Meistwerke der Goldschmiedekunst aus der Sammlung Thyssen Bornemisza“ sind bis 31. Oktober in Schloss Eggenberg zu bewundern.

|Eva Pichler
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