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Buchrezensionen
Mittwoch, 10. März 2010

Sach- und Fachbücher

Menschen und ihre Beruf(e)ungen  

Heinz A. Pachernegg: Von Gürtlern und Kuglern. Menschen und ihre Berufe. Graz:  Leykam 2010, 143 S., Euro 24,90   


Von Gürtlern und Kuglern und vielen anderen traditionellen und innovativen Berufen handelt das kürzlich im Raiffeisenhof präsentierte Buch von Heinz A. Pachernegg. 50 mehr oder weniger außergewöhnliche Berufe und 50 Menschen, die diese Berufe ausüben, porträtiert Pachernegg in Bildern und Texten mit so großer Einfühlsamkeit und Aussagekraft, dass die Liebe und Berufung mit der die Berufe ausgeübt werden, spürbar werden. „Wenn Heinz Pachernegg zu seiner Kamera greift und auf den Auslöser drückt, dann lichtet er den Menschen nicht nur ab, er erfasst jene magischen Momente des Augenblicks, in denen der Porträtierte sich selbst vergisst und in seine erworbene und ihm bestimmt Welt versinkt“, schreibt Christian Marczik von Intro Graz Spection im Vorwort. Diese Worte verdeutlichen die Gabe und die Berufung Pacherneggs, Menschen zu begegnen und sie selbst sein (werden) zu lassen. Darüber hinaus ermöglicht der Autor und Fotograf Blicke in teils vergessene oder bis dato nicht bekannte (Berufs)Welten. Neben Gürtler, Kugler, Klöppelschmied, Bootsbauer … werden auch Industriekletterer, Mühlenwart, Astrophysiker … vorgestellt, und der Schneider Josef Bernschütz, der Biowinzer Dieter Dorner, die Theaterregisseurin Anna Badora, u.v.m. Dieses Buch zu betrachten und lesen ist ein Gewinn! \ dw


Der mit dem Wolf philosophiert

Mark Rowlands „Der Philosoph und der Wolf, Was ein wildes Tier uns lehrt“.
Rogner und Bernhard 2009, 285 S. , Euro 19, 90



Die narzisstische Kränkung der Menschheit begann mit der kopernikanischen Wende, setzte sich fort in Darwins Ursprung der Arten und fand ihr vorläufiges Ende mit Freuds Unbewusstem. Neuerdings gewinnt sie eine neue Dimension durch Intellektuelle, die Tiere zum Zentrum ihres Weltverständnisses und ihrer Moral machen – augenblicklich erregt John Grays „Von Menschen und anderen Tieren“ den Ärger der Humanisten. Aber schon
2002 fand das Buch von Roman Gaita „Der Hund des Philosophen“  große Beachtung, Donna Haraway schrieb 2003 in „The Companion Species Manifesto“ über „significant otherness“, 2004 setzte Elisabeth Costellom, die Heldin des gleichnamigen Buches von Nobelpreisträger Coetzee, das Schlachten von Tieren dem Holocaust gleich. Und nun besteht der Philosoph Mark Rowlands darauf, in „Der Wolf und der Philosoph“ mit „das Tier Mensch“ die „qualitative“ Überlegenheit des Menschen zu bezweifeln. Der junge Philosophieprofessor legt sich einen Wolf zu,  der 11 Jahre sein Leben und immer mehr sein Denken bestimmt. Sein Buch besteht aus mehreren Teilen, die alle interessant sind, auch wenn sie unterschiedlichen Bereichen zugehören. Da gibt es die herzerwärmenden Anekdoten über die Raufhändel eines 65 Kilo schweren Wolfs, dann über seinen Halter, einen Rugbyspieler und Amateurboxer, der Bodybuilding macht, damit er mit seinem Haustier fertig wird. Und schließlich, in Personalunion, zieht der Fachphilosoph auf hohem Niveau Wittgenstein, Nietzsche, Schopenhauer und die antiken Kollegen für seine Erkenntnisse zum Unterschied  zwischen Mensch und Hund bzw. Wolf heran. Er definiert Menschen (und Affen) als lügenhafte glücks- und sexsüchtige Tiere (und noch mehr). Das alles in einem mitreißenden, selbstironischen Tonfall, glaube ich dem Autor, der ein seinem Wolf Brenin vergleichbarer Macho sein muss. Dazu muss man sich nur sein Foto mit der schrägen Sonnenbrille und den grellgelben Haaren anschauen. Aber die Behauptung Rowlands, während des Schreibens täglich zwei Flaschen Jack Daniels geleert zu haben, glaube ich nicht. Dafür ist „Der Philosoph und der Wolf“ einfach zu gut geschrieben. Äußerst vergnüglich und anregend, nicht nur für Hundehalter. \ wh


Sieben Krisen

Winfried Wolf: Sieben Krisen – ein Crash. Wien: Promedia 2009, 256 S., Euro 17,90


Wie kaum ein anderer Autor verfolgt Winfried Wolf das Thema einer möglichen Weltwirtschaftskrise seit zwei Jahrzehnten. Sein Ansatz, die aktuelle Krise zu erklären, ist breit angelegt; damit unterscheidet er sich von den bisher vorgetragenen wesentlich. Winfried Wolf ortet sieben Krisen, die sich zu einer großen historischen Krise bündeln und in einen kapitalen Crash münden.
Im Zentrum stehen für Wolf die Krise der materiellen Produktion (1) und die Krise in den zwei Schlüsselindustrien, der Automobil-  und der IT-Branche (2). Die soziale Krise (3) mit der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung beschleunigte schließlich die Finanzkrise (4), die mit der De-facto-Pleite des gesamten weltweiten Finanzsektors eine neue Dimension in der Geschichte des Kapitalismus darstellt. Die „Hegemonie-Krise“ – oder auch Dollar-Krise (5) – erinnert an vorausgegangene historische Krisen, die beispielsweise zur Ablösung der niederländischen Hegemonie im kapitalistischen Weltsystem Mitte des 18. Jahrhunderts bzw. der britischen zu Anfang des 20. Jahrhunderts führten. Die Globalisierung trug des Weiteren maßgeblich dazu bei, dass wir zugleich ein immer weiteres Auseinanderklaffen zwischen der nördlichen und der südlichen Erdhälfte beobachten, die durch eine Hungerkrise (6) manifest wird. Schließlich die Umwelt- und Klimakrise (7): Die Endlichkeit der stofflichen Grundlagen der kapitalistischen Produktionsweise ist erstmals in der Geschichte menschlicher Produktion ein maßgeblicher Krisenfaktor.
Für Winfried Wolf gibt es nur eine überzeugende Antwort auf die neue Dimension der Krise des Kapitalismus: die Durchsetzung einer Gesellschaftsordnung, in der der Mensch, die Umwelt und das Klima und nicht das Kapital, die Ausbeutung und der Profit im Mittelpunkt stehen. \ cs

KORSO verlost in Zusammenarbeit mit dem Promedia-Verlag 5 Exemplare des Buches beim Kulturquiz unter www.korso.at!


Einladung zum Querdenken

Hermann Schützenhöfer / Bernhard Rinner (Hg.): MODELL:ZUKUNFT:STEIERMARK. 133 Seiten. Literaturbeilage: Ich glaube nicht an die Sprache. Herta Müller im Gespräch mit Renata Schmidtkunz, Klagenfurt: Wieser 2009, 62 S.  


Modell:Zukunft:Steiermark wurde 2007 von LH Stv. Hermann Schützenhöfer ins Leben gerufen und hat sich im Laufe der Jahre in Graz und der Steiermark etabliert. Modell:Zukunft:Steiermark ist eine Plattform bzw. ein Forum für die Auseinandersetzung mit aktuellen bildungs-, sozial- und wirtschaftspolitischern Themen, sowie auch mit Themen, die außerhalb des Mainstreams stehen. Vor allem die DiensTalks, die regelmäßigen Denk- und Diskussionsrunden erfreuen sich nicht zuletzt aufgrund der Möglichkeit der aktiven Beteiligung des Publikums großen Zuspruchs und großer Beliebtheit. Alle im Jahr 2009 stattgefundenen DiensTalks sind in der Publikation in Wort und Bild dokumentiert. Ebenso die groß angelegten Diskussionsveranstaltungen „Vom Besserwissen und Bessermachen in Zeiten der Wirtschaftskrise“ sowie „There’s Probably no God?“, die mit einem Statements von Wirtschaftslandesrat Dr. Christian Buchmann und einem von VP-Landesgeschäftsführer Bernhard Rinner geführten Interview mit Weihbischof Dr. Franz Lackner inhaltlich bereichert wurden. Insgesamt: Ein spannender Dokumentationsband mit ausgezeichneten Fotos von Alfons Kowatsch, Clemens Nestroy und Christian Jungwirth. \ dw


Belletristik

Ernsthafte Texte

„schreibkraft“. Das Feuilletonmagazin. Heft 19, 84 S., Euro 6,00


Dem Ernst des Daseins ist die Herbst-Ausgabe 2009 des Feuilleton-Magazins „schreibkraft“ gewidmet. Angesichts der ernsten Probleme der Gegenwart konnten die AutorInnen ja aus dem Vollen schöpfen: z.B. Bernhard Horwatitsch, der einen Bogen von altmongolischen Methoden der Ablehnung von nicht edelmetallbasierten Zahlungsmitteln hin zu den Ackermanns der Gegenwart schlägt, die eben aus den Sphären virtueller Finanzmärkte in der Realität angekommen sind. Oder Vasile V. Poenaru, der dem Verbleib der 100 Mrd. Euro nachgeht, die 2008 an der Wiener Börse „verpufft“ sind: Ein dunkelhäutiger Rumäne mit einem großen Sack sei in der Nähe der Milliarden gesichtet worden. Und dann gibt es da ja auch noch die Krise, die nicht in der Sphäre der Geld-, sondern in jener der Gefühls- und Sexualökonomie angesiedelt ist und die Harald A. Friedl in seiner „Fallstudie über ein Opfer der Rosamunde-Pilcherisierung“ anschaulich beschreibt. Im gleichen Feld forscht Katharina Bendixen, deren Permutation von Ratgeber-Feuilletons eines bekannten deutschen Frauenmagazins den Stumpfsinn derartiger Beiträge ans Tageslicht zerrt. Literarische Texte – u.a. von Cordula Simon, die KORSO in seiner Februarausgabe vorgestellt hat – ergänzen das aktuelle „schreibkraft“-Heft, amüsant jener von Felix Wallner, der dem Dogma, Sex müsse der Fortpflanzung dienen, eine neue Nuance verleiht.

\ cs

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