Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Sanfte Katholiken, aggressive Ungläubige
Mittwoch, 10. März 2010
Wimmlers Demontagen von Karl Wimmler Heute möchte ich Gläubige und Ungläubige darauf aufmerksam machen, dass Ostern naht. Dies ist auch für Nichtchristen von Belang, weil heuer just am Palmsonntag (28. März) wieder einmal die beliebte Umstellung auf Sommerzeit erfolgt. Aber das ist eigentlich nicht ganz mein Thema. Auch nicht die deutschen Jesuiten und ihre „Zöglinge“. Ostern eher. Das war vor einem Jahr aus Gründen, die in den Mondphasen zu suchen sind, etwas später als heuer und wäre fast spurlos an mir vorübergegangen. Rechtzeitig hatte mich aber der steirische Künstler Richard Kriesche in Zusammenarbeit mit der „Kleinen Zeitung“ doch noch davon informiert, was Sache ist. Am Karfreitag wurde die Vorder- und Rückseite der „Kleinen Zeitung“ als Plakat gestaltet – in Form einer Traueranzeige, die bekannt gab, dass „Jesus Christus verstorben ist“ und „um 15 Uhr seiner gedacht“ werde. Zwei Tage später, am Ostersonntag, waren Vorder- und Rückseite dann ganz in grün gehalten mit dem einzigen Satz im Querformat: „JESUS CHRISTUS LEBT“.

„Aggressiv und missionarisch“. Um gleich Missverständnissen vorzubeugen, sei gesagt, dass mich das überhaupt nicht aufregt. Es ist alles andere als verwunderlich, dass eine Zeitung, die der Katholischen Medien Verein Privatstiftung, vormals Katholischer Pressverein, gehört, katholische Glaubenssätze verbreitet. Verwunderlich ist da schon eher, wofür sich ein seit Jahrzehnten kritisch sein wollender Künstler wie Kriesche hergibt. Und wie billig (ohne vom Honorar zu sprechen). Aber was soll’s. Man ist einiges gewohnt. – Ärgerlich, ja unerhört wird die Sache, wenn einige christliche Feiertage später (zu Allerheiligen) dasselbe Publikationsorgan durch seinen ehemaligen Chefredakteur Kurt Wimmer auf zwei Seiten gegen „militante Atheisten“ in die Schlacht zieht.  Da hatte sich der britische Biologe Richard Dawkins, weit entfernt davon, ein Massenmedium wie eine Tageszeitung sein eigen zu nennen, im vorigen Jahr bekanntlich erfrecht, in Großbritannien die Aufschrift „THERE’S PROBABLY NO GOD“ auf öffentlichen Bussen mitzufinanzieren. Mehr hat’s nicht gebraucht: Er beschädige seinen Ruf, giftete Wimmer, „um aggressiv und missionarisch gegen die Religion zum Kampf aufzurufen.“ Und natürlich bekommt auch „seine militante Streitschrift ‚Der Gotteswahn‘“ noch ihr Schmalz ab.

Probability vs. Certitude. Einmal abgesehen davon, dass man in Österreich für glaubenskritische Botschaften private Busse mieten muss, statt wie in Großbritannien (und auch im katholischen Spanien!) nur Werbeflächen auf öffentlichen Bussen, wohnt den Wimmer’schen Verbalinjurien doch eine eigene Komik inne: Ausgerechnet jene aggressiven und militanten Missionare, die sich durch staatlichen Vertrag im Gesetzesrang (Konkordat) neben vielem anderen haben zusichern lassen, dass der Staat ihre Religionslehrer(innen) und Theologen bezahlt, welche zugleich alle „der kirchlichen Oberbehörde unterstehen“, mokieren sich über, nein, mobilisieren da gegen ein paar versprengte religionskritische Tropfen auf den heißen Stein. Und werden besonders aggressiv, wenn jemand etwas als „probably“ hinstellt, wovon der katholische Fels immer schon das Gegenteil „certainly“ wusste. Und dann wird die Aggressivität missionarisch und denunziert die Initiativen der Glaubenskritiker als „vordergründige Debatte, hinter der eigentlich die Suche nach einem modernen Gottesbild für den suchenden modernen Menschen steht.“ Ist es doch bereits lang erprobte christliche Übung, ein gottloses Leben eigentlich als Suche nach dem – natürlich christlichen – Gott zu denunzieren. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Geschichtsfälschung. Am selben Tag wie Kurt Wimmer in der „Kleinen Zeitung“ predigte der katholische Erzbischof Kardinal Meissner im Kölner Dom. Zum selben Thema. Er warnte vor „ideologisierten Biophysikern, Hirnforschern und Evolutionisten“, die den Menschen weismachten, „dass es keinen Gott gibt und deswegen auch nicht Wahrheit oder Lüge, Gut oder Böse“. Und das „System des Nationalsozialismus und des Kommunismus im vergangenen Jahrhundert“ habe gezeigt, wohin das führe: „an den Rand des Abgrunds, in letzter Konsequenz zur Abschaffung des Menschen. Dafür stehen KZs und Gulags.“ Das Ende aller Menschenrechte. Und natürlich stellte er Abtreibungen und Judenvernichtung auf eine Stufe. – Kein Wunder, dass dagegen auch katholische Naturwissenschaftler Protest einlegten. Vor allem aber von Ungläubigen und Atheisten wurde dem Kardinal „Geschichtsfälschung“ nachgewiesen. Zumal ja die Idee der Menschenrechte maßgeblich von religionskritischen Personen vorangetrieben wurde, während katholische Päpste diese als „unerträgliche Anmaßung“ verworfen hatten. Und sich der Vatikan erst 1961 zu einer notdürftigen Anerkennung der Menschenrechte durchgerungen hat, während er sich heute als deren Vorreiter hinstellt. Und – lassen wir den üblichen katholischen Antikommunismus einmal dahingestellt – „Propaganda übelster Sorte“ seien, so eine weitere Reaktion auf Meissner, vor allem die Verweise auf den Nationalsozialismus. Unabhängig von dieser Debatte meinte der katholische Theologe Adolf Holl in einem kürzlich erschienenen ausführlichen Interview: „Was die amtliche katholische Theologie in Europa und Amerika betrifft, so steht meiner Meinung nach eine theologische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen im Dritten Reich noch aus.“ Schließlich war der Nationalsozialismus alles andere als atheistisch, im Gegenteil: Der Gottesglaube avancierte im NS-Regime sogar zur Staatsdoktrin. Der Präsident der kirchenkritischen deutschen Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, wies unter anderem auf Folgendes hin: „Kurz nach der Machtübernahme der NSDAP wurde der atheistische Freidenkerbund verboten und in dessen Büro die ‚Reichszentrale zur Bekämpfung des Gottlosentums‘ eingerichtet. Während Nazideutschland mit dem Vatikan das ‚Reichskonkordat‘ abschloss, waren Atheisten im NS-Regime unerwünscht, da ‚Gottlosigkeit‘ als Ausdruck des ‚zersetzenden jüdischen Geistes’ galt.“

Für die gängigen katholischen Argumentationsmuster ist das eine harte Nuss, die statt mit dem Knacken in der Regel mit Eiertänzen beantwortet wird. Deren missionarische Militanz und Aggressivität ist variabel. Möge jeder selbst über Nuancen urteilen. Und das zurückhaltende „PROBABLY“  der Bus fahrenden Ungläubigen.
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