Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Sehr geehrte Frau Innenministerin [Griaß di Mitzi!],
Mittwoch, 17. Februar 2010
Kommentar der Frauenbeauftragten ich habe bei einem Preisausschreiben eine Reise nach Österreich gewonnen, weil ich wusste, dass ca. 65 % der österreichischen Staatsfläche Alpen und ca. 47% Wald sind. Ich hoffe, dass es dort auch die eine oder andere Ansiedelung gibt. Zur Vorbereitung habe ich mich ein wenig umgehört und bin nun doch verunsichert, ob ich wirklich fahren soll. Denn: die österreichischen Männer sind schwarz-weiß und dick [Herr Karl], die österreichischen Frauen sind technicolor und haben Wespentaille [Sissi]. Die ÖsterreicherInnen essen am liebsten das Fleisch von Tieren, die sich zu Lebzeiten im Dreck suhlen [Schweinsbraten] und lieben süße Kugeln aus einer Folie, auf der ein Toter abgebildet ist [Morzartkugel]. Sie trinken geschrotetes Getreide, dem sie einzellige Pilze zusetzen [Bier]. Die ÖsterreicherInnen hören militärische Marschmusik [Radetzkymarsch] und tanzen zu Liedern mit Flussnamen [Donauwalzer]. Sie haben weiße Pferde [Lippizaner], die sie manchmal besuchen, wenn Männer mit großen Hüten sie reiten [Hofreitschule]. Im Winter bewegen sich die ÖsterreicherInnen mit zwei Brettern vorwärts [Skier], im Sommer mit Wägen, die von Pferden gezogen werden [Fiaker]. Die Frauen tragen Kleider mit Schürzen [Dirndl], die Männer tragen gegerbte Tierhaut [Lederhosen]. Frauen tragen Trachtenhauben, Männer Trachtenhüte. In Österreich ist das Klima rau, denn die Jacken [Janker] sind aus widerstandsfähigem Stoff [Loden] und wenn die ÖsterreicherInnen feiern, dann singen sie Lieder mit Wortsilben statt Texten [Jodler, Juchaza]. Sie verwenden ein religiöses Symbol als Schimpfwort [Kruxifix] und glauben an die Fortpflanzung ohne Geschlechtsverkehr [unbefleckte Empfängnis]. Die ÖsterreicherInnen haben in den Ansiedelungen schlechte Wohnverhältnisse, denn in der warmen Jahreszeit sitzen sie bis weit nach Einbruch der Dunkelheit auf der Straße um essen und trinken zu können [Schanigarten]. Das Hinterland Österreichs kann gefährlich sein, denn dort ziehen BewohnerInnen bewaffnet durch die Gegenden [Jagd]. Die ÖsterreicherInnen benutzen ein Denkvermögen, das sie von Gebäuden ableiten [Hausverstand] und die Politik kümmert sich besonders um jenen Teil der Bevölkerung, der keinen festen Wohnsitz hat, männlich und von geringer Körpergröße ist [kleiner Mann von der Straße]. Die Sprache ist Deutsch, aber ich bin mir nicht sicher. Ich habe wegen der Reiseroute nachgefragt, aber ich weiß nicht, ob man mich verstanden hat [„In langes wearn mår beim marent zammhockn und hoangartn“].
Sehr geehrte Frau Innenministerin, ich denke, dass ich nun ein umfassendes und genaues Bild von ganz Österreich und all seinen BewohnerInnen habe. Muss ich für meine Reise noch irgendetwas wissen? Ich bin mir sicher, dass Sie als Innenministerin über profunde Kenntnisse der Kultur, des Landes und seiner BewohnerInnen verfügen! Sie wissen bestimmt, wie oft man überkommene Vorstellungen von anderen hat! Da zu meinem Preis auch ein Empfang bei Ihnen zählt, würde ich mich freuen, wenn wir uns bei dieser Gelegenheit – von Expertin zu Expertin – austauschen könnten.
Küss’ die Hand, gnä´Frau und Pfiat’ di Gott!

Maggie Jansenberger, Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz

maggie.jansenberger@stadt.graz.at
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