Mit dem WeltenbürgerInnen-Prinzip konnte das Grazer Stadtmuseum in den vergangenen Jahren interessante Bio- grafien mit Grazer Wurzeln nachzeichnen. Ausstellung Nummer sechs und vorläufig letzte in der Reihe widmet sich nun in leisen Tönen einem Lebenswerk, das in weiter Ferne Ruhm und öffentliche Anerkennung fand. Und „Lebensbildern“, die man in der Heimat kaum kennt.
Othmar Pferschy, geboren 1898 in Graz und aufgewachsen in Fürstenfeld, zog die pure Abenteuerlust in Richtung Osten. Der gelernte Fotograf kam 1926 mit dem Orientexpress nach Istanbul – und blieb: 40 Jahre hat er in der Türkei gelebt und gearbeitet, anfänglich als Assistent beim berühmten Istanbuler Fotografen Jean Weinberg, später in seinem eigenen Studio. Als 1932 allen nicht-türkischen Fotografen Berufsverbot erteilt wird, ist er bereit, in Richtung Kairo weiter zu ziehen. Doch es sollte ganz anders kommen.
„Othmars“ Bilder für eine junge Republik. Es war die Zeit, in der die türkische Republik unter Kemal Atatürk begann, ihr neues Nationalkonzept über Kulturkampagnen im Volk zu verbreiten. Die Fotografie wurde als das ideale Medium aufgegriffen und mit „La Turquie Kemaliste“ ein vierteljährlich erscheinendes Medium geschaffen, das Bilder von Sehenswürdigkeiten, Landschaften und Alltagsszenarien verbreiten sollte. Und es war Othmar Pferschy, der zum offiziellen Fotografen dieser Zeitschrift und damit der kemalistischen Türkei ernannt wurde. Es war sein neutraler Blick, der die Bilderwelt der sich modernisierenden Türkei in den 30er Jahren prägen sollte. Ein Blick auf eine Zeit, die für das Land einen epochalen Schub in Richtung Westen bedeutete: hin zu einem westlichen Rechtssystem, zum Säkularismus, der Gleichstellung der Frau, der Verstaatlichung der Industrie und der Umstellung auf die lateinische Schrift. Mit „Die Türkei in Bildern“ wurde 1936 auch ein Katalog mit den Fotografien „Othmars“, wie er in der Türkei liebevoll genannt wurde, publiziert; auf Ausstellungen in Bukarest, Belgrad, Athen und Montreux präsentierte man sich mit Othmars Fotografien.
Berufsverbot und fotografisches Erbe. Während des Zweiten Weltkrieges wird Pferschy zur Wehrmacht einberufen und an der norwegischen Front stationiert und kann erst 1947 in seine zweite Heimat zurückkehren und die Arbeit fortsetzen – bis 1960, als ihm letzten Endes doch die Arbeitsgenehmigung verweigert und eine frühere Ausnahmeerlaubnis für nichtig erklärt wird. Nach dem Verbot, weiterhin kommerzielle Fotos machen zu dürfen, verlässt er 1969 die Türkei und stirbt 1984 in München, ohne noch einmal zurückkehren zu können. Geblieben ist der Türkei Pferschys fotografisches Erbe. Wenn auch das Archiv in Ortaköy zu einem großen Teil zerstört wurde, hat das Istanbul Museum of Modern Art im Jahr 2005 von Tochter Astrid Pferschy 1714 Negative und 1293 Vergrößerungen übernommen und aufgearbeitet. Motive, die einst in Millionenauflagen unters Volk gebracht wurden und als Postkarten, Briefmarken und in Zeitschriften die Verschmelzung von Tradition und Aufbruch einer Nation illustrierten. „Othmar“ war in der Türkei ein Begriff und für viele Fotografen stilbildend. Bis heute. Dass der Name Pferschy auch hierzulande zum Begriff wird, dafür sorgt bis 21. Februar 2010 eine spannende Werkschau des „Weltenbürgers“ im Stadtmuseum Graz. | Eva Pichler
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