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Die „Fledermaus“ im Art Déco-Käfig |
Freitag, 18. Dezember 2009 | |
Klassische Wiener Operette und britische Travestie geben sich in der neuen „Fledermaus“–Inszenierung der Grazer Oper ein heiteres Stelldichein, das allerdings nicht durchgängig zu überzeugen weiß. Der britische Regisseur Stephen Lawless setzte seine ursprünglich am Glyndebourne Festival (Sussex) gezeigte Fassung der „Fledermaus“ von Johann Strauß für die laufende Grazer Saison in Szene. Die neu bearbeitete Dialogfassung nach dem Englischen wirkt etwas steril und lässt zuweilen den Wiener Schmäh untergehen. Ebenso verleiht das hübsche Art Déco-Bühnenbild, das recht gut zum ersten und dritten Akt harmoniert, dem Ballsaal im zweiten Akt eine unterkühlte und beengte Atmosphäre. Das Orchester der Grazer Oper unter Marius Burkert lieferte eine solide Leistung, ließ aber an vielen Stellen die dem Stück angemessene operettenhafte Schmissigkeit vermissen und wirkte insgesamt etwas zu brav. Frivoles Doppelspiel. Der turbulente Auftakt im Hause Eisenstein folgt bewährter Dramaturgie, die dem komödienhaften Charakter der Operette gerecht wird. Vom Gesanglichen her können vor allem die Hauptdarsteller überzeugen: ein routinierter und unterhaltender Eisenstein (Herbert Lippert) und eine leidenschaftliche und warme Rosalinde (Arpiné Rahdjian) tragen souverän die Handlung. Vor allem im Uhren-Duett im zweiten Akt brillierten die beiden mit gesanglichem Können und schauspielerischem Elan. Das resche Stubenmädel Adele (Margareta Klobučar) und der verhinderte Liebhaber Alfred (Marlin Miller) sorgen für zahlreiche spaßige Einlagen, während Dr. Falke (Ivan Oreščanin) als der eigentliche „Strippenzieher“ der Intrige einen blassen Eindruck hinterlässt und auch der Gefängnisdirektor Frank (Wilfried Zelinka) in seiner beamteten Korrektheit etwas zu steif agiert. In den Nebenrollen bieten Lucia Kim als Ida und Manuel von Senden als Dr. Blind gewohnt gute Leistungen. Ein geradezu klassischer Gefängniswärter Frosch (Götz Zemann) schöpft das humoristische Potenzial seiner Rolle voll aus und hat die Lacher auf seiner Seite. Dekonstruktion der Dekadenz. Die schillernde Hosenrolle Prinz Orlofskys (Dshamilja Kaiser) wirkt stimmlich ausgewogen und betont in ihrem Auftreten die Travestie-Elemente der Handlung, auch wenn die nachmitternächtliche Balleinlage in Strapsen, blonder Perücke und Zylinder optisch ein wenig an die „Rocky Horror Picture Show“ angelehnt scheint. Und das mit voller Absicht, ist es doch die Intention der Inszenierung – so das Programmheft – mit der in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verlegten Handlung auf die „gebrochene Identität“ der österreichischen Seele aufmerksam zu machen, die in der einfachen Formel „Glücklich ist, wer vergisst“ ihren höchsten Ausdruck findet. Eine durchaus legitime Interpretation, die sich jedoch in dieser Inszenierung zu sehr in mannigfachen Anspielungen auf Freud, Schnitzler und Klimt verliert, – wenn diese auch liebevoll im Detail erarbeitet sind – um auf ein Unterhaltung erwartendes Operettenpublikum die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. |Josef Schiffer
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