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Alter Held, neue Heldin
Freitag, 18. Dezember 2009

Aufwärtshaken – Das Sportfeuilleton - von Gregor I. Stuhlpfarrer

Große Überraschungen, die hatte das Sportjahres 2009 leider nur partiell zu bieten. Denn einige Begebenheiten der jüngeren, heimischen Sport-Historie weckten viele eher alte Erinnerungen. Beispielsweise, dass der GAK, der älteste Fußballklub der Steiermark, schon wieder im Konkurs ist. (Die Zahl drei bekommt dabei eine völlig neue Bedeutung: Dreimal schlitterte der Traditionsverein innerhalb der letzten drei Jahre in die Insolvenz.)

Verwunderlich auch, wie man von Teilen der Grazer Stadtregierung darauf reagierte. Man könnte dem GAK doch das Trainingszentrum im Norden der Stadt abnehmen, meinte Sportstadtrat Detlef Eisel-Eiselsberg. Zur Erinnerung: Erst im vergangenen Jahr hatte die Stadt Graz als Unterstandsgeber einer Investorengruppe aus dem GAK-Umfeld weit greifende Rechte zur Nutzung des Geländes eingeräumt. Zudem verzichteten Stadt und Land damals auf einen ordentlichen Batzen Geld. Und jetzt, nach abermaligem Missmanagement, soll die öffentliche Hand dem GAK erneut die lebensrettende Infusion setzen? Angesichts allgemein um sich greifender Budgetkürzungen ein Szenario, dessen Sinnhaftigkeit sich nicht und nicht erschließen lässt.
Als erfrischend sind da schon eher andere Entwicklungen einzustufen. Etwa der Umstand, dass durch die heimische Sportlandschaft endlich wieder einmal ein Boxer tänzelt, dem ExpertInnen eine große Karriere prophezeien: Marcos Nader, 19-jähriger Faustfechter aus Wien, schnürt seine Boxhandschuhe seit diesem Jahr für den renommierten Berliner Boxstall Sauerland. Die „größte Box-Hoffnung des Landes“ hat im auslaufenden Sportjahr all seine Kämpfe im Mittelgewicht gewonnen. Ob Nader in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger, etwa jene von Hansi Orsolics oder die eines Joschi Weidinger treten kann, ist ungewiss – zu wünschen ist es ihm allemal.
Ausnehmend erfolgreich war das Sportjahr 2009 auch für die sympathischste Sportlerin des Landes, Mirna Jukić. Bei den Schwimmweltmeisterschaften in Rom sicherte sich die gebürtige Kroatin die Bronzemedaille über 200 Meter Brust. Für die Beliebtheit der 23-Jährigen sind aber nicht nur ihre sportlichen Leistungen ausschlaggebend. So stellte sie ihre Authentizität in Rom erneut unter Beweis und freute sich ebendort über Bronze, wie es andere nicht einmal tun, wenn sie Gold einheimsen.
Seine lange, fabelhaft anmutende Kariere hat in diesem Jahr ein anderer heimischer Ausnahmekönner beendet: Hermann Maier, der Salzburger Maurer mit dem Hang für unglaubliche Geschichten, nämlich solche, die selbst das Leben eher selten schreibt, hat im Oktober bekanntgegeben, keine Skirennen mehr fahren zu wollen. Zuvor hing des Salzburgers Laufbahn zweimal am berühmten seidenen Faden: 1998 segelte Maier bei den Olympischen Spielen in Nagano mit 120 Sachen und einem Luftstand von fünf Metern rund 30 Meter durch die Luft. Hernach landete er unsanft. Nur wenige Tage später wurde er als zweifacher Olympiasieger in seiner Heimat empfangen. Damals packte der Boulevard zum ersten Mal Attribute wie „unzerstörbar“ oder „unsterblich“ aus, um der Beschreibung des etwas grobschlächtigen Sportlers gerecht zu werden. Auch nach dem „Horrorsturz“ verlief Maiers Kariere turbulent und erinnerte frappant an eine Sinus-Kurve. Im Jahr 2001 landete er im heimatlichen Salzburg gemeinsam mit seinem Motorrad im Straßengraben. Ebenfalls unsanft, was um ein Haar zur Amputation seines rechten Beins geführt hätte. Doch Maier hatte Glück, verlor „nur“ das Gefühl zwischen Zehe und Knie und gewann im Jänner 2003 auf der „Streif“ in Kitzbühl. Er brauchte also nur anderthalb Jahre, um wieder mit 130 Sachen in die Kurven der Skihänge dieses Planeten zu rauschen. Kurz vor diesem Unfall 2001 soll Hermann Maier seine absolute Hoch-Zeit erlebt haben. In dieser Phase soll ihm als einziger Konkurrent nur noch er selbst übrig geblieben sein. Der einstige Sport-Ressortleiter im Standard Johann Skozek erinnerte sich unlängst im Falter: „Er, der den Topos Skirennfahren längst hinter sich gelassen hatte und in einem anderen Märchen lebte, hatte sich von den Kollegen abgekoppelt. Abfahrtsski benutzte er ,praktisch ohne Taillierung’, mit denen kein anderer wirklich fahren konnte. Er muss so schnell gewesen sein, dass die Skifirma Atomic Angst bekommen haben soll. Nicht etwa um ihn, das traute sich seit Nagano sowieso keiner mehr. Wahrscheinlich kämpften die Ingenieure und die Funktionäre der FIS mit dem Grauen, das ein Maier verbreiten würde, der auf Eisentraversen den Sport der herkömmlichen Skifahrer und damit den Kauf von Skiern ad absurdum führen würde. Die Skifirma nahm ihm die Latten weg.“


Gregor Immanuel Stuhlpfarrer ist Historiker, Theologe und KORSO-Redakteur.
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