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Lächeln bis zum Umfallen |
Freitag, 18. Dezember 2009 | |
Kommentar der Frauenbeauftragten - von Maggie Jansenberger Es duftet nach Keksen, Glühwein und Bratäpfeln, Weihnachtslieder stimmen besinnlich und zaubern uns ein Lächeln auf die Lippen. Menschen tummeln sich in den feierlich beleuchteten Straßen, auf der Suche nach dem passenden Geschenk für ihre Liebsten. Geschäfte sind geschmückt mit pausbäckigen Engerln und Tannenbäumen. Ein wenig hektisch manchmal, zugegeben, aber das wird letztendlich doch wieder gerne gemacht, wenn es mit strahlenden Kinderaugen und beglückten Umarmungen gedankt wird. VerkäuferInnen lächeln uns an und beraten gerne – auch wenn die Beine vom stundenlangen Stehen und zigfachen Rennen schmerzen. Lächeln! Auch wenn die Finger kaum mehr spürbar sind, vom Rein ins Kühlhaus und Raus aus dem Kühlhaus. Lächeln! Auch wenn das Kreuz schon steif ist vom ewigen Packeln im Lager. Lächeln! Auch wenn die Augen schmerzen, weil den ganzen Tag nur in Kunstlicht geblickt wird. Lächeln! Denn die Ware muss raus. Raus! Aus dem eigenen Alltag und rein in die Welt, in der wir endlich selber mal KönigIn sind. Wo einmal nicht ans eigene Kreuz gedacht werden muss, endlich mal der eigene Frust rausgelassen werden kann. Lächeln! Dieses Service bezahlen wir schließlich mit, mit unserem sauer verdienten Geld, für das wir selber das ganze Jahr den Buckel krumm machen, den Mund halten und lächeln. Lächeln! Am besten souverän. Überstunden? Kein Problem. Arbeit mit nach Hause nehmen? Kein Problem. Am Wochenende, bis in die Nacht auf Abruf arbeiten, alleine den Job für zwei zum Preis von einem/einer machen – alles kein Problem. Und dabei: Lächeln! Und vor allem den Schein des Normalzustandes statt des Ausnahmezustandes wahren. Das passt dann auch besser ins Bild der kaufkraftgestärkten, flexiblen BürgerInnen, einer – frei nach Erich Fromm – nekrophilen Gesellschaft, die ihre Dinge, Produkte und Waren mehr liebt als ihre Menschen.Abgehobenes Geplänkel. Man kann wohl verlangen, dass all die VerkäuferInnen, KellnerInnen, FriseurInnen, SchalterbeamtInnen lächeln, schließlich müssen wir alle dankbar sein, in Zeiten wie diesen einen Job, McJobs oder irgendein prekäres Arbeitsverhältnis zu haben. Wir müssen da einfach einen positiven Zugang finden, uns selbst motivieren und ein bisschen mehr Leistungsbereitschaft an den Tag legen. Und Verzicht üben. Aber nicht inflationär, sondern wohl überlegt, wem oder was gegenüber. Im Angebot sind erkämpfte oder ausgehandelte Rechte, Garantien und Standards, soziale Verpflichtungen, wohlfahrtsstaatliche Leistungen, Solidarprinzipien. Zum Mitschreiben: Ich hackle das ganze Jahr unter miesen Arbeitsbedingungen für Geld, das grad zum Leben reicht, fabriziere dabei Dinge, die niemand wirklich braucht, die aber dank Werbung (auf Pump) gekauft werden und ermögliche damit Wenigen ein Leben, das ich mir dann in Zeitschriften oder Seitenblicken neidvoll anschaue, trau mich mittlerweile aber nicht mehr mit irgendjemandem darüber zu reden oder bin dafür zu müde – und bin hierfür dann noch dankbar und lächle. Hören wir auf zu lächeln während unseres sozialen Seiltanzes des Überlebens. Knacken wir den gesellschaftlichen Konsens über die Unvermeidbarkeit von sozialer Ungleichheit, Spaltung und Verunsicherung. Nehmen wir eine Umverteilung und Neubewertung von bezahlter und unbezahlter Arbeit vor. Egal ob mit Putzlappen oder Laptop – schmieden wir neue Allianzen unter den „Eigenverantwortlichen“. Weg mit der Dankbarkeit, her mit der Würde. Maggie Jansenberger, Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz maggie.jansenberger@stadt.graz.at
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