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Warhol mit den Augen der anderen
Freitag, 16. Oktober 2009
Es sind die Wegbereiter und die Nachfolger, die Anknüpfenden aber auch die Kontrapunkte. Über ihre Werke und Bezüge kann man im Kunsthaus Graz nun einen Blick auf Andy Warhol werfen und eine fulminante Ausstellung erleben. "Wir zeigen einen Andy Warhol, der seine Finger enorm am Puls der Zeit gehabt hat und der hier die ganzen politischen Widersprüche dieser Zeit offen legt,“ so Peter Pakesch, Leiter des Kunsthauses und Kurator von „Painting Real“ und „Screening Real“, zwei Ausstellungen zum malerischen und filmischen Werk Warhols. „Die überragende Bedeutung ist nicht nur einem oberflächlichen Medienbild geschuldet, sondern auch einer sehr substantiellen Komplexität des Werkes“, erläutert Pakesch, der am Beginn seiner Beschäftigung mit Warhol besonders von den Desasterbildern fasziniert war und diese nun erstmals nach Graz holen konnte.

Korrespondenzen und Gegenläufigkeiten – Abstrakter Expressionismus trifft Pop Art. Die Ausstellung untermauert den Ansatz, dass Andy Warhol aus den Errungenschaften des abstrakten Expressionismus gelernt hat. Besonders von Barnett Newman, der in den 50er Jahren ein völlig neues Bild- und Raumverständnis erstehen ließ und in einer Zeit der massigen Verfügbarkeit von Bildern den Blick auf das Reale durch „Entleerung“ des Bildraumes forcierte. Die Pop Art wurde meist als Reaktion auf diese Entwicklungen gesehen, aber wie die Ausstellung schlüssig zu beweisen vermag, sind Warhol und Newman nur scheinbare Antipoden, ja Warhols Werk wäre ohne die Anregungen eines Barnett Newman gar nicht möglich. So ist Warhols „Telephone (4)“ in Anlehnung an Newman neu zu lesen, die schwarzen Streifen referieren mit ihren Vorbildern. Im verdoppelten Elvis ist die Vertikale Newmans ebenfalls spürbar. Und sie wirkt weiter bis in die Gegenwart.
Zum dritten Maler im Bunde: Christopher Wool führt mit Bildern wie „Helter Helter“ die Sprachebene ins Bild ein – seine „Word Paintings“ gehen in der Mediatisierung des Bildes einen Schritt weiter. Beatles-Song und Manson-Manie schwingen hier im Subtext mit.

Neben den Referenzwerken Newmans und Wools sind zahlreiche Warhol-Berühmtheiten nach Graz angereist: „Double Elvis“, „Licorice Marilyn“, Jackies, Car Crashes, Blumenbilder, Selbstportraits und Electric Chairs – einmalig auch die Präsentation von vier der einst 13 „Most Wanted Men“, Portraits von Schwerverbrechern, die Warhol als Repräsentation Amerikas auf dem Weltausstellungsgebäude präsentierte.

Screening Real – Andy Warhol und der Film. Das Spiel mit den Medienbildern verbindet Warhol mit Bruce Connor. Der Kennedy-Mord, der auch bei Warhols „Jackie“ Portraits mitschwingt, ist auch Anlass zu Connors Film „Report“, der in der zweiten, der Filmebene der Ausstellung, gezeigt wird. Gemeinsam mit den Morden der Manson-Familie hat er die amerikanische Gesellschaft medial und politisch zu dieser Zeit entscheidend geprägt und ist neben dem Attentat auf Warhol selbst damit auch für die Ausstellung von wesentlicher Bedeutung.

Warhols Verhältnis zum Film ist ein intensives und vielfältiges, sein Oeuvre als Filmemacher in den 60er Jahren geht in ganz andere Dimensionen, als die Malerei. Es sind die Klassiker wie „Kiss“, „Eat“ und „Blow Job“, die keine herkömmliche dramatische Handlung aufweisen und den Effekt der Dehnung irritierend zelebrieren. Ein Highlight sicherlich die drei Rollen der „Screen Tests“, wo Dennis Hopper oder Susan Sonntag ihre vier Pflichtminuten vor der Kamera absolvieren.
„Kaum ein jüngeres Werk in der amerikanischen Videokunst ist vorstellbar ohne Warhol als Gegenüber“, meint Peter Pakesch, der als  dritte und aktuelle Position für den Filmteil Sharon Lockhart auswählte: Mit „Exit“ und „Double Tide“ formt sie die industrielle Wirklichkeit in einer Werft oder die fremdbestimmte Arbeit einer Muschelfischerin nach und übernimmt eine Gründlichkeit und Langsamkeit, die auch Warhols Filmen zugrunde liegt.
„In beiden Ebenen geht es um ein Repräsentieren der Wirklichkeit, um Umgang mit der Wirklichkeit, um verschiedene Konzepte von Wirklichkeit, die aber miteinander korrespondieren“, so Peter Pakesch. „Beim Film geht es stärker um Authentizität und Zeit, in der Malerei mehr um Raum und mediale Illusion.“
| Eva Pichler

Bis 10.01. im Kunsthaus
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