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„modell bauhaus“ – Schauhaus der Moderne
Donnerstag, 17. September 2009
Das Presse-Echo bisher ist riesig: „Motor der Moderne“ (Der Standard, Wien), „die ganze welt ein bauhaus“ (Die Zeit, Hamburg), „Mythos des 20. Jahrhunderts“ (Süddeutsche Zeitung, München), usw.
Seit 22. Juli 2009 wird in Berlin eine Ausstellung gezeigt, die dem vor 90 Jahren gegründeten BAUHAUS gewidmet ist, der von 1919 bis 1933 bestehenden Architektur- und Kunstschule, die als wichtigster kultureller Export „der Deutschen“ im 20. Jahrhundert gilt. Die umfangreiche Schau mit etwa tausend Objekten wird bis zum 4. Oktober im Martin-Gropius-Bau gezeigt. Für 600 der gezeigten Objekte zeichnet als Leihgeber das Bauhaus-Archiv Berlin/Museum für Gestaltung. Gleichzeitig ist das von Walter Gropius (Martin G. war sein Großonkel) entworfene, 1979 eröffnete Gebäude des Bauhaus-Archivs in Berlin als Bauwerk zu bestaunen; es beherbergt die 1960 von Hans Maria Wingler gegründete reichhaltige Sammlung und Forschungseinrichtung.
Dies ist eine Jahrhundert-Schau. In 18 Abschnitten von „Tradition und Utopie – Fabrik, Hochhaus, Kathedrale“ über „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ oder „Materialökonomie und Menschenbild“ bis zu „Bauhaus – Reflexion und Rezeption“ breitet sich eine Fülle von Materialien aus, dass der Besucher in einem üppigen Schauhaus der Moderne zu sein glaubt. Die exzellente Präsentation und Kommentierung der originalen Kunstwerke, Möbel, Architekturmodelle, Pläne, Metallarbeiten, Stoffe, Geschirre von Silber über Glas bis zu Keramik sowie der freien Arbeiten aus den sogenannten Grundkursen erweisen sich seit der Eröffnung als Publikumsmagnet.

„Die Deutschen“: warum oben in Anführungszeichen? Es gab am Bauhaus unter Lehrern und Studierenden viele Ausländer. Die Idee zur Reformschule stammte vom Berliner Architekten Walter Gropius, der damals mit Alma Schindler Mahler (später Werfel) in Wien verheiratet war; sie vermittelte den Kontakt mit dem Schweizer Maler Johannes Itten, der in Wien eine Malschule leitete und 1919 nach Weimar mitging. (Alma selbst ging nicht mit.) Das Reformprogramm des Bauhauses basiert wesentlich auf den Konzepten dieser beiden Männer: „Kunst und Technik – eine neue Einheit“. Als Lehrer wirkten ferner Paul Klee aus München und Wassily Kandinsky aus Russland, große Künstler, wie auch Oskar Schlemmer oder der US-Amerikaner Lyonel Feininger, die Ungarn Marcel Breuer und Laszlo Moholy-Nagy oder der Oberösterreicher Herbert Bayer. Er war vom Studierenden zum Lehrenden aufgestiegen; von ihm, der die Typographie und Werbegraphik radikal modernisierte, wurde in diesem Sommer im Lentos-Museum in Linz eine Ausstellung gezeigt. Andere berühmte Namen sind Gerhard Marcks und Josef Albers, der mit seiner Frau Anni, einer Weberin, ins USA-Exil den Impuls zur gegenstandslosen Kunst brachte.
Zwar lehrten die Maler auch viel Theorie. Die Werkstätten aber, geleitet jeweils von einem Künstler und einem Handwerker, bildeten die praktische Basis für die Architektenausbildung: Metallwerkstatt, Tischlerei, Weberei, Töpferei, Wandmalerei, Bildhauerei, Kunstdruckerei, Werbegrafik, Bühnenwerkstatt und auch Fotografie – alles spiegelte sowohl den Industrialisierungsprozess des Handwerks, wie es ihn auch beförderte. Der „Freischwinger“, jener Stahlrohrsessel von Marcel Breuer, und die „Bauhaus-Lampe“ von Wilhelm Wagenfeld und Carl J. Jucker seien hier stellvertretend für andere Entwürfe genannt, deren Produktion bis heute andauert.
Es erstaunt, dass die Bauhaus-Produkte immer noch die konsequenteste Antwort darauf geben, wie Funktion und Form unserer Alltagsgegenstände, oder auch Luxusgegenstände, in materialgerechter Gestaltung auszuführen sind.
Die Studierenden kamen aus aller Herren Länder: Mit Itten ging eine Reihe Österreicher von Wien nach Weimar, aus Palästina kam der Kibbuznik Ludwig Kurzman nach Dessau, der aus dem k. u. k. Österreich stammte und sich später als erfolgreicher Architekt in Israel, Arieh Sharon nannte. Der einzige muslimische Absolvent war Selman Selmanagic aus Jugoslawien, nach 1945 einer der produktiven Bauhäusler in der DDR als Professor der Kunstschule in Berlin-Weissensee. Sie alle verbreiteten in Praxis und Lehre nach dem Zweiten Weltkrieg die Idee des Bauhauses in aller Welt. In Graz lehrte Hubert Hoffmann, Student in Dessau, lange Jahre an der Technischen Hochschule und ist einer Generation von Architekten unvergessen. Sein Lob des Bauhauses: Es war keine „Abrichtungsanstalt“, sondern ermöglichte es, aus der materiellen Produktion zu lernen für die Überprüfung der Theorie.
Veranstalter der Ausstellung sind das Bauhaus-Archiv Berlin/Museum für Gestaltung, die Stiftung Dessau Bauhaus und die Klassik Stiftung Weimar. Mit ihrer Kooperation wollen sie auch an die Vereinigung der beiden deutschen Staaten vor 20 Jahren erinnern. Die drei Städte verweisen auf Gründung des Bauhauses 1919 in Weimar, auf Vertreibung durch die Rechtsextremen 1925 aus Weimar, auf seine Aufnahme als Institution 1925 durch die Stadt Dessau und die Errichtung des inzwischen weltberühmten Bauhaus-Gebäudes im selben Jahr nach Gropius‘ Entwurf, aber auch auf die Schließung der Schule durch die Nationalsozialisten in Dessau 1932; die letzte Station war Berlin, wo das Bauhaus - als Privatschule - vom NS-Regime zur „Selbstauflösung“ im Juli 1933 gezwungen wurde.
Die drei Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe gingen ins Exil, wie viele andere der Lehrenden und Absolventen.

„Viel Feind, viel Ehr“ kann es jedoch nicht ausschließlich gewesen sein, warum diese Schule, die nur ebenso lange wie die Weimarer Republik bestand und insgesamt 1250 Studenten zählte, bis heute solche Resonanz findet. Es war vielmehr der exemplarische Charakter des Bauhauses, seine Idee. Annemarie Jaeggi, die Direktorin des Bauhaus-Archivs Berlin, präzisiert dies im Katalog: Modellhaft verstand sich die Schule „nicht nur hinsichtlich der Schaffung eines neuen Schultyps, sondern auch als Speerspitze einer zeitgemäßen Kunst und Architektur, als Laboratorium zur Entwicklung mustergültiger Typen für die Industrie und nicht zuletzt als eine gesellschaftsverändernde Kraft, die einen modernen Menschentyp und seine Umwelt formen wollte“.
Die Rede vom neuen Menschen gehörte nach dem als Katastrophe empfundenen Ersten Weltkrieg zum Repertoire auch anderer Avantgarden in Europa. Die Konsumwelt des 21. Jahrhunderts hat uns allerdings die Illusion genommen, dass der „guten Gestalt“ auch der gute Mensch folgen müsse.
\ H. W. Tax
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