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„Nichts ist mehr wie es war“ |
Donnerstag, 17. September 2009 | |
So prangt es blutrot von geronnener Farbe in der Apsis des Künstlerhauses. Darunter knien ehrerbietig kleine Terrakottafiguren, streng auf ihr Mantra hin ausgerichtet, als beteten sie zu einer Gottheit, die der roten Schrift innewohnt … real presence“ nennt sich eine Schau serbischer Gegenwartskunst, die von Werner Fenz gemeinsam mit Živko Grozdanić und Mirjana Peitler kuratiert wurde und die Milan Blanušas Bild einer in Lähmung ausharrenden Gesellschaft ins Zentrum rückt. Der alljährliche Blick über die Grenzen konfrontiert nach Slowenien und Italien nun mit Serbien – über das Künstlerische hin zu politischen und sozialen Problemen und ganz bewusst abseits des „Importschlagers Balkankunst“. In Zusammenarbeit mit dem Museum der zeitgenössischen Kunst der Vojvodina in Novi Sad konnten14 aktuelle Positionen aus Serbien ins Grazer Künstlerhaus gebracht werden. Reflexionen des Geschehenen, nachdem alles zur Ruhe gekommen ist, eine künstlerische Suche nach Fragen, denen sich die Gesellschaft nun stellen muss. Von religiösen Machtverhältnissen und Wintermänteln. So finden sich vier lebensgroße Patriarchen im Künstlerhaus an die Wand aufgepflanzt wieder – Živko Grozdanić Gera lässt sie in Reih und Glied und mit starrem Blick auf die 200.000 Linien erstarren, die der Belgrader Künstler Raša Todosijević 1977 in Anlehnung an Plinius d. Ä und seinen Vorschlag, jeden Tag eine Linie zu zeichnen, geschaffen hat. Grozdanić würdigt damit einen der wichtigsten serbischen Gegenwartskünstler und beschreibt gleichzeitig die umstrittene Vorherrschaft der orthodoxen Kirche in Serbien. Daneben nimmt ein Arrangement aus Mänteln den Hauptraum für sich ein: getragen, abgewetzt, verknittert und mit einem Gefühl von gestern zwischen den Schulterpolstern – ein „Showroom“, der verspricht nur nicht aufzufallen zwischen grauen Armeemodellen und leicht gemusterten Varianten. Nähert sich der Besucher werden klirrende Geräusche laut. Provozieren eine akustische Gänsehaut. Goran Despotovski wagt hier einen stofflichen Querschnitt durch die serbische Gesellschaft von jung bis alt, von privat bis öffentlich. Unmittelbar davor baut sich eine bleierne Angstspirale langsam von Bleistiftstrichen hin zu kleinen Bleigußteilchen auf. Selman Trtovac verwendet den serbischen Brauch des „Angstabgießens“, der unserem Bleigießen sehr ähnlich ist, und füllt auch einen roten Fes mit bedeutungsschweren Bleistücken. Eine unscheinbare Installation wagt dagegen Dragan Matić – mit „Rafting, Diving, Living“ zeigt er in drei gefundenen Fotoalben die unterschiedlichen Lebensbilder von Familien aus Novi Sad, die eine Verbindung zum deutschsprachigen Raum aufweisen. Im Grafikraum stellt Jelena Jureša mit der Videoarbeit „Wie fühlt sich das an für ein Mädchen“ vier Frauenbilder einander gegenüber, die von brutalen Verhalten der Männer gezeichnet wurden. Hund und Hase im Museum. Und schließlich hat beim Novi Sader Konzeptkünstler Nikola Džafo „Der Hase, der das Museum aufgefressen hat“, seinen Auftritt: In verschiedenen Inkarnationen sind Hasenobjekte zu sehen, beim Anblick von Überzügen von Krokoleder bis Menschenhaar in einer Inventarkartei und eines riesigen Albums gesammelter Hasenzeichnungen wird schmunzelnd bewusst, dass nicht nur Dürrer und Beuys das Hasenfußvorrecht im Ausstellungsraum gepachtet haben. Wer sich abschließend in den Keller des Künstlerhauses traut, den wird buchstäblich das Fürchten gelehrt, wenn einem im Video „Trening“ von Nenad Glišić ein zähnefletschender Kampfhund auf dem Laufband entgegenkommt, der seine täglichen Fitnessübungen in atemberaubend abartiger Zeitlupe vollführt – ins Gerät gespannt und den Futternapf als Anreizobjekt unerreichbar vor sich, angefeuert von seinem glatzköpfigen, tätowierten Besitzer. Und wie er so auf einen zuläuft, verlässt man fluchtartig das Künstlerhaus und ist froh, diesem Exemplar nur in Slowmotion begegnet zu sein. Sehr sehenswert. | Eva Pichler Bis 27. September im Künstlerhaus - am 18. September (19.00 Uhr) findet eine Diskussion („Im Gespräch“) als Rahmenprogramm zur Ausstellung statt.
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