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Herbst-Utopien für den Grazer Stadtraum
Donnerstag, 17. September 2009
Welchen Anspruch hat neue Kunst im öffentlichen Raum – gilt das Monument doch als überholt und wird die Utopie als Unmöglichkeit ins Abseits gedrängt.
Sabine Breitwieser, frühere Direktorin der Generali Foundation, kuratiert die diesjährige herbst-Ausstellung „Utopie und Monument I. Über die Gültigkeit von Kunst zwischen Privatisierung und Öffentlichkeit“. 14 KünstlerInnen, denen es nicht um eine bloße Verortung ihrer Arbeiten als Kunst im öffentlichen Raum  geht, nutzen den Grazer Stadtraum als Bezugsgeflecht. „Diese Ausstellung entsteht im Bestreben Kunst für den öffentlichen Raum zu realisieren. Wenn wir uns ein Monument in Erinnerung rufen, geschieht dies aus der Überlegung von Gemeinschaftlichkeit heraus, von kollektiver Manifestation und Erinnerung. Dabei haben die Anstrengungen für Monumente oft genau das aus den Augen verloren und sich in Konflikte zwischen Auftraggeber und idealisierten Vorstellungen einer ‚unabhängigen’ Kunst verstrickt. In den letzten Jahren haben sich KünstlerInnen selbst neue Aufgabenfelder gesucht und sich mit Projekten zum Beispiel an ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen gewendet, zur Zusammenarbeit eingeladen und versucht, mit ihrer Kunst tatsächlich gesellschaftlich etwas zu bewegen“, erläutert Breitwieser ihren Zugang. In diesem Zusammenhang taucht auch das Stichwort der (Wieder-) Aneignung des öffentlichen Raumes durch die Kunst auf: „Viele sind der Ansicht, der öffentliche Raum, also die Vorstellung eines von allen gemeinschaftlich definierten und genutzten Bereichs, sei uns in der heutigen Gesellschaft, die von Spektakelkultur, von Konsumwelten und von Überwachung dominiert wird, und letztlich von Ausgrenzung gezeichnet ist, abhanden gekommen. Dem halten andere wiederum entgegen, diese öffentliche Sphäre sei eben zu verhandeln, je nach den Bedürfnissen und Gegenheiten. Dabei sollte aber allen bewusst sein, dass die Spielregeln ausgegeben und die Rollen vorweg bereits verteilt wurden“, so Breitwieser.

Kunst zwischen öffentlichen und privaten Interessen. Der öffentliche Raum hat sich also grundlegend geändert, ist geprägt von Ökonomisierung und strebt nach flächendeckender Kontrolle. „Hier bedingt das eine das andere“, meint Breitwieser. „Die Forderung nach ungestörten Konsumsituationen führt zu einer Verdrängung derjenigen, die nicht konsumieren können/wollen.“ Da wäre zum Bespiel die Arbeit des Zagreber Künstlers David Maljkovic: Kroatien hat sich, wie die meisten ehemals sozialistischen Länder, einer neoliberalen Wirtschaft verschrieben. „Maljkovic nützt ein utopisch anmutendes Monument eines kroatischen Bildhauers in Petrova Gora als Plattform für die Vorstellung einer neuen, künftigen Utopie in Graz: eine Akademie der bildenden Kunst. Ohne dass es dem Künstler bewusst ist, stellt er sich dieses Monument dort vor, wo vor einigen Jahren noch die Errichtung des ,Trigon-Museum‘ geplant war.“
Das argentinische Künstlerpaar Dolores Zinny und Juan Maidagan hat dagegen die Frage der Rollenverteilung in der demokratischen Gesellschaft  aufgegriffen und wird einen Vorhang vor dem Portikus des Rathauses am Hauptplatz anbringen. „Diese aus Stoff mit zahlreichen Faltungen gefertigte Skulptur, eigentlich ist es ein gigantisches, abstraktes Bild, lässt in ihrem dramaturgischen Setting offen, wer welche Rolle einnimmt, ob das Rathaus oder die Stadt zur Bühne erklärt wurde oder gar zum Back-Stage Bereich. Der Hauptplatz als Schauplatz für Events unserer Konsum- und Eventgesellschaft wird plötzlich in seiner Mehrdeutigkeit dargestellt.“
Die fortschreitende Nutzung des öffentlichen Raums für ökonomische Interessen persifliert auch Andreas Siekmann mit „Trickle Down“ und seinem Globus aus verschrotteten Stadtmaskottchen – von den Kunstbudgets der Städte mitfinanziert. „Siekmann stellt eine ‚Pressung’ aus 13 solcher Figuren her, eine Skulptur aus einem Gemisch vom ‚Berliner Bären’ bis zum ‚Weißen Rössl’.“

„Die Öffentlichkeit“ als Publikum. Auf die Frage, was sich die Kuratorin vom Publikum erwartet, spielt Sabine Breitwieser auf die Geschichte des öffentlichen Raum in Graz an: „Die Grazer sind mit den Kunstausstellungen in dieser Stadt gleichsam aufgewachsen. Ähnlich wie in der Kunst und bei den KünstlerInnen kann ich auf einen gewissen ,Bildungsprozess‘ aufbauen, der natürlich auch von Konflikten gekennzeichnet ist … wir haben uns einiges an Einstiegsmöglichkeiten einfallen lassen, wie wir die GrazerInnen zu einer Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum einladen.“ Michael Zinganel entwirft mit „Die Stadt spricht“ einen diskursiven Ausstellungsführer und der Pavillon der Kooperative für Darstellungspolitik bietet Informationen zu allen Projekten in der Stadt.  Wir dürfen gespannt sein.
Die Eröffnung von „Utopie und Monument I“ findet  am 25. September um 18.00 am Ausstellungspavillon, Platz der Freiwilligen Schützen (Bad zur Sonne), statt.
 Eva Pichler
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