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Island: „Jetzt sind wir im Süden von hoch oben im Norden“ |
Montag, 13. Juli 2009 | |
Zwei bildende KünstlerInnen – Petra Schweifer und Stefan Glettler – schildern ihre Island-Eindrücke
Zur Orientierung: Island ist eine sagenumwobene, früher von Wikingern bewohnte, raue und doch weich begrünte Insel. Ein kitschiges Märchenland am 66. Breitengrad Nord. Island liegt auf der europäischen und der amerikanischen Kontinentalplatte, ist ein bisschen größer als Österreich und besteht aus Vulkanen, Lavawüsten, Sand, Wiesen und riesigen Gletschern. Geologisch ist sie eines der jüngsten und vulkanisch aktivsten Länder der Erde. Statistisch ist auf Island alle fünf Jahre mit einem Vulkanausbruch zu rechnen. Einen gewaltigen Einbruch brachte die Wirtschaftskrise mit sich. Nach dem Staatsbankrott schlittern viele Isländer an der finanziellen Klippe entlang. Ein Einheimischer erzählte uns, er habe vorher 30.000 Isländische Kronen Kreditrate bezahlt, jetzt muss er 130.000 Kronen zahlen, wobei sein Lohn dabei natürlich gesunken ist. Aber noch hat er ja Arbeit. Genau in dieser zischenden und dampfenden Teufelsküche mitten im Atlantik sind wir gerade auf unserer Studienreise unterwegs. Das Land Steiermark hat uns ein zweimonatiges Auslandsstipendium zur Verfügung gestellt. Wir arbeiten vor Ort. Keine Übersetzungen durch Fotos, keine Nacherzählungen durch andere Medien, keine Deutung und Interpretation, sondern stehen bleiben, wo wir gerade stehen und schauen, zeichnen, malen, schnitzen, bauen … Im Herbst wird es eine Ausstellung in Graz geben, wo wir die hier entstandenen Arbeiten zeigen werden. Gegend schauen. Mit dem Bus durch Island. Wir sind nicht die Einzigen, die so reisen. Hier gibt’s keine Eisenbahn. Die Ringstraße Nummer Eins, ideal an der Küste gelegen, ist die einzige Straße rund um die Insel. In der Mitte alles, was Island ausmacht: Gletscher, Eis, Vulkane, saftig grüne Wiesen, Schafe (zwei pro Einwohner), Islandpferde, Leute im Islandpullover und all das scharfkantige, sandig unpassierbare Hochland mit unberechenbaren Wetterverhältnissen. Jeden Tag stellen wir aufs Neue fest, wie faszinierend, unberechenbar und atemberaubend dieses Land ist. Beeindruckend ist vor allem, dass es, egal über oder hinter welches Hügelchen man blickt, jedes Mal komplett anders aussieht. Noch besser, noch faszinierender, eindeutig noch märchenhaft kitschiger. Unvorstellbar diese Gegend, ihre Differenzen und Endlosigkeit. Die Flüsse fließen trödelnd in Moospolster gebettet vor sich, kaum sind wir zehn Schritte weiter, ist da dieser riesige Abgrund und tausende Tonnen Wasser stürzen spektakulär in die Tiefe. Moos schimmert in unzähligen Grüntönen. Die Berge sehen aus wie vom LKW gestürzte Sandhäufen. Alles rieselt von oben runter. Schwefelgeruch liegt in der Luft. Lakritzeberge wie Lava, die Zuckerschaumtorten aufgespritzt wie Gletscher. Die Isländer haben eine rustikale Backtradition. Fast ganze Schokoladenrippen im noch warmen Küchlein sind keine Seltenheit. Wie auch der fünf Millimeter dicke Schokoladenüberzug bei „Schaumbechern“, die hier aber quadratisch wie Mannerschnitten sind, nur viel dicker und ohne Waffel. Schwedenbomben sind so groß wie Schaumrollen. Der erste Biss mit dem Ausruf „Oh Gott!“ ist nicht weit hergeholt. Immerhin heißen diese Süßigkeiten hier „Gott“, was „gut“ bedeutet. Es schmeckt wirklich gut. „Muu“ nennt eine isländische Firma ihre Milch, das ist auch gut gewählt, finden wir. Außerdem wartet jede nur erdenkliche Lakritzevariation auf den Lakritzefreund, es gibt Puffreisschokovariationen, frische dicke heiße Waffeln, warme Schokokuchen (unsere Sachertorte kann sich mit ihrer Glasur verstecken!), Torten, die nur aus Zuckerschaum bestehen, palatschinkenartigen Teigtaschen etc. etc. Zuckerschock!! Die Weihnachtsinsel. Eine groteske, aber liebevolle Eigenschaft der Isländer ist ihre Liebe zu Weihnachten. Besser gesagt zu Weihnachtsschmuck und den Weihnachtsmännern. Schon bei der Fahrt vom Flughafen in die Stadt wurden wir von einem festlich geschmückten Baum und leuchtenden Sternen in den Fenstern begrüßt. In Island sind über 200 verschiedene Weihnachtsmänner bekannt. Hauptsächlich werden aber nur 13 „gebraucht“. Ihre Namen: Schlafenschreck, Klammenkerl, Stöpsel, Kellenlecker, Töpfekratzer, Suppenschlürfer, Fenstergucker, Türenschnüffler, Fleischangler und der Kerzenschnorrer. Sie wohnen bei ihren Eltern in den Bergen bei den Trollen Gryla und Leppaludi. Vor Weihnachten kommen sie an bestimmten Tagen zu uns herab und kehren erst im Jänner wieder zu ihren Eltern zurück. Erzieherische Aufgaben übernehmen sie keine. Erst Coca Cola hat unseren „echten“ Weihnachtsmann nach Island gebracht und die Isländer mit Geschenken and the coke side of life „missioniert“. Seherinnen können das sagenhafte unsichtbare Volk (Elfen, Trolle, Riesen und Zwerge) lokalisieren. Deswegen wurden auf die Steine, die die Heimat der Elfen sind, für die fantasielosen Inselbesucher kleine bunte Häuschen draufgemalt. Direkt praktisch. Morgen geht die Reise weiter zu den Ostfjorden. Die kleine Insel namens „Papey“ wartet auf uns. Sie wird nur im Sommer von einer alten Frau mit ihren kleinen Schäfchen bewohnt. Ausstellung „einnieseln lassen“ von Petra Schweifer in der Akademie Graz, Schmiedgasse 40/I, 8010 Graz, noch bis zum 10. Juli, Mo-Do von 9-16.00 Uhr und Fr 9-12.00 Uhr. Informationen: 0316-8379-85; office@akademie-graz.at www.petraschweifer.com www.stefanglettler.at
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