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Das Schere-Stein-Papier-Prinzip |
Montag, 13. Juli 2009 | |
Was hebt die niedere Kunstform des Pop hinan zur als Hochkultur geltenden bildenden Kunst? Es ist die Person, der Künstler, um den sich eine Lebensgeschichte mit Bezugssystem anknüpfen kann. Popmusik und Kunstproduktion. Die Ausstellung Schere–Stein–Papier vereint Persönlichkeiten, die diese fremden Pole in ihrem Schaffen vereinigen. Künstler als Bandmitglieder, Labelbetreiber und Produzenten. Sie bevölkern das Kunsthaus, verstrickt in einer komplexen Gedankenstruktur des Kurators Diedrich Diedrichsen, selbst bekannter Kultur- und Popmusikkritiker. Die Frage, wie Kunst und KünstlerInnen Formen und Mythos des Pop für ihre Zwecke nutzen, steht dabei im Zentrum. Und vielleicht ist ein Sezieren von Popmusik für Künstler leichter, als es für Kritiker und Theoretiker je sein kann. Die „Ansprechpersonen“ tragen jetzt Gehörschutz. Und es ginge nicht um Pop, würde nicht alles tönen – jede Installation für sich produziert ihren eigenen Pegel, der sich im Inneren der Blase zu einem verwaschenen Ganzen vermischt – die Konzentration auf das Einzelne fällt da oft schwer. Karaokekabinette stehen neben kleinen, gepolsterten Proberaumelementen und großen Videoboxen. Da werden in italienischen 30.000-Seelen-Gemeinden Bands gecastet, die dann nur durch die örtlichen Pizzerias und Videotheken touren. „Lago Morto“ nennt sich die Noise Punk Band, die als „Popkunstprodukt“ von Nico Vascellari nur im Heimatort des Künstlers auftritt. Oder wie bei Cory Arcangel gängige popkulturelle Prinzipien, wie das Sampling untersucht. Privatmusikvideos von Youtube wurden vom Künstler so komponiert, dass sich aus den einzelnen Fragmenten eine Schönberg-Komposition ergibt. Zynisches Moment – die Interpretation am Klavier übernehmen unterschiedlichste Hauskatzen aus dem www, die bei ihren Klavierstunden gefilmt und anschließend gepostet wurden. „Katzenmusik“ ist angeblich ein häufiges Youtube-Motiv. Fliegenpilz und Ritterburg. Mike Kelley annektiert Space 01 und sorgt für Ausweispflicht. Seine gefesselten Hupfburgen lärmen mit frivol verbundenen Augen vor sich hin und lassen sich von vorne wie von hinten mit Pornos bestrahlen. Der Eintritt in die knautschfarbenen Paradiese der Sexualskurrilitäten bleibt den Besuchern aber verwehrt. Wenigstens darf man die Kinder nicht mitnehmen – sie würden jetzt sicher quengeln. Auch malerische Arbeiten von Albert Oehlen, Lucy McKenzie und Katrin Plavcak finden sich auf dieser Ebene wieder. Und Klara Lidéns emphatischer Tanz durch einen U-Bahnwagen (Paralyzed) versucht hier die Nutzung von Freiräumen auszuloten. Dass eine weltweit verbreitete Knobelmethode als verspielter Titel für die Schau dient, bezieht sich laut Diedrich Diedrichsen auf symbolische Werte: Schere steht für die Montage, Papier für die fetischhafte Wichtigkeit des Gedruckten, des Covers in der Popmusik und der Stein gibt die Schwere und physische Dichte der Musik an. Ein Stein, der, einmal ins Rollen gebracht, sich seinen Weg sucht. Eine Pop-Stein-Lawine also. Bis zum 30.08. im Kunsthaus. | Eva Pichler
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