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Echte Österreicher
Montag, 13. Juli 2009

Aufwärtshaken – Das Sportfeuilleton - von Gregor Immanuel Stuhlpfarrer

Der Abend am 6. Juni vorm hauseigenen Fernsehkastl förderte ungewohnte Gefühlsregungen zu Tage. Im positiven Sinne. Da spielte Österreich gegen Serbien; ja, im Fußball, die Nationalmannschaft nämlich, rund ein Jahr nach der EURO im eigenen Land, von der neben einem zurückgetretenen Vizebürgermeister in Innsbruck und leeren Fanzonen sportlich gesehen lediglich das Elfer-Tor Ivo Vastic in Erinnerung geblieben ist. (Jener Vastic, der im August mit knapp 40 Jahren seine Karriere im Team beenden wird.)

Und jedenfalls, diese Mannschaft vom 6. Juni ließ das Blut im Leibe begnadeter Fachleute vor Freude anständig wallen, wie dies sonst nur die unverantwortliche Konsumation von Rotwein es vermag. Weil, warum: All jene, die bislang – mit gutem Grund – meinten, dass eine JUNGE österreichische Nationalmannschaft nicht gleichzeitig GUT kicken kann und diesen Eindruck mit den Misserfolgen der letzten, gefühlten 150 Jahre, in Zusammenhang brachten, wurden von der Rasselbande des Neo-Coachs Didi Constantini eines Besseren belehrt. Diese Mannschaft verlieh dem Prädikat „jung“ innerhalb des heimischen Fußball-Jargons nämlich eine völlig neue Konnotation und das, obwohl die heimische Fußballöffentlichkeit für das Attribut „jung“ bis vor kurzem in erster Linie Folgendes parat hatte: überbezahlt, verzogen, eitel und in den wichtigen Momenten nervös, ergo ineffizient. (Ausnahmen bestätigen die Regel, lebende, mitunter siechende Beispiele für den oben beschriebenen Phänotyp gibt’s zum Saufüttern.) Jakob Jantscher, Aleksandar Dragović, Yasin Pehlivan dagegen kickten am 6. Juni auch angesichts der wenigen Lenze, die sie am Buckel über das Feld spazieren trugen, abgebrüht, quasi so wie richtige Erwachsene. Und das obwohl Pehlivan am 5. Jänner 1989, Jantscher drei Tage später und Dragović gar erst am 6. März 1991 auf die Welt gekommen sind, demnach eigentlich nix überstürzt werden muss. Den Dreien war das an diesen Abend allerdings wurscht, Jantschers Philosophie ist schnell erklärt: „Ich bin ein junger Spieler, habe nichts zu verlieren.“ Punctum.
Ferner fällt Folgendes auf: Endlich, ja endlich beginnt der österreichische Fußballbund zu begreifen, dass Ballesterer mit Migrationshintergrund die heimische Kickerei bereichern. Und endlich scheint sich auch hierzulande die Angst zu verflüchtigen, wonach junge Männer, deren Eltern nicht in Österreich geboren wurden, trotzdem die Nationalhymne trällern dürfen, ohne das dabei die Etikette „österreichisch“ etwas abkriegt. Noch 1998 titelte die Kronenzeitung nach Vastics Gänsehauttreffer bei der WM in Frankreich gegen Chile: „Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher“, gut elf Jahre später kräht kein Hahn mehr, wenn neben Dragović und Pehlivan noch Ümit Korkmaz, Ramazan Özcan, Ronald Gercaliu, Gyorgy Garics, Rubin Okotie oder Marko Arnautović das rot-weiß-rote Trikot überstreifen. Dass die genannten Herrn ihrer Oma nicht in Gramatneusiedl, Eisenkappl oder Arnfels, sondern in Trabzon, Ruma oder Szekesvehervar zum Geburtstag ein Busserl auf die Wange drücken, scheint die meisten nicht mehr weiter zu irritieren. Zumindest peitscht eben diesen jungen Mannen der medial abgefeuerte, national-patriotische Gegenwind nicht dermaßen ungut ins Gesicht, wie noch vor einem Jahrzehnt. Dass sämtliche heimische AnhängerInnen die Zusammensetzung der Nationalmannschaft mit der Realität Österreichs als Einwanderungsland in Verbindung bringen würden, wäre aber dann doch zu viel verlangt. Noch.
Derweil sollte die gesamte Aufmerksamkeit den jungen Wilden im Nationalteam gelten, die sich eine, im Fußball existenziell wichtige, Fähigkeit noch aneignen müssen: das Siegen. In Belgrad reichte es nämlich wieder nicht für einen vollen Erfolg, die bunte Truppe verlor mit 0:1. Und wenngleich die Herzen vieler gewonnen werden konnten, so reicht das bekanntlich à la longue nicht. Zumindest solange, bis FIFA und UEFA das In-Wallung-Bringen des Lebenssafts nicht als Kriterium für Sieg und Niederlage in Betracht ziehen.   

Gregor Immanuel Stuhlpfarrer ist Historiker, Theologe und KORSO-Redakteur.
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