Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Die Vorschubleister der Verhetzung
Montag, 13. Juli 2009

Wimmlers Demontagen - von Karl Wimmler

Da waren aber manche echt bestürzt, nach den Wahlen zum europäischen Parlament. Die Chauvinisten, Nationalisten, Rechtsradikalen und Neofaschisten haben nicht nur in Österreich Zuwachs bekommen. Obwohl die Bestürzten bis zuletzt auch hierzulande flehten „Stimmen Sie für Europa!“ (Kleine Zeitung, Wahltag, Seite 1).

Die „Woche“, Gratisableger der „Kleinen Zeitung“, machte zwei Wochen davor bereits mit der Titelseite: „Bestürzend! Steirer wollen nicht wählen!“ auf. Dabei hatte da der Dichter Franzobel im „Standard“ bereits alles Nötige über diesen Wahlkampf gesagt – indem er auf die Hilflosigkeit und Inhaltsleere der Kampagnen aller Parteien hinwies. Ausgenommen davon hat er „nur die FPÖ, die als einzige Partei Parolen plakatiert, die sich, so menschenverachtend und intolerant sie auch sein mögen, in den Hirnen der Menschen festbeißen wie Straches grinsfletschendes Gesicht.“ (Dass manche KPÖ-Parolen jenen der Strache-Partei frappant nahe kamen, sollte nicht nur die KPÖ nachdenklich machen. Dass sie nicht wirkten, scheint auch daran zu liegen, dass die Kommunisten kein Talent zur plumpen Hetze haben.) Während also, beispielsweise, die hoffnungslosen SPÖ-Werber an ihren einsamen Standeln EU-Kochbücher verteilten, fiel ihren Oberen samt schwarzer und grüner Kollegenschaft nur scheinheilige Empörung über die Finanzierung des FPÖ-Comics für Jugendliche ein, statt zu bemerken, dass dort wenigstens argumentiert wurde. Sogar das Asylrecht wurde in diesem Partei-Comic erklärt – und als „an sich gut“ bezeichnet, freilich nur, um die Strachepartei im Handumdrehen als Heldin seiner zukünftigen Abschaffung zu feiern.

Aber natürlich wird eine Wahl nicht allein durch einen Wahlkampf entschieden. In einer Gesellschaft, die nur noch über die Reize und Fallen des Marktes redet, dienen die Wahlen vor allem auch dazu, persönliche (Über-)Empflindlichkeiten gegen gewisse Ein- und Auswirkungen der Marktfreiheit zum Ausdruck zu bringen, verbunden mit allerlei Rettungs- und Gewinnhoffnungen. Und es ist eben eine Wahrheit, dass heute nicht nur die soziale Unsicherheit sprunghaft angestiegen ist, sondern auch die physische. „Es ist die Kleinkriminalität, die ängstigt, die große macht keine Angst“, schrieb die 85-jährige italienische kommunistische Dissidentin Rossana Rossanda (1969 aus der KPI ausgeschossen) bereits vor einem Jahr in der von ihr gegründeten Zeitung „Il manifesto“. Die Verhetzer brauchen daher nichts anderes zu machen, als den Egoismus der Wohlhabenden zu umschmeicheln (weniger Steuern, weniger sozialstaatliche Transferleistungen) und zugleich die Unsicherheit der Schlechtergestellten auf die Immigranten und „die Politiker“ inclusive „EU-Bürokratie“ zu schieben. Damit allerdings handeln sie nur auf der Basis des Wirkens ihrer Vorschubleister. Oder ist es keine Vorschubleistung der Verhetzung, wenn alles und jedes, was dem Wohl der Lohnabhängigen, Arbeitslosen und Kranken dienen würde, dem Subventionsverbot der EU unterliegt, just staatliche Investitionen in militärische Produkte aber nicht? Wenn Budgetexplosionen zur Bankenfinanzierung genauso normal sind wie die Kürzungsorgien der letzten Jahre im Sozial- und Gesundheitsbereich mit dem Argument des Budgetnotstands? Oder ist es keine Vorschubleistung der Verhetzung, wenn die staatstragenden europäischen Parteien nicht einmal mehr die alte Parole von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ in den Mund nehmen, von sozialer Gerechtigkeit zu schweigen – und stattdessen ihr politischer Sprachschatz über den Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ nicht mehr hinausgeht? Würde hierzulande irgendjemand Angst vor einem Beitritt eines x-beliebigen Landes zur EU haben, wenn dadurch die sozialen und gesellschaftlichen Sicherheiten, die in diesem Land noch vor, sagen wir, zwanzig Jahren existierten, aufrecht blieben? Deren Abbau nicht zufällig genau dann einsetzte, als der „Ostblock“ verschwand. – „Aber in Zeiten der Globalisierung sind solche Sicherheiten für die Massen illusorisch…..“ – Dann eben die Zustimmung dieser Massen auch!

Dabei will ich gar nicht bestreiten, dass die Grenzen zwischen den Vorschubleistern und den Verhetzern fließend sind. Das wusste schon der 1991 gestorbene Schweizer Schriftsteller Max Frisch: „Die Rechte denkt nicht; sie hat Interessen.“ Und dass man nicht denken soll, sondern glauben, dass die Lüge wahr ist, fand auch die Meinl-Bank. Die schaltete Ende Mai riesige Inserate mit der Schlagzeile: „Fakt ist: Die Werbung der MEL war nicht irreführend.“ Um dann ihre eigene seinerzeitige Werbeaussage fett gedruckt zu zitieren: „Der Vergleich macht Sie reich. Profitieren auch Sie von der erfolgreichen Immobilienaktie Meinl European Land.“ Mit dem ebenso fett gedruckten Vermerk: „Börsekurs: -88%“ – Sie meinen, das sei ein klares Beispiel dafür, wie sich einer selber der Lüge und des Betruges überführt? Weit gefehlt! Diese Meinl’sche Werbeaussage war deshalb „nicht irreführend“, weil diese Bank ebenso fett gedruckt nachweisen kann, dass – auch die Konkurrenz gelogen hat: „Wenn Sie Ihr Geld heute bei der CA Immo veranlagen…..vermehrt sich Ihr Geld von allein.“ – „Börsekurs: -84%“. Oder: „Richtig gut schlafen kann nur, wer sein Geld sicher und ertragreich investiert. So wie die Anleger der Sparkassen Immobilien AG…“ – „Börsekurs: -77%“ undsoweiter. Wie gesagt, alles in der Anzeige der Meinl-Bank. Danke für diesen Unterricht. Er hat dazu beigetragen, dass ich mir endlich einmal einen Witz gemerkt habe, den ein deutscher Kabarettist, dessen Name mir entfallen ist, erzählte; „Mein Freud hat sich Hühner gekauft. Dann kam die Flut. Da rief er mich an und sagte: Hätt’ ich mir Enten gekauft! – Das ist Börse.“

Karl Wimmler ist Historiker und Kolumnist des KORSO.
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