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Spannungsfeld Wasserkraft – Bilanzen und Bedenken
Montag, 13. Juli 2009
Angesichts der klimapolitischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte verstärkt sich allerorten das Bedürfnis, die verfügbaren erneuerbaren Energien in verstärktem Umfang auszubauen. Einen hohen Stellenwert nimmt dabei gerade in Österreich die Nutzung der Wasserkraft ein, die seit über einem Jahrhundert eine zentrale Rolle bei der Versorgung mit elektrischer Energie spielt.

Leider erweist sich das Saubermann-Image bei näherer Betrachtung nicht immer als so makellos, wie es sich die Energiekonzerne bei der Propagierung der „weißen Kohle“ gerne auf ihre Fahnen heften. Auf einer von den Grazer Grünen organisierten Tagung debattierten Natur- und Tierschützer sowie Energieexperten über die vielschichtigen Argumente für und gegen den weiteren Ausbau der heimischen Wasserkraft.

Mahnmal Hainburg. Im Vorfeld der Veranstaltung schilderte Freda Meissner-Blau ihre Erinnerungen an die erfolgreichen Proteste gegen die Zerstörung der Donauauen in Hainburg, die sich im Winter zum 25. Mal jährten und verlieh ihrer Enttäuschung über die gegenwärtige Situation auf dem Energiesektor Ausdruck. Die ehemalige Parteivorsitzende der Grünen wirft der E-Wirtschaft vor, aus den damaligen Ereignissen nur wenig gelernt zu haben und an „Primitiv-Technologien“ festzuhalten, anstatt in zukunftsträchtigere Energieformen zu investieren: „Auch die neue UVP-Novelle schreibt keine Kriterien für Energieeffizienz vor, obwohl es ganz klar ist, dass nur strengere Maßstäbe einen Impuls für innovative Projekte bedeuten würden.“ Auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien könnten außerdem dauerhaftere Arbeitsplätze geschaffen werden als durch den Bau von Staudämmen in den noch ungenutzten Fließstrecken der österreichischen Flüsse.

Naturräume contra saubere Energie. Die im Grazer Rathaus abgehaltene Tagung unter dem Titel „Wasserkraft, Naturschutz, Energieeffizienz“ sollte neue Perspektiven in die bislang weitgehend in Fachkreisen geführte Debatte um neue Kraftwerksprojekte einbringen. Bislang hat nach Ansicht der Grünen und der Umweltinteressensverbände keine wirkliche öffentliche Diskussion darüber stattgefunden, wo dabei die Grenzen liegen sollen und welche „Trade-offs“ für die Gesellschaft akzeptabel sind. Konkreter Anlass dieser Konferenz waren die beiden im Süden von Graz vom Verbund und der Energie Steiermark geplanten Wasserkraftwerke an der Mur.
Diese sollen in einem ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiet errichtet werden, dessen ausgeprägte ökologische Diversität nach Meinung von Umweltbiologen durch die damit verbundenen Eingriffe massiven Schaden nehmen würde. Diesen Vorwürfen hält DI Christian Mayer, Chef der Energie Steiermark, entgegen, dass die enorme Summe von 20 Mio. Euro aus der Gesamtbausumme von 155 Mio. Euro für Ausgleichsmaßnahmen aufgewendet würde, um die negativen Folgen für die Umwelt zu vermindern und mit den Kraftwerken bei Kalsdorf und Gössendorf „zwei ökologische Vorzeigeprojekte“ zu schaffen.


Begrenzte Potenziale. Klimaschutz und Energiesicherheit dienen in letzter Zeit immer häufiger als Argumente, um die Wasserkraft in Österreich verstärkt auszubauen. Der Hintergrund: Der inländische Energieverbrauch hat in den vergangenen 20 Jahren massiv zugenommen – parallel dazu ist trotz Neubauten von Kraftwerken der Anteil der Wasserkraft an der Stromerzeugung von über 70% auf 58% gefallen. Inzwischen ist Österreich vom Exporteur zum Nettoimporteur von elektrischer Energie geworden. Nach dem Masterplan Wasserkraft der E-Wirtschaft könnten die Kapazitäten noch um gut ein Drittel gesteigert werden. Als besonders ausbaufähige Regionen gelten nach diesen Plänen vor allem die Steiermark, Salzburg und Tirol. Die bestehenden Anlagen mit 38 TWh könnten durch die Investition von 8,5 Mrd Euro um nochmals 13 TWh (Terawattstunden) aufgestockt werden, schätzte man im Wirtschaftsministerium noch vor rund einem Jahr. Steigende Preise für fossile Energieträger ließ die wirtschaftliche Rentabilität für die Betreiber von Wasserkraftwerken zudem in einem positiveren Licht erscheinen – ein besonderes Zuckerl für die Staatskassen, da diese Projekte weitgehend ohne öffentliche Fördermittel finanziert würden. Derzeit geht man jedoch davon aus, dass nur knapp die Hälfte dieser ambitionierten Strategie auch konkret umgesetzt werden kann, da Genehmigungen für Projekte an sensiblen Standorten mit hohem Aufwand verbunden sind.

Konfliktfeld Natur–Mensch. Eine kritischen Bilanz der Auswirkungen auf die Ökosysteme im Fluss gab Dr. Steven Weiss vom Institut für Zoologie der Uni Graz: „Etliche Fischarten sind durch die Kraftwerke vom Aussterben bedroht, der Grundwasserhaushalt wird massiv beeinträchtigt und in den Staubereichen entsteht klimaschädliches Methangas.“ Für Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Streicher vom Institut für Wärmetechnik der TU Graz lautet das Schlüsselwort in der Energiefrage schlicht „Energieeffizienz statt Kraftwerksbau“. Streicher sieht enormes Einsparpotenzial im Produktionsbereich ebenso wie in privaten Haushalten, dessen Umsetzung vorrangig zu fördern sei: „In vielen Haushalten ließe sich ohne Komfortverlust rund ein Drittel der elektrischen Energie einsparen, die konsequente Förderung dieser Ziele würde die Errichtung von neuen Kraftwerken überflüssig machen.“ Sinnvolle alternative Ressourcen zu fossilen Energiequellen ortet Streicher vorrangig in Strom aus Photovoltaik- sowie Windkraftanlagen.

Beeinträchtigung der Flussqualität. Große Zweifel an der Erneuerbarkeit von Wasserkraft hegt Dr. Thomas Seiler von der Plattform Lebendige Flüsse: „Die Qualität der österreichischen Flussläufe hat sich durch den Ausbau von Stauanlagen massiv verschlechtert, nur 30% können die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen.“ Seine Kritik gilt vor allem den unzähligen Kleinkraftwerken, die nur etwa 7,2% des inländischen Stromverbrauchs abdecken, aber weite Strecken der kleineren Flussläufe irreversibel verändert hätten. So produzierten alle 1.000 steirischen Kleinanlagen zusammen soviel wie ein Donaukraftwerk. Die Errichtung bzw. Planung von dutzenden Kleinanlagen allein im Bezirk Liezen verfolgt er deshalb mit Besorgnis. „Das Spannungsfeld zwischen Wasserkraft-Nutzung und Naturschutz-Anliegen wird uns sicher weiter begleiten“, resümierte GRin Andrea Pavlovec-Meixner die lebhafte bis kontroverse Diskussion im Anschluss an die Tagung.

| Josef Schiffer

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