Der <rotor> wird zehn und hoffentlich noch lange nicht müde! Eine umfangreiche Jubiläumsausstellung vereint dazu wichtige Positionen aus dem vergangenen Jahrzehnt.
Margarethe Makovec und Anton Lederer haben gemeinsam mit der Kuratorin Lejla Hodžić KünstlerInnen und Kunstwerke ausgewählt, die in den <rotor> Projekten eine wesentliche Rolle gespielt haben. Da ist zum Beispiel Ivan Moudov mit dem Video „Traffic Control (Graz)“ vertreten. In drei Städten regelte der Künstler wild gestikulierend und als bulgarischer Polizist verkleidet den Verkehr, seine Uniform mit der kyrillischen Aufschrift „Policija“ verlieh ihm dazu zweifelhafte Macht. Die je nach kulturellem Kontext unterschiedlichen Reaktionen der Verkehrsteilnehmer hielt er auf Video fest, bis die (echte) Polizei in Graz nach 12 Minuten die unangemeldete Aktion beendete. Autoritätsgläubigkeit wird vom Künstler immer wieder humorvoll dokumentiert, das alltägliche urbane Umfeld in seinen absurden Situationen kommentiert. In einem ähnlichen Betätigungsfeld arbeitet das Department für öffentliche Erscheinungen, das zur Jubiläumsausstellung die „Mobilline“ beisteuert, eine beißend ironische Intervention zu den Auswüchsen der „Handykultur“. Im städtischen Raum soll zur Verbesserung der Sicherheit auf Gehwegen eine eigene Handytelefonierspur eingeführt werden, die die Intimsphäre der Telefonierenden und ihrer unsichtbaren Gesprächspartner wahrt. Auch Constantin Luser steuert die Dokumentation seiner monumentalen Lichtschreibmaschine im Telekomhochhaus aus dem 2003-Projekt bei.
Europa und die anderen. Kurt und Plasto haben auf Schildern ihre Meinung zur EU in „Greetings from Europe“ verlautbart – sie spiegelt die Probleme jener Länder, die zwar geografisch zu Europa, nicht aber zur Europäischen Union gehören. Isa Rosenberger war einen Monat in Sarajewo und hat mit ihrer Arbeit in der kriegsgebeutelten Stadt versucht, jene Orte, die für die Menschen dort wichtig sind, ins Bild zu bringen – entstanden sind acht „Guided Tours“, die die verschiedensten Plätze der Stadt mit persönlichen Geschichten portraitieren. Auch Martin Krenn kam über <rotor> zu einer Residency. In Tirana sucht er Plätze auf, die in einem alten Reiseführer abgebildet sind, und stellt ihnen aktuelle Fotos gegenüber. Šeilja Kamerić schenkt dem <rotor> ein besonderes Multiple: während ihrer Reisen hat sie die Heimatstadt Sarajewo sehr vermisst – um zumindest immer die richtige Richtung einschlagen zu können, erhält man im Package „homeSICK“ einen Kompass und einen Sticker mit einem Richtungspfeil. Wie immer bei <rotor> hat die Ausstellung viele Anknüpfungspunkte, in der Jubiläumsschau auch sentimentale – in einigen Fällen, wie bei Ivan Moudov, war die Arbeit in Graz nämlich der Starting Point seiner Künstlerkarriere. Das Soziale ist im <rotor>Netzwerk sehr wichtig – auch für die Künstler – in den meisten Fällen ergibt sich durch die Zusammenarbeit eine Verbundenheit, die über Jahre spürbar ist. Man verliert sich nicht aus dem Blickfeld, beobachtet die gegenseitige Entwicklung. Auch die lokale Szene wird in die Ausstellungsprojekte miteinbezogen und gestärkt, das gehört zur Programmatik bei <rotor>. Ebenso der Austausch der österreichischen Künstler, die über in Residency-Programme in den Osten geschickt werden – 2009 sind es Kiew und Chisinau, die KünstlerInnen aus Österreich aufnehmen und im Gegenzug KünstlerInnen nach Graz schicken können. Vernetzung, Transfer von KünstlerInnen und Positionen quer durch Europa sind wichtige Schlagworte für <rotor>. <rotor> geht raus, raus in die Gesellschaft. Auch der öffentliche Raum war in den letzten zehn Jahren immer wieder ein Thema. Um die Schwellenangst nehmen und Menschen mit Kunst zu konfrontieren, die nie einen Ausstellungsraum betreten. 2001 hieß es „Never Stop the Action“, 2003 „real*utopia“. Aktuell werden mit dem Projekt „FREIZEICHEN“ jugendliche Lebenswelten in steirischen Gemeinden in Zusammenarbeit mit Künstlern und Jugendzentren gemeinsam erforscht und künstlerische Äußerungen gesucht. Soziale, gesellschaftspolitisch wichtige Belange waren Ausgangspunkt für die Ausstellungsserie „Land of Human Rights“. „Wir sind wer wir sind“ gab den Ausgegrenzten in Europa, den Roma, eine Stimme, die in mehreren Städten Europas gezeigt wurde. Dass man, um Probleme und Interventionsfelder für die Kunst zu finden, nicht in die Ferne schweifen muss, zeigt das für die nächste Zukunft geplante Projekt: Das Annenviertel und seine BewohnerInnen sind Ziel der Beschäftigung. Es geht um „Die Kunst des urbanen Handelns“, um Chancen und Möglichkeiten des Künstlerischen im öffentlichen Raum. Nach Stationen in der Belgiergasse und in der Peinlichgasse ist der <rotor> seit 2007 nämlich in der Volksgartenstraße 6a beheimatet. Und welche Wünsche kann man einem Kunstverein zum Geburtstag auf den hoffentlich noch langen und fruchtbaren Weg mitgeben? Genügend Fördergelder, die Wertschätzung der Arbeit in der Gesellschaft, ihre Anerkennung in der Politik. Auf dass der Rotor niemals stillsteht. Alles Gute! Die Ausstellung „selected: 10 years of <rotor>“ ist bis Ende Juli und nach der Sommerpause von 1. bis 12. September zu sehen.
| Eva Pichler
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