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Zeitungen bestechen
Montag, 13. Juli 2009

Kopfzeile - von Martin Novak

Zwei Prozent* der Österreicherinnen und Österreicher sagen von sich selbst, sie hätten im letzten Jahr jemanden bestechen müssen. Das klingt nicht nach viel. Aber so wenig ist es auch nicht, wenn eine Zahl von Menschen, die der halben Einwohnerschaft von Graz entspricht, das von sich selbst behauptet.  Vor allem, weil ja Bestechen nicht so einfach ist. Es bedarf ja einer Sache, die so begehrenswert ist, dass sich Bestechung lohnt und auf regulärem Weg nicht oder nur zu sehr hohen Kosten zu bekommen ist. Ein Transplantationspatient, der das neue Organ noch zu Lebzeiten bekommen will, könnte vielleicht in Versuchung geraten, einen Bestechungsversuch zu riskieren.

Wenn mehr als ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher politische Parteien für hoch korrupt halten, gibt das zwar sicher die landläufige Meinung angemessen wieder, es ist aber kaum anzunehmen, dass mehr als drei Millionen Menschen in Österreich dabei auf die eigene Lebenserfahrung zurückgreifen können.  Das gilt noch viel mehr für die rund 2,3 Millionen, die Medien für extrem korrupt halten, und diesen damit ein schlechteres Zeugnis ausstellen als der Privatwirtschaft oder dem öffentlichen Dienst.
Warum sollten durchschnittliche Bürgerinnen und Bürger Medien bestechen wollen? Damit ihre Leserbriefe ungekürzt veröffentlicht  werden oder ihre Leserreporterfotos vom jüngsten Steinpilzfund? Das wäre vielleicht denkbar, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wüssten sie nicht einmal, wen konkret sie bestechen sollten. Viel dafür zu investieren lohnt sich ja auch nicht, da wäre ein Inserat billiger.
Nein, sehr viel wahrscheinlicher ist, dass jene, die die den Medien Bestechlichkeit unterstellen, ein romantisch-verklärtes „Reporter des Teufels“-Bild von verruchten, gewissenlosen Journalistinnen und Journalisten haben, wie es im „Bullen von Tölz“ und manchen „Tatort“-Folgen auch heute noch gerne gezeichnet wird.
Dass so viele so wenig von den Medien halten, ist schon schlimm genug. Noch weit bedenklich stimmt es, dass fast doppelt so viele Österreicherinnen und Österreicher Medien für außergewöhnlich korruptionsanfällig halten wie der Durchschnitt der EU-Bürgerinnen und -Bürger. Aber offenbar ist die geringe Wertschätzung für Journalistinnen und Journalisten eine Art Wohlstandserkrankung. Österreich spielt in einer Liga mit Dänemark, Finnland und Luxemburg – für noch schlimmer halten die Schweizerinnen und Schweizer ihre Medienleute. Die Bürgerinnen und Bürger der neuen EU-Länder schätzen ihre Medien weit mehr, ganz besonders gilt das für Bulgarien, wo nur ein (!) Prozent der Bevölkerung die Medien für besonders korruptionsanfällig hält. Das verkehrt reziproke Verhältnis zwischen dem Wohlstand eines Landes und der Wertschätzung für Medien ist kein europäisches Phänomen. Auch in Bananenrepubliken (wortwörtlich gemeint) ist das Image der Medien weit besser als etwa in Nordamerika. Und in keinem Land der Welt wird den Medien so wenig Korruptionsanfälligkeit zugetraut wie in Kambodscha. Kurz: Das Bild, das die Medien abgeben, leidet unter Wohlstandsverwahrlosung.
Dass Medien dagegen erkennbar nichts unternehmen und stattdessen ohne viel Evidenz lieber über die Korruptionsanfälligkeit anderer spekulieren, erstaunt. Vielleicht ist es aber auch die Erklärung für den geringen Respekt, der ihnen selbst entgegengebracht wird.

*Alle Angaben aus: Transparency International Global Corruption Barometer 2009

Martin Novak ist Journalist, Medienfachmann und Geschäftsführer der Agentur „Conclusio“ in Graz.
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