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Helden von Heute |
Mittwoch, 10. Juni 2009 | |
Aufwärtshaken – Das Sportfeuilleton - von Gregor I. Stuhlpfarrer Musikverliebte Nachtflieger waren im Mai in Graz ganz gut dran: Da fegte Soul Williams im Rahmen von absolutely free mit einem anständigen Karacho und politischem Anspruch durch die Postgarage, während die türkische Sängerin Aynur anlässlich der Neueröffnung der gedrehten Kasematten-Bühne droben, hoch über der Stadt, ihr Publikum verzauberte und Clara Luzia mit ihrer neuen Platte „The Ground Below“ im PPC zu Gast war. Ferner wurde dem Wonnemonat mit Hilfe des Spring-Festivals (springnine) das hedonistische Sahnehäubchen aufgesetzt, das die FreundInnen der elektronischen Musik auch entsprechend zufriedenstellen sollte. „Österreichs größtes Festival für elektronische Kunst und Musik“ gastierte zwischen 20. und 24. Mai also auf 14 Locations der steirischen Landeshauptstadt, ebendort traten mehr als 200 KünstlerInnen auf, darunter Elektro-Papst Laurent Garnier oder das Wiener Duo Tosca. Menschen, deren Wissen ein Fachurteil möglich macht, sind unisono vom Line-Up als solches überzeugt. Groß sei es allerdings schon geworden, das Festival, heißt es aus der gleichen Ecke. Jenen, denen mangels musikalischem Erfahrungsreichtums kein eindeutiges Fachurteil abverlangt werden sollte, (mir zum Beispiel), sticht neben dem Marketing-Ausverkauf des Festivals (da wurde die Postgarage flugs zur Red Bull Music Academy Radio Stage, das PPC musste im gleichen Zeitraum auf den Namen Heineken Music Club hören) vor allem eines auf: Mit den Preisen ist es am Springfestival, das von der öffentlicher Hand subventioniert wird und sich vor allem an jüngere Semester richtet, so eine Sache: Der Festivalpass verlangte einem/-r stolze 68 Euronen ab (mit den ÖBB kann man/frau für dieses Geld dreimal von Wien nach Prag fahren und im Speisewagen noch ein Würstel oder zwei Butterkipferl essen), für die Tageskarte wechselten 22 Euro den Besitzer (Graz – Wien inklusive zwei Fläschchen Pepsi-Cola und einer Packung Mannerschnitten zum Beispiel). Als Tüpfchen auf dem i, die Getränkepreise vor Ort: Bier (0,33l Heineken) um 3,80 Euro (24 Stunden Straßenbahnfahren in Graz, leider ohne Speisewagen), für die vielen Münzen für das Fläschchen Mineralwasser hätte ich Gerald Brettschuh auch vier stolze Briefe in die Südsteiermark schicken können. Überhaupt hatte man am springnine ein wenig das Gefühl, als hätte die große Marketing-Maschinerie das Festival endgültig selbst überrannt, als sei der Kreuzweg auf Kosten der rotzigen Subkultur endgültig zu Ende gegangen. (Kaum verwunderlich auch, dass in diesem Jahr zum ersten Mal eine Gegenveranstaltung zum springnine – nämlich das springbreak – aus der Taufe gehoben wurde. Motivation: Support für lokale Acts.) Ganz und gar nicht artifiziell anmutend und deshalb vom Schicksal aller Marketing-Blasen dieser Welt (nämlich dem Platzen) nicht betroffen, präsentierte sich Mitte Mai eine gänzlich unverwandte Veranstaltung in Graz, deren Erwähnung einzig deshalb Berechtigung hat, weil sie quasi die Antithese zum springnine darstellt: Am 15. Mai traten die Grazer Boxer des BU Heros in der Sporthalle in der Jakomini-Vorstadt gegen die Faustfechter des BK Maribor an. Und an diesem Abend war so ziemliches alles echt und fast gar nichts aufgesetzt: der Schweiß im Gesicht der adrenalingeladenen Tänzer im Ring, die Anweisungen via Trainerstuhl von Betreuer Gerhard Poms, die angstvollen Blicke der Angehörigen auf der Holztribüne und die Erleichterung der Boxer selbst, die in jenen Momenten im Gesicht eben dieser sichtbar wurde, in denen der Ringrichter den Arm als Synonym für den Triumph Richtung Hallen-Himmel stemmte, ließen Nackenhaare und Gänsehaut zugleich erwachen. Kurzum: Weniger ist oft mehr und selbst der potenteste Hauptsponsor kann den Verlust an Authentizität nicht ersetzen, vielmehr geht dabei meist etwas tschari. Im Fall von springnine der Charakter der Festivität. Beim BU Heros besteht diese Gefahr Gott sei Dank nicht. Dort liest Präsident Alfred Zach die Werbeeinschaltungen der Sponsoren in der Pause noch höchstpersönlich vom Zettel.Gregor Immanuel Stuhlpfarrer ist Historiker, Theologe und KORSO-Redakteur.
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