Strom aus Photovoltaik, bis vor kurzem noch ein Geheimtipp für Öko-Freaks, wird durch neue technologische Entwicklungen immer kostengünstiger. Schon 2020 soll er billiger zu haben sein als Strom aus fossilen Energieträgern.
Wer eine Solaranlage für Warmwasser und Heizung auf dem Dach hat, kann sich heute schon darüber freuen, dass „die Sonne keine Rechnung schickt“. Der einzige funktionsfähige Fusionsreaktor, die Sonne, liefert uns täglich 10.000 Mal mehr Energie als die Menschheit derzeit verbraucht. In Zukunft wird die Bedeutung der thermischen Nutzung der Solarenergie im Wortsinn durch die Erzeugung von elektrischem Strom in Photovoltaikanlagen in den Schatten gestellt werden.
Forschung für den Strom der Zukunft. Seit Jahren beschäftigen sich WissenschafterInnen damit, wie Strom aus Photovoltaik effizienter erzeugt werden kann. Die Kosten für Solarzellen, die zum Großteil aus Silizium gefertigt werden, verharrten jedoch lange Zeit auf hohem Niveau, während die energetische Ausbeute zu gering blieb. Technologische Durchbrüche der vergangenen Jahre haben inzwischen gemeinsam mit rationelleren Fertigungsmethoden den Boden für eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung bereitet. Noch im Laufe des kommenden Jahrzehnts soll der Solarstrom in Europa das Preisniveau konventionell erzeugten Stroms erreichen, meinen Experten. Dieser Zeitpunkt wird von der Fachwelt als „Grid-Parity“ bezeichnet (Netzgleichwertigkeit) und würde den endgültigen Durchbruch für die umweltfreundliche Solar-Technologie bedeuten. Die Zeichen der Zeit werden auch in der Europäischen Union erkannt: Sechs Millionen Euro stehen für ein mehrjähriges großes Forschungsprojekt der EU zur Verfügung, das den Namen „Next Generation Solar Cell and Module Laser Processing Systems“ („Solarzellen-Laserbearbeitungs-Systeme der nächsten Generation”, kurz SOLASYS) trägt. An dem Vorhaben sind Unternehmen und Institute aus ganz Europa beteiligt, im Wesentlichen Hersteller und Entwickler von Lasersystemen, mehrere Forschungsinstitute und Produzenten von Solarzellen und Solarmodulen.
Revolution der Energiesysteme. Dabei hat die Zukunft schon längst begonnen: die Wirkungsgrade der Komponenten von Photovoltaik-Anlagen werden laufend weiter verbessert und die Herstellungskosten sinken durch die Verwendung alternativer Materialien sowie der Großserienerzeugung kontinuierlich. Mittels Dünnschichtverfahren, die u.a. auch an der TU Graz erforscht werden, können die Rohstoffe wie Silizium und alternative Mineralien sehr viel sparsamer eingesetzt werden, betont der steirische Energieexperte Dr. Hubert Berger, Studiengangsleiter des Lehrgangs Elektronik und Technologiemanagement an der FH Joanneum in Kapfenberg. Die neuesten Dünnschicht-Solarzellen für PV-Anlagen weisen photoaktive Schichten mit einer Stärke von 100 µm (ein Zehntel Millimeter) auf und die wasserdichten Schutzverglasungen werden nun aus kostengünstigerem Walzglas hergestellt, ohne die durchschnittliche Lebensdauer von mindestens 30 Jahren im Geringsten zu beeinträchtigen. Für Solarkraftwerke, die in großem Stil Strom erzeugen können, setzt man auf die Konzentration der Sonneneinstrahlung mittels optimierter Parabolreflektoren, die eine 500–700fache Lichtkonzentration ermöglichen. Herkömmliche thermische Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, könnten angesichts dieser Entwicklungen in zehn Jahren bei den Kosten pro Kilowattstunde längst überflügelt und damit wirtschaftlich nicht mehr tragbar sein, prognostiziert Berger: „Spätestens ab 2020 wird Strom aus Sonnenenergie auch in unseren Breiten günstiger produzierbar sein als konventionelle Energie.“ Werden zurzeit weltweit jährlich PV-Anlagen für die Versorgung von etwa 1 Mio. Haushalte neu installiert, sollen dies nach konservativen Schätzungen in zehn Jahren mehr als 20 Mio. Haushalte sein. Spätestens dann könnten sich die von einflussreichen Energielobbys gegenwärtig noch massiv gepushten thermischen Gaskraftwerke als riesige Fehlinvestitionen und Milliardengräber erweisen.
Steirischer Photovoltaik-Tag. Das Thema Solarstrom und ihr wirtschaftlicher Nutzen standen im Mittelpunkt des 1. Steirischen Photovoltaik-Tages, der am 15. Mai in der Grazer Helmut-List-Halle veranstaltet wurde. Als Veranstalter signierten der Materialcluster Styria und die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) in Kooperation u.a. mit der Eco World Styria und der Montanuniversität Leoben. Mehr als 700 Teilnehmer, eine breite Palette von Ausstellern, die innovative Solartechnik-Produkte präsentierten, sowie Referate von Photovoltaik-Experten trugen zum großen Erfolg der Veranstaltung bei. Mit dieser Initiative wird nun hierzulande mit Verspätung die Bedeutung einer Technologie wahrgenommen, die über ein Jahrzehnt lang im Vergleich zu anderen Ländern Europas eine geradezu sträfliche Vernachlässigung erleben musste. Neben den technologischen Fortschritten braucht es gerade in Österreich ein radikales Umdenken bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen (Stichwort „Ökostromgesetz“), um die Solarstromerzeugung endlich aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken.
Neue Chancen für die Wirtschaft. Gerade in Zeiten von Energie- und Wirtschaftskrise setzt die forcierte Nutzung natürlicher Ressourcen zur sauberen Energieerzeugung nicht zuletzt wertvolle Impulse für Wirtschaft und Umwelt. Die daraus entstehenden Chancen betonte der steirische Wirtschaftslandesrat Dr. Christian Buchmann zur Eröffnung der Tagung: „Die Photovoltaik hat ein enormes Potenzial, damit können in der Steiermark eine hohe Wertschöpfung und zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen.“ Die strukturellen Voraussetzungen dafür stehen grundsätzlich nicht schlecht: In der Steiermark engagieren sich auffällig viele Unternehmen auf dem zukunftsträchtigen PV-Bereich und ernten mit ihren Produkten und Entwicklungen weltweit Anerkennung. Zu diesen Musterknaben der Solarbranche gehören neben den steirischen Anlagenbauern KW Solartechnik und Freiding Erneuerbare Energien die heimischen Firmen AT&S, Isovolta, SFL Technologies sowie aufstrebende Kleinunternehmen wie Eco-Lights oder Dienstleister wie die Gleisdorfer Feistritzwerke STEWEAG und ecowatt.
Mit der Kraft der Sonne. Der weltweite Klimawandel ruft nach einer möglichst raschen Umstellung der Energiesysteme, denn „dessen ökonomische Folgekosten werden uns ungleich teurer kommen als die großzügige finanzielle Förderung alternativer Energieformen – nur dies muss schnell geschehen“, betont etwa Hermann Scheer, Präsident der EUROSOLAR, der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien. Hubert Berger erläuterte in einem Vortrag auf der Photovoltaiktagung die enormen Potenziale in der ökologischen Nutzung der Sonnenkraft. „Die Photovoltaik ist in ihrer Effizienz allen anderen Energieformen gegenüber deutlich überlegen.“ Mittels eines plakativen Vergleichs zeigte Berger den Ertrag von PV-Anlagen auf: „Während ein Hektar Wald aus dem Zuwachs von Holz einen jährlichen Flächenertrag von etwa 10 Megawattstunden Primärenergie erbringt, sind es bei PV-Anlagen mindestens 600 Megawattstunden hochwertiger elektrischer Energie.“ Gerade für die alpinen Höhenlagen an den südlichen Alpenhängen Österreichs eröffnen sich laut Berger damit enorme Chancen zur Stromerzeugung. Ringen um bessere Rahmenbedingungen. Derzeit entstehen Solarkraftwerke aufgrund günstiger Förderungsbedingungen vor allem in Spanien, Deutschland und den neuen EU-Ländern Osteuropas. Starke Wachstumsmärkte werden in der näheren Zukunft vor allem die USA, China, aber auch Schwellenländer wie Brasilien oder China sein, betont Berger. Ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu mehr Solarstrom sind in Österreich die von Experten als „äußerst mangelhaft“ bezeichneten Einspeiseregelungen durch das bestehende Ökostromgesetz. Die Steiermark, einst stolze Vorreiterin bei der thermischen Nutzung der Sonnenkraft, erzeugt derzeit nur rund 0,3 Prozent ihres Strombedarfs aus Photovoltaik. „Das ist – etwa im Vergleich zu Bayern, wo es bereits deutlich mehr als ein Prozent ist – noch nicht viel“, muss Landesrat Buchmann einräumen und verspricht, sich für rasche Fortschritte bei der Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Photovoltaik einzusetzen. Der Einspeisetarif für PV-Anlagen ist nach dem vor zwei Jahren beschlossenen österreichischen Ökostromgesetz für netzgekoppelte Anlagen gedeckelt und behindert hierzulande massiv eine flächendeckende Einführung der Photovoltaik. Seit 2003 ist daher die Neuinstallation bei den PV-Anlagen von jährlich rund 6.500 kW auf weniger als 1.500 kW eingebrochen.
Entwicklung droht an Österreich vorbeizugehen. In den kommenden Wochen befindet die Europäische Kommission über eine wenig revolutionäre Neuauflage des österreichischen Ökostromgesetzes, das aufgrund kaum erhöhter Mittel und mangels langfristiger Perspektiven für Neuinstallationen keine echte Verbesserung verspricht. Derzeit sind die österreichischen Photovoltaikunternehmen zu fast 100% auf den Export angewiesen. Das Ökostromgesetz gibt damit zu wenige Anreize für potenzielle Investoren bzw. Unternehmen in Österreich, warnt auch Berger: „Österreich muss die Technologie deutlich stärker fördern, sonst verlieren wir den Anschluss an den internationalen Zug.“ Dabei würde eine großzügige Investition von Fördermitteln in die Solarstromerzeugung nicht nur positive Auswirkungen auf das Ökosystem zur Folge haben, sondern auch die beteiligten innovativen Wirtschaftsbranchen beleben, wie das Beispiel Deutschland zeigt: Den Subventionen von rund 2 Mrd. Euro (2008) in Einspeisung von PV-Strom stehen dort Exporterlöse von 3,2 Mrd. Euro gegenüber, wobei in den vergangenen Jahren in dieser Branche zugleich rund neue 48.000 Arbeitsplätze entstanden sind.
Sinnvolle Anwendungen schaffen Akzeptanz. Dabei stehen die Chancen für einen echten Bewusstseinswandel in der Bevölkerung gar nicht so schlecht, wenn man die Bereitschaft der Menschen zur Akzeptanz der Photovoltaik-Anwendungen als Maßstab heranzieht. Auf dem 1. steirischen Photovoltaik-Tag herrschte vor und in der Helmut-List-Halle dichtes Gedränge und reges Publikumsinteresse an den gezeigten Innovationen und Produkten. Die Besucher der Tagung nutzten die Gelegenheit, um Elektro-Motorräder zu testen und Solarzellen neuester Bauart zu begutachten, sich über die meteorologische Sonnenscheindauer-Messung schlau zu machen bzw. sich über finanzielle Unterstützungen für PV-Projekte zu informieren. Die zahlreichen Interessenten konnten sich vor Ort ein Bild davon machen, dass die heute auf den Markt drängenden Produkte nichts mit den schrägen „Öko-Spinnereien“ vergangener Tage mehr gemein haben, sondern sich durch erschwingliche Preise und hohen Gebrauchswert verbunden mit dem Bonus emissionsfreier Technologie auszeichnen. Hinsichtlich des Erreichens der Klimaschutzziele wird die Photovoltaik jedenfalls weiterhin eine Schlüsselrolle spielen, denn für die glaubwürdige Forcierung der vielbeschworenen Elektro-Mobilität der Zukunft wird die breite Verfügbarkeit von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen eine unumgängliche Voraussetzung darstellen. | Josef Schiffer
» 1 Kommentar
1Kommentar am Sonntag, 28. Juni 2009 00:38
Die Verbund AG will gemeinsam mit dem steirischen Energiekonzern SteweAG-Steg GmbH bei Gössendorf und Kalsdorf zwei neue Murkraftwerke mit einer durchschnittlichen Gesamtleistung von nicht einmal 20 Megawatt errichten. Für diese relativ geringe Leistung wird ein Landschaftsschutzgebiet geopfert, der (Er)lebensraum Fluss und Auwald unwiederbringlich zerstört. au.mur.at
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben. Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
|