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Sauschneidn: expressiv - depressiv |
Mittwoch, 13. Mai 2009 | |
Das nimmt doch Wunder. Wildwestfilme werden kaum gespielt, Bauernromane verstauben, Aktuelles ist urban oder zumindest exotisch geprägt. Aber wenn sich das Theater um Modernität und Progressivität bemüht, geht es immer noch ländlich-archaisch zu. Das gilt auch für „Sauschneidn“, einem bereits 2005 entstandenen Stück von Ewald Palmetshofer das spät aber doch im Theater am Lend uraufgeführt wurde. Mittlerweile hat der junge Dramatiker aus dem uniT-Schreibstall eine Senkrechkarriere gemacht: 07/08 Hausautor am Schauspielhaus Wien, Dramatikerpreis der deutschen Wirtschaft und 2008 von „Theater heute“ zum Nachwuchsautor des Jahresgewählt. Trotzdem hat Palmetshofer gemeinsam mit dem Regisseur Dieter Boyer, der auch Regie führte, sein frühes, mit dem Retzhofer Literaturpreis gewürdigtes Stück „Sauschneidn – Ein Mütterspiel“ textlich noch einmal erweitert. In Christian Elgners Bühnenbild, das expressionistische Filmarchitektur beschwört, aber Ländliches meint, quälen sich Schwiegermutter Rosi (Roswitha Soukup) und Schwiegertochter Hansi (Wiltrud Schreiner) mit einem gleichfalls expressionistisch verknappten Kunstdialekt durch ein geradezu expressionistisch düsteres Leben: Das Stück bezieht sich anscheinend auf zwei Frauen, die miteinander – vielleicht – eine lesbische Beziehung erleiden, die den abwesenden Sohn bzw. Gatten – vielleicht – hassen, und gelegentlich davon träumen ihn – vielleicht - zu kastrieren; deshalb auch der sprechende Titel. Eingeschoben in das ländliche Elend werden kommentierende Texte zum E-Piano gesungen, was nicht nur wegen des Schauplatzes an Skin&Soap erinnert. Dabei steht das Ausbrechen aus bekannten, banalen Zusammenhängen schon am Beginn, etwa wenn Rosi die Haare Hansis kämmt, beide aber weit voneinander entfernt sind. Indem Boyers in seiner Inszenierung das „Mögliche“ mit dem „Wirklichen“ in einem hohen Abstraktionsgrad mischt, verweigert er nicht nur lineares Erzählen, sondern überhaupt eine eindeutige Nachvollziehbarkeit. Zahme Jungregisseure. Die Damen spielen diese Unbestimmtheit von Dispositionen und Konflikten beeindruckend intensiv. Allerdings fürchtet man, gerade bei dem unsicheren Frühlingswetter um die Gesundheit von Wiltrud Schreiner, die als Alkoholikerin gelegentlich aus einem Kübel sauft, wobei ihre Haare klatschnass werden. Derart expressiv bedrängt, könnte man depressiv werden, wäre die Aufführung nicht so gut gemacht. Präsentiert wird eine Aufführung, die auch einer der ehrgeizigeren Inszenierungen auf der Probebühne Paroli bieten kann: Perfekte Bühne, tolle Musik, gute Kostüme (Andrea Fischer), tadelloses Timing…Was dabei auffällt, ist das Fehlen jugendlicher Risikofreude und ein beinah akademischer Duktus der Arbeit. Augenblicklich – Peter Stein, Berliner Theatertreffen - wird eine Diskussion darüber geführt, dass Tabubrüche kanonisiert und die jungen Regisseure „gezähmt“ sind. Es scheint, dass die Verschulung des Theater- und Dramatikerbetriebes, kanalisiert durch reichlich regionale und internationale Preise auf schmerzliche Weise trotz aller Intensität auch etwas beruhigend wirkt. \ Willi Hengstler
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