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Das gemeinsame Haus bauen |
Mittwoch, 11. März 2009 | |
Kreative Stadt Entwicklung (10) - von Harald Saiko Und wieder einmal ist die Annenstraße in aller Munde. Sie soll statt einem Glasscherbenviertel (?) eine Flaniermeile werden, schöne Fußgängerzone im großen Stil, auch gleich die Nahverkehrsdrehscheibe Hauptbahnhof samt Unterführungen, und spät aber noch ein ECE, der Versuch, den Shoppingcenters auf der grünen Wiese den Kampf anzusagen. Denn einer muss den großen Karren ja ziehen und ein anderes Projekt dafür als das ECE gibt es nicht, sagt der Bürgermeister und der muss es ja wissen. Ganz unrecht wird er nicht haben, auch wenn er damit die Bankrotterklärung abgibt, die zweitgrößte Stadt Österreichs könne ohne den Onkel Otto aus Deutschland selbst an ihrem Zustand nichts ändern. Siehe Thalia, den „1. Flakturm“ von Graz, eine beispiellose Bausünde. Was als Problem der Architektur erscheinen mag, ist durch diese nie zu retten gewesen. Eine aussichtslose Kombination von zweifelhaften Nutzungen am falschen Ort zur falschen Zeit, aber flugs im Hinterzimmer der Macht in eine wundersame Milchmädchenrechnung gegossen. Und wir reden nicht von privaten Projekten, deren Steuerung durch die Stadtpolitik wahrlich ein Meisterstück wäre. Nein, es geht um die ganz eigenen Leuchttürme der Stadt, wo alle Oberhoheit möglich wäre. So ist es in Graz auf dem Areal der Grazer Messe möglich, dass die einmalige Chance zur Schaffung eines blühenden urbanen Gebietes in einem Sumpf aus Partikularinteressen und Parteienpolemiken versinkt. Da helfen die immergleichen Bilder von Projekten der immergleichen (auch städtischen) Projektgesellschaften in den immergleichen bezahlten Pressebeilagen nichts, wenn diese Projekte allenthalben nach dem „Modell Thalia“ ausgeführt werden sollen. Da klingt es wie eine gefährliche Drohung, weitere Bereiche wie den Andreas-Hofer-Platz diesem Modell anzuvertrauen. Zuständig wären Politik und Verwaltung, die öffentlichen Interessen zu klären, vorzubereiten und für Investoren wirtschaftlich verträglich einzubringen: Öffentlicher urbaner Raum und Grünraum in zeitgemäßer Gestaltungsqualität etwa, Durchlässigkeit für Fuß- und Radwege oder eine urbane, qualitätvolle Architektur, damit die internationale Architekturreputation von Graz auch in Zukunft glaubhaft bleibt. Und ganz sicher wäre es die hehre Aufgabe von Politik und Verwaltung, diese Ziele vor Partikularinteressen zu schützen, auch wenn sie als BürgerInnenanliegen oder mit der Wirtschaftskeule daherkommen. Statt um die Sache an sich geht’s leider nur mehr um die Sache für sich. Wie soll auf diese Art eine Vorstellung von der Zukunft der Stadt formuliert, geschweige denn realisiert werden? In vielen kleinen Schritten, die oft zehn, zwanzig oder mehr Jahre benötigen, um sichtbar zu werden? Der zeitliche Rahmen einer Legislaturperiode verhindert das Arbeiten mit solchen Horizonten sowieso. Wo bleibt das Verständnis einer Polis, wo freie BürgerInnen über das Wohl der Stadt beraten und entscheiden? Wo sie ihre repräsentativ gewählten VertreterInnen mit den Aufgaben für die Zukunft betrauen, im besten Sinne des Wortes? Projektentwicklung ist eine hohe Kultur in einer urbanen Gesellschaft. In Graz ist Projektentwicklung ein missbrauchtes Modewort jener wenigen, die, aus welchen Gründen auch immer, das Monopol dafür besitzen. Es bleibt die nicht fatalistische, sondern berechtigte Hoffnung, dass die aktuelle Krise manches dieser Projekte zum Erliegen und eine Zeit der Konzentration auf das Wesentliche bringt, zumal Graz sich auf die RückkehrerInnen von der grünen Wiese vorbereiten sollte. Für die anstehende Renaissance der Stadt ist mehr erforderlich als die Wiederholung des „Modell Thalia“: Eine Vorstellung, ein Plan und Kompetenzen, um dieses gemeinsame Haus der Stadt zu bauen.Architekt DI Harald Saiko, geboren und aufgewachsen in Graz, Architekturstudium in Graz und Paris. Gründer von SAIKO.CC als Büro für Architektur . Stadt . Kultur mit Sitz in Graz, Wien sowie Timisoara/ Rumänien
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