Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Wirtschaftskrise: Steirische Unternehmen zwischen Hoffen und Bangen
Dienstag, 10. März 2009
Foto: Anton Paar GesmbH
Foto: Anton Paar GesmbH
Die Krise trifft große und kleine Unternehmen aller Branchen. Wie sie reagieren, worauf sie hoffen und was sie für die nähere Zukunft erwarten, hat KORSO in einer Vielzahl von Gesprächen erfahren. Die Energiekrise ist Teil der weltweiten Wirtschaftskrise – Unternehmen, die den Menschen beim Ausstieg aus der fossilen Sackgasse helfen, haben jetzt ihre große Stunde. Bei KWB in St. Margarethen/Raab blickt man optimistisch in die Zukunft: Dort hat man lange Jahre viel Zeit und Geld investiert und phasenweise auch ums Überleben gekämpft, um sich mit der Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energieträgern am Heizungsmarkt zu etablieren. Mittlerweile vertrauen mehr als 30.000 Kunden aus ganz Europa auf die Biomasseheizungen aus der Oststeiermark. Man bediene „einen der wenigen Wachstumsmärkte“, sagt Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer bei KWB. „Die Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energieträgern erfreut sich steigender Beliebtheit“. Aus diesem Grund sei „die Nachfrage sehr gut“, freut sich Stubenschrott – und Kurzarbeit kein Thema. Trotzdem ruht man sich keineswegs auf den Lorbeeren aus und will weiter innovativ sein: Die Forschungsquote der KWB beträgt 20% – gegenüber 3,7% im Landesdurchschnitt.

Gut geht’s dem, der alle Gewinne reinvestieren kann. Über eine Forschungsquote von 20% verfügt auch ein anderer innovativer Vorzeigebetrieb der Steiermark, die Anton Paar GmbH in Graz. Über 1000 MitarbeiterInnen zählt das Unternehmen weltweit, mehr als 700 davon arbeiten in der steirischen Landeshauptstadt. Die 20% sind übrigens betriebsintern vorgeschrieben: Seit das Unternehmen im Jahr 2003 in eine Stiftung eingebracht wurde, müssen überhaupt sämtliche Gewinne wieder ins Unternehmen investiert werden.
Dieser rein realwirtschaftlich orientierte Ansatz macht sich jetzt bezahlt: Zum einen saßen dem Unternehmen in den letzten – überaus erfolgreichen – Jahren keine Aktionäre im Nacken, die nach immer höheren Gewinnausschüttungen lechzten. „Bei vielen Betrieben ist ja der Druck, den die Aktionäre auf den Vorstand ausüben, größer als die Konkurrenz in der Branche“, betont Unternehmenssprecher Thomas Finker. Zum anderen hatte das Unternehmen wegen der Vorgabe, den gesamten Gewinn zu reinvestieren, auch in fetten Jahren kein Spielkapital für scheinbar gewinnbringende Investitionen im Finanzsektor zur Verfügung, die sich in der Mehrzahl der Fälle inzwischen in Luft aufgelöst haben wie etwa bei den ÖBB.
Finker will allerdings nicht nur Optimismus verbreiten: „Man kann nicht sagen, wie es in einem halben Jahr aussieht, denn so eine Krise hat es ja seit fünf Jahrzehnten nicht mehr gegeben.“ Dennoch muss sich das Unternehmen, das Messinstrumente zur Qualitätssicherung entwickelt und produziert – so zum Beispiel für Messungen des Zucker- und CO2-Gehalts von Pepsi-Cola – vergleichsweise wenig Sorgen machen. „Es gibt schon Firmen, die ihre Aufträge bei uns stornieren, wir versuchen diese gesunkene Nachfrage aber mit dem Abbau von Überstunden und Urlaub zu kompensieren“, sagt Finker, Kurzarbeit sei derzeit kein Thema.

Wettbewerbsvorteil: No shareholder value. Jetzt, in Krisenzeiten, kommt die atypische Struktur des Unternehmens einem Wettbewerbsvorteil gleich. Geschäftsführer Friedrich Santner sagt es deutlich: Bei der Anton Paar GmbH gibt es „keine Shareholder, die sagen: ,Bitte presst eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, damit meine Dividenden höher werden!“. Davon abgesehen verpflichtet der Stiftungsauftrag das Unternehmen zur Gemeinnützigkeit, auch das Wohl der MitarbeiterInnen wird großgeschrieben. In diesem Licht ist auch das ausdrückliche Bekenntnis zum Standort Graz zu sehen: „Wir verfügen über eine starke Verwurzelung vor Ort, eine Auslagerung der Produktion würde nicht zu unserer Firmenphilosophie passen.“ Dazu passt, dass in Graz-Straßgang im letzten Jahr ein neues Firmengebäude für 8,5 Millionen Euro errichtet wurde. Der Neubau wurde unter Berücksichtigung sämtlicher ökologischer Nachhaltigkeitskriterien errichtet; der neue Betriebskindergarten am Firmengelände ist der einzige in der Steiermark, bei dem die PädagogInnen beim Unternehmen selbst angestellt sind. Die Produkte der GmbH finden übrigens weltweit AbnehmerInnen – die Exportquote beträgt knapp 90%.

Hohe Exportquote als Krisenbeschleuniger? Was der Anton Paar GmbH bis jetzt zumindest nicht geschadet hat, treibt andere Unternehmen tiefer in die Krise: Je höher der Exportanteil, desto drastischer die Krisenauswirkungen, erkennen Wirtschaftswissenschafter jetzt. So erklärte Wifo-Chef Karl Aiginger den vergleichsweise hohen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Oberösterreich (+44% im Februar) unter anderem damit, dass die oberösterreichische Wirtschaft eine hohe Exportquote aufweise und nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds wird „Exportweltmeister“ Deutschland (Exportanteil am BIP:48%) für 2009 an der Spitze der Krisenverlierer stehen. Diese Argumentation trifft tatsächlich in den allermeisten Fällen zu – nicht nur die schwer angeschlagene Autoindustrie mitsamt den für den österreichischen Markt besonders wichtigen Zulieferern (46.000 Beschäftigte im steirischen Autocluster) kann davon ein Lied singen, auch Unternehmen anderer Branchen sind betroffen. So ist die Auftragslage für Böhler-Edelstahl in Kapfenberg oder der ACC Austria GmbH in Fürstenfeld, die Haushaltskühlgeräte entwickelt und produziert, alles andere als rosig – beide weisen eine Exportquote um die 90% auf. Alle 700 MitarbeiterInnen der ACC Austria GmbH, des größten Arbeitgebers im Bezirk, arbeiten seit November kurz, mit erstem März wurde die erste Periode bis Ende Juni verlängert. Geschäftsführer Komm.-Rat Mag. Claus Repnik spricht gegenüber KORSO von „Umsatzeinbrüchen bis zu 30%“, trotzdem könnte die Krise seine Branche verschonen, hofft er: Immerhin seien Kühlschränke und Tiefkühltruhen Teil des „normalen Lebensstandards“, auf den der Durchschnittskonsument auch nicht verzichten wird wollen. Davon, dass KonsumentInnen in Krisenzeiten ihre Haushaltsgeräte wirklich erst dann erneuern, wenn diese kaputt und nicht bloß technisch überholt sind, muss allerdings auch ausgegangen werden. Für die Zeit nach der Krise prophezeit Repnik, dass der „Markt auf kleinerer Flamme weiterkochen wird.“

Bei Wasserkraft und Windenergie ist Böhler noch rentabel. Bei Böhler-Edelstahl in Kapfenberg ist die derzeitige Situation ebenfalls wenig aufbauend: Dort, wo im letzten Jahr noch 162.000 Tonnen hochwertiger Edelstahl – zumeist Legierungen mit Nickel oder andern Metallen – gefertigt worden waren, arbeitet man jetzt mit angezogener Handbremse: 1700 der 2000 MitarbeiterInnen sind von der Kurzarbeit betroffen. Nachdem die Voest-Alpine die Anteile des Kern-Aktionärs Rudolf Fries im Jahr 2007 erworben sowie die im Streubesitz befindlichen Anteile übernommen hatte, verfügt der Stahlindustriekonzern aus Linz über mehr als 90% der Aktien der Böhler-Uddeholm AG. „Die Umsätze sind in den letzten Monaten in fast allen Bereichen sehr deutlich eingebrochen“, sagt Peter Schiefer, Sprecher der Konzern-Zentrale der Voest-Alpine in Linz. „Im heurigen Jahr rechnen wir nicht mit einem Aufschwung, die Krisenauswirkungen werden auch ins Jahr 2010 hineinreichen.“ Nur jene 300 MitarbeiterInnen, die nicht in Kurzarbeit sind, machen ein wenig Hoffnung. Sie entwickeln und produzieren Stahl und Stahl-Legierungen für Wasserkraft-Turbinen oder Windkraftwerke – die einzige Sparte des Unternehmens, die gegenwärtig rentabel läuft. Die Kapfenberger nutzen die schlechte Auftragslage immerhin für die Weiterqualifizierung ihrer MitarbeiterInnen. 16 bilden sich im Rahmen der neuen „Bildungskarenz plus“ weiter, auch die in der neuen Kurzarbeitsrichtlinie vorgesehene Mitarbeiterqualifizierung wird in Anspruch genommen. Und: „Bis ins Jahr 2010 hinein läuft ein Investitionsprojekt zum Ausbau der Freiformschmieden“, sagt Konzernsprecher Schiefer. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro, neben Kapfenberg profitieren allerdings auch drei weitere Standorte davon.

Landwirtschaft: Konzentration auf regionale Märkte als Überlebensstrategie. Richard Hubmann, Biobauer im oststeirischen Sinabelkirchen, bewirtschaftet einen mittleren Landwirtschaftsbetrieb. Der Biobauer verkauft seine Produkte an KleinabnehmerInnen ebenso wie an andere Bauern sowie kleinere Händler. Konkrete Umsatzrückgänge muss er bis jetzt noch nicht verzeichnen. Über die Entwicklung am Markt ist er unschlüssig: „Es gibt zwei Hypothesen, jene, wonach die Nachfrage nach Bioprodukten bei einer Verschlechterung der Kaufkraft zurückgeht und jene, dass sich am Kaufverhalten der KonsumentInnen auch bei verringerter Kaufkraft wenig ändert“, sagt Hubmann. Die Konzentration auf regionale Märkte sei jedenfalls ein Gebot der Stunde, meint Hubmann. Er hat sich auch schon überlegt, welche Strategie er einschlägt, falls die Krise größere Ausmaße annimmt und die Kaufkraft seiner KundInnen in den Keller fällt: „Ich könnte mir durchaus vorstellen, Ware gegen Leistung anzubieten.“ Die regionalen Kreisläufe müssten jedenfalls gestärkt werden, „es kann nicht sinnvoll sein, Knoblauch und Schnittlauch aus China zu importieren.“
Holger Hagen, Geschäftsführer des Weinguts CARPE VINUM in St. Veit am Vogau, hat seinen Betrieb 2006 gegründet und verfügt ebenfalls über beste regionale Vernetzungen. Hagen hat zwei Mitarbeiter, mit denen er auf insgesamt 8 ha Weine nach zertifizierten Bio-Kriterien herstellt. Die Nachfrage entwickle sich unterschiedlich: Von Seiten der Endverbraucher sei sie „beständig“, etwas „kritischer“ beurteilt Hagen die Situation bei den Weinhändlern und Gastronomen. „Die Zusammenarbeit ist oft nicht einfach, wir hören viele Klagen über den trägen Anfang dieses Geschäftsjahres und spüren das auch bei den Bestellmengen“, sagt Hagen. Sollte sich die Nachfrage verschlechtern, setzt auch er vor allem auf den „direkten Kundenkontakt“.

Optimismus in der Thermenregion. In den Tourismusregionen ist die Situation ebenfalls nicht aussichtslos. Horst Wagner, Miteigentümer des Hotels Vier Jahreszeiten in Bad Loipersdorf, darf sich nicht beklagen. „Wir haben eine gute Buchungslage, auch was die Vorausbuchungen betrifft, sind wir sehr zufrieden.“ 90% der Gäste kommen aus Österreich, 5% aus Deutschland, der Rest aus den östlichen Nachbarländern. Sollte die Nachfrage einbrechen „müssten wir natürlich den Preis drücken“, sagt Wagner. Bis zu 20% könne man den Preis nach unten korrigieren, um die Hotelgäste mit günstigeren Angeboten zu locken. Allerdings wäre ein solches Vorhaben mit Qualitätsabschlägen verbunden. „Dieses Geld muss man sich ja irgendwo hereinholen und das funktioniert nur, wenn man im Service spart“, sagt Wagner „etwa indem man auf einen Gang des Menüs verzichtet“. Dass die ÖsterreicherInnen ihren Urlaub in Hinkunft eher im Inland als an fernen Küsten verbringen und zudem kürzer anberaumen werden, ist für Wagner eines unter mehreren Szenarien: „Wir können die Entwicklung jetzt nicht abschätzen, es gibt auch jene, die sagen, dass die Tourismusbranche erst im Sommer schwerer betroffen sein wird. Selbst wenn das so ist, hätten wir aber auch noch Potenzial, um unser Angebot noch attraktiver zu machen.“
Vielleicht zählt der regionale Tourismus – ebenso wie die Unternehmen der Öko-Industrie – tatsächlich zu jenen Branchen, die von einer Neuakzentuierung des privaten Konsums aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen profitieren können – zumindest geben sich deren Vertreter diesbezüglich optimistisch: „Wenn der Sparstift angesetzt wird, dann sind nähere Destinationen natürlich im Vorteil“, hofft Christian Kolbl von den steirischen Touristikern in der Wirtschaftskammer.

\ Gregor I. Stuhlpfarrer
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