Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
In memoriam Susanne Wenger – Adunni Olurisa
Dienstag, 10. Februar 2009
Die in Graz geborene Künstlerin und Priesterin ist  am 13. Jänner in Oshogbo, Nigeria, verstorben. Anlässlich einer Rahmenveranstaltung zur Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“ war sie 2001 in der Neuen Galerie, zuletzt war sie bei ihrer von ihrem Freund und Wegbegleiter Wolfgang Denk ausgerichteten Personale im Künstlerhaus, 2004 in Graz zu treffen. Zu ihrem 90. Geburtstag wurden große Feierlichkeiten in Nigeria veranstaltet und ihr Werk zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Susanne Wenger wurde am 4. Juli 1915 in Graz geboren. Sie besuchte die evangelische Volksschule und kam schon in diesem Alter in Konflikt mit dem Gottesbild, das ihr dort von Pfarrer Ulrich vermittelt wurde, denn für sie war Gott so nahe wie ein älterer Bruder. Sie schloss ihre erste Freundschaft mit Bäumen, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielten. Nach der Volksschule besuchte sie das Lichtenfelsgymnasium. Oft schwänzte sie die Schule, da sie „Wichtigeres zu tun hatte“ – lange Wanderungen, später auch mit dem Fahrrad, zu Plätzen an der Mur, zu gewissen Bäumen in der Umgebung, mit denen sie sich geistig identifizierte – vom Grazer Vorstadtbezirk Waltendorf aus, wo sie in der Nernstgasse wohnte.

Widerstand. Sehr früh – mit 12 – ist sie auch mit den „Wandervögeln“ unterwegs, sie ist die Jüngste im „Nest“ von Anni Gamerith. Mit 15 beginnt sie eine Ausbildung an der Grazer Kunstgewerbeschule in der Keramikklasse von Prof. Hans Adametz. Während der Ausbildung an der Kunstgewerbeschule verschwindet sie oft für Tage oder Wochen allein in den Bergen und übernachtet in Scheunen und Almhütten über der Waldgrenze, auch im Winter. Nach der Ausbildung in Graz geht sie nach Wien und studiert an der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt. 1933 bis 1935 studiert sie an der Wiener Kunstakademie in der Meisterklasse für Freskomalerei bei Prof. Ferdinand Andri. Ab 1935 ist sie in der Klasse von Herbert Boeckl und setzt dort ihr Studium ca. ein Jahr lang fort. In der dramatischen Zeit vor der Besetzung Österreichs im März 1938 ist Susanne Wenger immer wieder in Graz. Sie erinnerte sich an eine Gegen-Demonstration gegen die in Graz schon mächtigen Nazis, bei der sie, eine rote Fahne schwingend, die Straßenbahnen angehalten hat. Zu dieser Zeit lebt sie in Wien mit dem Psychoanalytiker Theon Spanudis zusammen, die beabsichtigte Heirat scheiterte, weil sie eine Analyse machen sollte, was sie nicht wollte. Da Spanudis aus einer griechisch-jüdischen Familie stammt, die in Syrien lebt, ist ihre Situation nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten prekär. Um 1943 wird sie zum Arbeitsdienst einberufen, doch sie verweigert, da sie ihn als zu militärisch empfindet. Nur ihr Schweizer Pass bewahrte sie vor den in diesen Fällen praktizierten Zwangsmaßnahmen. Sie hat in dieser Zeit Verfolgten und Bedrängten geholfen und sie beschützt, z.B. den späteren Bildhauer Wander Bertoni, der 1943 als Zwangsarbeiter in die damalige „Ostmark“ verschleppt wurde. Ihr Werk aus dieser Zeit ist sowohl stilistisch als auch inhaltlich zum großen Teil dem zuzuordnen, was damals als „entartet“ galt.

Der ART-CLUB. In den Bombennächten in Wien (1943-44) entstehen Arbeiten, die eindeutige Manifestationen kulturellen Widerstands sind: Die kleinen Buntstiftzeichnungen auf Papier gehören zu den wenigen Arbeiten in surrealem Stil, die in Österreich vor dem Kriegsende geschaffen wurden. Die „Stunde Null“ erlebt Wenger deshalb als schwierige Zeit. Sie hat viele Arbeiten eingebüßt, da ihr Atelier ausgebombt worden war. Als 1947 in Wien die virulenteste Künstlervereinigung nach dem Krieg, der ART-CLUB, gegründet wird, ist sie Gründungsmitglied und beteiligt sich an vielen der Ausstellungen. Eine Ausstellung des ART-CLUB in der Thalia in Graz im Jahr 1947 war ihr noch Jahrzehnte später lebhaft im Gedächtnis, bei der sie mit ihrer Freundin Maria Biljan-Bilger mit einfachsten Mitteln die Gestaltung übernommen hatte. 1949 geht sie nach Paris. „In Paris habe ich einfach gelebt und gemalt – keine Sorgen gehabt – und war von der Stadt eigentlich etwas enttäuscht. Mein Haupterlebnis war, daß ich von den Clochards aufgenommen wurde. Das waren mir die wichtigsten Menschen in Paris. Die sind ungeheuer stark, zumindest in der Ablehnung.” (Wolfgang Denk, Lebenslauf  S.W. In: S.W. Ausstellungskatalog Wien 1985, S.11).

Ein Gesamtkunstwerk monumentalen Ausmaßes. In Paris trifft sie den jüdischen, deutsch-britischen Sprachforscher Ulli Beier, heiratet ihn und geht gegen Ende des Jahres 1949 mit ihm nach Nigeria. 1952 zieht sie nach Ede. Hier hat sie den ersten intensiven Kontakt mit der Religion der Yorubas, später wird sie zur Priesterin initiiert. Oshogbo wurde ihre neue Heimat, im Zentrum der Yoruba-Region gelegen, entstand hier in einem  heiligen Hain entlang des Oshun-Flusses ab 1963 im Laufe von Jahrzehnten in Zusammenarbeit mit nigerianischen Künstlern ihr Hauptwerk, durch das sie international bekannt geworden ist: „Ein Gesamtkunstwerk monumentalen Ausmaßes: Eine Symbiose aus Architektur, Plastik, Malerei, aus Spiritualität, Natur und Kunst,“ schreibt Wolfgang Denk. Bis zu 100.000 Menschen besuchten während des jährlichen Flussfestes dieses Heiligtum.
Sie hat im Kontext der Yoruba-Religion als europäische Künstlerin ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das in unvergleichlicher Weise europäische mit afrikanischer Hochkultur symbiotisch verbindet. Susanne Wenger gehört zu den ungewöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten, die in der Steiermark gelebt haben.  
Ein Museum für ihre Arbeiten und ein Alterssitz für sie waren auf Initiative von Wolfgang Denk in Niederösterreich in Planung. Sie hat es aber vorgezogen, ihre letzten Tage bei ihrer Wahlfamilie in Nigeria zu verbringen …

\ Günter Eisenhut

Günter Eisenhut
ist Inhaber der Galerie remixx in Graz und war 2001 Initiator und Mitarbeiter der Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“ in der Neuen Galerie.
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