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Fritz Ganser: Vom Logo zum Text und retour
Montag, 12. Januar 2009
Der Ursprung der Schrift liegt bekanntlich im Bild – wie etwa an der alten sumerischen Wortschrift oder an den darauf folgenden Silbenschriften Mesopotamiens und Ägyptens deutlich wird.

Der steirische Künstler Fritz Ganser geht den Weg der Erfinder der Schrift wieder zurück zum Ursprung: Aus einem Text erzeugt er ein Bild, dessen Bedeutung in engem Zusammenhang mit dem schriftlich fixierten Inhalt steht – nur dass die Beziehung nicht wie in den oben genannten Beispielen zwischen einem einzelnen (Bild)Zeichen als signifiant und einem außertextlichen Bedeutungsinhalt als signifié besteht, sondern als Dreiecksbeziehung zwischen einem Bild/Logo, einem – oft komplexen – Text und einem außertextlichen Bedeutungszusammenhang daherkommt.

Frühmittelalterliche Parallelen. Man mag nun einwenden, dass auch dies nichts Neues sei – nicht erst die konkrete Poesie (in ihrer visuellen Spielart) seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, sondern bereits die spätantiken Figurengedichte konstruierten eine bildliche Darstellung aus einem (lyrischen) Text. In karolingischer Zeit schuf dann Bischof Hrabanus Maurus seine 28 Figurengedichte zum Lob des Kreuzes, die in der Tat einiges mit Gansers Werk zu tun haben: Das dargestellte Bild grenzt durch die Art der visuellen Darstellung einen Intext aus dem Grundtext aus, das Bild wird dadurch selbst zum Zeichen, das zudem ein Kreuz repräsentiert. Anders als bei Hrabanus steht aber bei Ganser der Text im Vordergrund: „Die optische Darstellung verleiht dem Text eine stärkere Eindringlichkeit oder eine Bedeutungsnuancierung“, sagt der Künstler.

Deutungen. Übrigens findet sich auch unter Gansers Werken ein Kreuz – jenes schräg gestellte, dass lange Zeit als Logo der ORF-Religionssendung „kreuz und quer“ diente. Herausgearbeitet ist es aus einem humorvollen Text Gerhard Roths, der sich mit den Farben vom Messgewändern beschäftigt und suggeriert, diese richteten sich nicht etwa nach dem jeweiligen liturgischen Anlass, sondern nach völlig weltlichen Ereignissen: Rot, wenn jemand das Ziehharmonikaspielen lernt, ocker, bevor ein Krieg ausbricht …
Andere von Gansers Bildern basieren wiederum auf kommerziellen Logos: so etwa auf jenem des Ölmultis Shell, das aus einem mittelalterlichen Text über das Sterbesakrament, die Letzte Ölung, erwächst. Die Konnotation ist mehrdeutig: Sie kann ebenso auf die zu Ende gehenden Ölvorräte verweisen wie auf die zahlreichen Opfer des Öldursts der Metropolen – von den im Fördergebiet des angesprochenen Ölkonzerns ansässigen Ethnien, die von der nigerianischen Zentralregierung unterdrückt werden, bis hin zu den Hunderttausenden Toten der Irakkriege.
Ganser verfertigt auch Auftragswerke – ohne dabei Kompromisse einzugehen: „Himmel und Hölle“ nennt sich das Werk, das er im Auftrag und aus dem Logo des Bestattungsunternehmens „Pax“ und einem Text des Basler Schriftstellers Roger Monnerat geschaffen hat. Einem Text, der eine Methode schildert, die Seele gen Himmel auffahren zu lassen, die so gar nicht herkömmlichen christlichen Vorstellungen entspricht – nämlich per Suizid auf den Eisenbahngleisen. Mehrfachdeutig auch jenes Bild, das im Auftrag des Entsorgungsunternehmens Roth entstand: Der Firmenschriftzug wird aus einem Text des namensgleichen Schriftstellers Gerhard Roth gebildet, der sich mit dem Los der Müllmenschen Kairos und ihrer Rolle bei der Rezyklierung der Abfälle der Millionenmetropole beschäftigt.

Der eigentliche Schaffensprozess.
Gerhard Roth ist im Übrigen jener Autor, der Ganser besonders inspiriert; seine Texte sind für ihn sakrosankt – „ihre Bedeutung spielt eine so große Rolle, dass ich mir niemals anmaßen würde, auch nur ein Wort auszulassen oder sie auf andere Weise zu verändern, um sie dem Bild anzupassen.“
Dennoch steht am Ursprung der meisten Ganser-Bilder nicht ein Text, sondern „ein Logo, das mich quasi anspringt.“ Dann erst sucht er den passenden Text – „ich lese in Bildern“. Dieser Prozess dauere wesentlich länger als die Herstellung des Kunstwerkes.
Ganser arbeitet mit Pinsel, Ölfarbe und Schablonen, früher auf Holz und Beton, jetzt – aus Praktikabilitätsgründen – auf Aluminiumtafeln. „Mir ist wichtig, dass jedes Bild ein klassisches Ölbild ist, ein Unikat.“ Allerdings seien die Überlegungen, die der handwerklichen Umsetzung vorangingen, der eigentliche Schaffensprozess – „mich würde es nicht stören, das Malen jemandem zu überlassen, der meine Vorstellungen ebenso exakt umsetzen kann, wie ich es selbst tue.“

Duell der Zeichen.
Nicht nur kommerzielle, auch politische Logos setzen Gansers Kreativität in Gang: Eines seiner schönsten und gleichzeitig monumentalsten Werke konfrontiert das alte Logo der Sozialdemokratie (drei schräg nach unten gerichtete Pfeile in einem Kreis) mit einem (ins Deutsche übersetzten) Textauszug aus Edmond Rostands „Cyrano de Bergerac“, der ein Duell schildert. Der Hintergrund: Das Logo der Sozialdemokratie war als Reaktion auf das Hakenkreuz-Logo geschaffen worden, mit den drei Pfeilen wurde die von den Nazis usurpierte Swastika übermalt, sie sollten den Kampf gegen Faschismus, Kapitalismus und Reaktion symbolisieren.
Das Spiel mit Text- und Bildbedeutung hat Ganser auch zu anderen Ausdrucksformen geführt. Als Beispiel dafür sei etwa die Druckserie „One swallow“ genannt: Der Künstler verziert die Gesichter bekannter SchauspielerInnen mit dem Spruch „one swallow doesn’t make a summer“, der in Form eines Hitlerbärtchens die Oberlippe des/der betreffenden ziert. Das Bärtchen alleine macht noch keinen Bösen, ebenso wenig, wie eine einzige Schwalbe den Frühling ausmacht – und Urteile, die sich an Oberflächlichkeiten orientieren, führen nicht notwendigerweise, aber doch oft in die Irre.

Christian Stenner

 

Kurzbiografie

Fritz Ganser, geboren 1962 in Sankt Sebastian, lebt und arbeitet in der Steiermark. Ausstellungen in Graz, Wien und Klagenfurt. Eine Personale in Graz ist in Vorbereitung.

 

Sprachbilder

Die Steirische Kulturinitiative hat eben eine reich illustrierte Monografie zu Gansers Werk herausgebracht; Texte von Herbert Nichols-Schweiger, Emil Breisach, Elisabeth Fiedler, Michael Petrowitsch, Katia Schurl, Werner Fenz und dem Künstler selbst nähern sich den Kunstwerken an
Steirische Kulturinitiative (Hrsg.): Fritz Ganser. Sprachbilder. Graz: Leykam 2008, 160 Seiten, EUR 29,90

Von der Steirischen Kulturinitiative wurden in den letzten Jahren folgende Bücher herausgegeben:
Herbert Nichols-Schweiger (Hrsg.): Butoh, Klärende Rebellion. Tanzlabor Graz. Wien: Böhlau 2003.
Bruno Wildbach: Humansize. Graz: 2004.
Werner Fenz (Hrsg.): W. W. Anger. subSYSTEME. Das Werkbuch. Weitra:  Bibliothek der Provinz: 2005.
schmalz. Stuhlmann: handlungsspuren. geschichtete präsenzen, Konstanz: 2007/2008.

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