Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Zehn Jahre und noch immer „schreibkraft“
Dienstag, 9. Dezember 2008
Seit zehn Jahren lotet ein Grazer Herausgeberkollektiv um Werner Schandor, Andreas Peternell, Hannes Luxbacher, Hermann Götz und Robert Hutter „das Grenzgebiet zwischen Journalismus und Literatur aus“ (O-Ton Schandor), die jeweiligen Ergebnisse finden sich dann im Feuilletonmagazin „schreibkraft“, das, schenkt man den Herausgebern Glauben, streng gegen die Prinzipien des neoliberalen Zeitgeistes produziert wird: „Andere reden nur von Entschleunigung, wir leben sie.“

Die „schreibkraft“ sei aufgrund ihres bedächtigen Produktionszyklus „die Antithese zum Blog“, formuliert Schandor: Die Herausgeber lassen sich viel Zeit für die Vorbereitung eines Heftes, diskutieren inhaltliche und formale Qualität der Beiträge ausführlich, Inhalte zählen statt Äußerlichkeiten (in der Tat ist das Outfit der „schreibkraft“ seit Anbeginn von der gleichen nahezu calvinistischer Nüchternheit geprägt), das Spektrum der AutorInnen reicht von der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über lokale Größen bis hin zu Erstversuchen.

Alles bestens mit der neuen „schreibkraft“.
Die Fokussierung auf die Inhalte macht sich jedenfalls bezahlt, was die Qualität der Ausgaben betrifft: Auch die eben erschienene Ausgabe, die mit dem Generalthema: „alles bestens“ ein wenig kontrapunktische Begleitmusik zur beginnenden Rezession liefert, birgt hochwertige Texte – von Parviz Amoghlis Beirag über „Corporate Social Responsability als moderne Form des Ablasshandels“ über Harald A. Friedls „Das Platon-Popper-Syndrom“, in dem der Autor den von einer Expertokratie geförderten „Glücksmaximierungswahn“ dekonstruiert, bis hin zu Martin Gassers höchst lesenswertem „Der Feuerkopf im Schrebergarten“, einer Auseinandersetzung mit Johann Karl Wezels „Belphegor“, seinem literarischen Vorbild „Candide“ und dem Glücksbegriff der Aufklärung.

Lesestipendium.
In konsequenter Fortführung des Entschleunigungsprinzips hat die „schreibkraft“ anlässlich ihres zehnjährigen Jubiläums kein AutorInnen- sondern ein LeserInnenstipendium ausgeschrieben – „wir wollten zumindest einer Person das bieten, was uns heute allen so sehr abgeht, nämlich die Zeit, in aller Muße Texte zu lesen“, sagt Schandor, Unter den 70 Einreichungen aus dem gesamten deutschen Sprachraum wurde die freiberuflich als Rezensentin und Journalistin tätige Beate Tröger aus Frankfurt ausgewählt, die drei Wochen bei freier Unterkunft und einem Stipendium von 1100,-- Euro Zeit hatte, ihre umfangreiche Leseliste abzuarbeiten.


Christian Stenner

Die „schreibkraft“ lässt sich auch bestellen – am einfachsten über die Homepage www.schreibkraft.adm.at . Mit einem Abo sind Sie in guter Gesellschaft: Auch die Universitätsbibliothek der Harvard University bezieht eines.

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