Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
China und Menschenrechte – es gibt noch viel zu tun!
Dienstag, 9. Dezember 2008
Michael Schaller berichtet von einer Filmpräsentation über Menschenrechtsstädte in China.

Freitag, 28. November 2008. Ein markanter Tag im Rahmen eines Projektes, das mich mit einem Kamerateam des ORF Steiermark fast zwei Jahre lang beschäftigt hat: Unsere Doku „Menschenrechtsstädte dieser Welt“ wird im Hauptabendprogramm von 3sat europaweit ausgestrahlt. Hinter uns liegen Dreharbeiten in Europa, Afrika, Nord- und Südamerika und die Vorstellung des Films kurz zuvor beim IV. World Urban Forum vom UNO-Siedlungsprogramm HABITAT in Nanjing/China. „Steiermark heute“ bringt einen Bericht von unserer Präsentation in China – fast zeitgleich kommt die Meldung, dass der Wissenschafter Wo Weihan in Peking exekutiert wurde. Ihm wurde Spionage für Taiwan vorgeworfen, Proteste der EU und aus Österreich, wo seine Töchter als österreichische Staatsbürgerinnen leben, waren erfolglos geblieben.

Eine lange Liste von Vorwürfen. China und Menschenrechte, das passt offensichtlich auch 60 Jahre nach dem Beschluss der UNO-Menschenrechtserklärung noch nicht zusammen. Auch wenn es auf der Homepage der chinesischen Botschaft in Österreich eine eigene Rubrik Menschenrechte gibt (der letzte Eintrag ist fünf Jahre alt und berichtet von der Weigerung der UNO-Menschenrechtskommission, einen von den USA unterstützten Bericht über die Menschenrechtssituation anzunehmen), ist die Liste der Vorwürfe lang. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Einschränkung der Redefreiheit, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten, Exekutionen, Folter und vieles mehr. Die Einschränkung der Informationsfreiheit durch die „freiwillige“ Zensur von Google und Yahoo und die Schwierigkeiten während der Olympiade sind allgemein bekannt.

Nur 4000 zugelassen – aus Überwachungsgründen. Umso bemerkenswerter ist es, dass es Gernot Lercher, Regisseur der Doku und mir Anfang November möglich war, nach China zu reisen und unseren Film über die Menschenrechtsstädte Graz, Korogocho, Edmonton und Rosario zu präsentieren. Im Film werden Menschenrechtsaktivisten aus allen vier Städten vorgestellt, ihre Porträts machen die Artikel der UNO-Menschenrechtserklärung lebendig.
Der Weg nach China war lang – bis zuletzt war unklar, ob die Präsentation erlaubt werden würde. Erste Abklärungen erfolgten während der Dreharbeiten bei HABITAT im Oktober 2007 in Nairobi, wo uns ein „special event“ für die Präsentation unseres Films und eines Buches über Menschenrechtsstädte während des IV. World Urban Forums zugesagt wurde, einer internationalen Konferenz und Leistungsschau der städtischen Entwicklung. Es war klar, dass besondere Vorkehrungen zu treffen wären. Eine UNO-Konferenz findet quasi auf internationalem Boden statt, trotzdem musste HABITAT die Konferenzinhalte mit den chinesischen Behörden abstimmen, die unseren Film bereits Anfang September in den Händen hielt. Die Zusage, dass wir präsentieren dürfen, traf erst zwei Tage vor der Abreise nach Nanjing ein. Der Druck von HABITAT auf die chinesischen Behörden, unseren Film zu genehmigen, war nur ein Puzzlestein in einer langen Reihe von Schwierigkeiten. Das Forum war auf 15.000 Besucher ausgelegt, die Hälfte davon sollte aus dem Ausland kommen. Letztlich nahmen ca. 4.000 Ausländer teil, tausende Interessierte erhielten entweder kein Visum oder die offizielle Einladung so spät, dass für Visum und die Reisevorbereitung zu wenig Zeit blieb. Der Grund dafür: 4.000 internationale Besucher konnten von der Polizei und den Sicherheitskräften kontrolliert und überwacht werden, eine Kontrolle, die wir immer wieder erlebten. Beispielsweise hatten alle Teilnehmer Namensschilder mit Foto, Name, Nationalität und Teilnehmerkategorie. An der Farbe des Halsbandes war zu erkennen, mit wem man es zu tun hatte. Blau war die Farbe der Konferenzteilnehmer, gelb die der freiwilligen Helfer – silbergrau die Farbe der Security. So konnte man auch die Sicherheitskräfte erkennen, die keine Uniform trugen.
Mindestens genauso groß war wohl die Anzahl der „Zivilisten“, die als Teilnehmer getarnt für Überwachung und Dokumentation sorgten: Kaum traten wir in Vorbereitung der Filmvorführung oder mit der TV-Kamera in Erscheinung, wurden wir gefilmt, fotografiert oder es lichteten sich Chinesen – mit uns im Hintergrund – gegenseitig ab. Die „Freude“ der Chinesen mit unserem Film setzte sich in der fehlenden Unterstützung der Präsentation fort. Der Film war in keinem Programm zu finden und wann und wo der Film gezeigt werden sollte, konnte erst am Tag vor der Präsentation geklärt werden: Im Durchgangsbereich zwischen zwei Hallen wurde eine Leinwand aufgestellt. Wir verteilten die selbst erstellten Einladungszettel, weil den Freiwilligen, die wir um Unterstützung baten, die Verteilung durch ihren Vorgesetzten untersagt wurde. Obwohl Lautsprecher vorhanden waren, gab es kein Mikrophon und so wurden unsere einleitenden Worte kaum gehört. Unsere Bücher und DVDs fanden großes Interesse – auch bei den an ihren silbernen Bändern zu erkennenden Sicherheitsbeamten ...

Ausgetrickst: Der Film lief in Endlosschleife. Nach den Schwierigkeiten im Vorfeld war es bewegend, unseren Film über Menschenrechtsstädte und gelebte Menschenrechte tatsächlich in China zu zeigen. So groß die Unzufriedenheit über die schlechten Rahmenbedingungen war, mindestens gleich groß war die Genugtuung in den Tagen danach: „Human Rights Cities of the World“ wurde nach der Erstaufführung in einer Endlosschleife ca. dreißig Mal gezeigt.  Egal, wann man an der Leinwand vorbei kam, es gab immer Zuseher, die sich über Menschenrechte informierten.
Die Frage, ob es den Aufwand wert war, in China zu präsentieren, kann eindeutig bejaht werden. Zusammen mit anderen Veranstaltungen war der Film ein „Keil“ für mehr Öffnung und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Es wäre unrealistisch zu glauben, dass es bald eine Menschenrechtsstadt auf chinesischem Boden geben könnte, aber unsere Präsentation hat dazu beigetragen, HABITAT für dieses Konzept zu begeistern. Beim Governing Council im März 09 und beim V. World Urban Forum 2010 in Rio de Janeiro soll es einen Schwerpunkt Menschenrechtsstädte geben. Graz, das sich als erste und einzige europäische Stadt der Menschenrechte seiner Vorbildwirkung oft nicht bewusst ist, könnte Vorreiter einer Bewegung werden, die hoffentlich bald mehr als die heute zwei Dutzend Mitgliedsstädte hat.

 

Dr. Michael Schaller initiierte und organisierte das Filmprojekt „Menschenrechtsstädte“, das er mit dem ORF Steiermark umgesetzte. „Graz – Stadt der Menschenrechte“ und „Menschenrechtsstädte dieser Welt“ gibt es auf DVD, die Filme werden u. a. zur Menschenrechtsbildung in Schulen eingesetzt. Infos: www.menschenrechtsstadt.at

Für NeuabonnentInnen bietet KORSO ein besonderes „Zuckerl“: Wer noch vor Weihnachten ein KORSO-Abo bestellt, erhält nicht nur das gewünschte Buch zum Abo (siehe Seite 15), sondern zusätzlich eine der beiden DVDs „Menschenrechtsstadt Graz“ oder „Menschenrechtsstädte dieser Welt“ von Michael Schaller.

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