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Schwarz, gutaussehend, gescheit
Dienstag, 9. Dezember 2008

Kopfzeile - von Martin Novak

Viele halten den längst pensionierten, ehemaligen ORF-Chefredakteur Klaus Emmerich jetzt für einen alten Deppen, weil er in einer Diskussion vor 1,2 Millionen Fernsehzuschauern gemeint hat, es müsse den Amerikanern „schon sehr schlecht gehen, dass sie so eindrucksvoll … einen Schwarzen mit einer schwarzen, sehr gutaussehenden, gescheiten Frau, ins Weiße Haus schicken“. Weil ihm jeder deswegen böse ist, sogar der republikanische US-Botschafter in Österreich, möchte ich ihm etwas schenken  –  diese beruhigende Kolumne nämlich.

A. Barack Obama mag Charisma haben und „die fast diabolische Begabung“, seine Politik effektvoll zu präsentieren, wie Emmerich in einem Presse-Interview meint, aber im Grunde gehört er doch zum amerikanischen Establishment: Wer auf der Columbia University, in Chikago und Harvard studiert hat, ist kein unberechenbarer Underdog. Und dass er zudem mit einer Harvard-Absolventin verheiratet, ist rundet das Bild harmonisch. Okay, die Frau ist tatsächlich gut aussehend und gescheit, aber das kann und muss man eben aushalten.

B. Die Amerikaner (alle?) mögen Rassisten sein, aber in diesem Land war schon der Mittelfranke Heinz Alfred Kissinger Außenminister, ohne dass es zu xenophoben Eruptionen kam. Da ist der Sohn eines Kenianers und einer US-Amerikanerin aus Kansas doch sozial weit verträglicher. Und so rassistisch sind die Amerikaner ja gar nicht. Vor den Wahlen geisterte zwar der „Bradley-Effekt“ (auch als Wilder-Effekt bekannt) durch die Medien, aber wohl eher aus mediendramaturgischen Erwägungen. Um die Spannung bis zum Wahltag aufrechtzuerhalten, wurde (vor allem von europäischen und auch österreichischen Medien) die  These verbreitet, dass farbige Politiker bei Umfragen besser abschneiden als bei Wahlen. Ihre Wurzeln hat diese Behauptung im Ergebnis der Gouverneurswahlen von 1982. Damals verlor der afroamerikanische Amtsinhaber entgegen der Prognosen die Wahl, angeblich weil Rassisten ihre Skepsis vor Meinungsforschern gerne verbergen. Eine Studie der Harvard Universität hat diese These mittlerweile als obsolet entlarvt. Die Meinungsforscher sind zwar bei den Präsidentschaftswahlen 2008 auch kräftig danebengelegen (bis zu 15 Prozentpunkte in einigen Staaten), mit Rassismus hatte das aber nichts zu tun. Und außerdem haben sich die Fehler zugunsten und zuungunsten Obamas weitgehend ausgeglichen.

C. Außerdem ist Obama gar nicht schwarz. „Warum eigentlich wird er nicht als „weiß“ gesehen? Schließlich ist er genauso „weiß“ wie ‚schwarz’, wenn er auch relativ ‚schwarz’ aussieht. Seine Hautfarbe unterscheidet ihn kaum von einem Sizilianer, und wem würde einfallen, einen Südeuropäer als ‚Schwarzen’ zu bezeichnen?“, bemerkt der Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle, Kurt Kotrschal auch in der Presse.
Obamas Mutter war eine Weiße. Sein kenianischer Vater verließ die Familie, als Barack Obama zwei Jahre alt war. Der künftige Präsident wurde in einem Umfeld sozialisiert, das sehr weit weg war von der Geschichte der Sklaverei und Rassentrennung. Sollte es Sklaven unter den Vorfahren des neugewählten Präsidenten geben, dann nur mütterlicherseits, mokierten sich amerikanische Kommentatoren.

An dieser Stelle soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass die USA bereits mit schwarzen Spitzenpolitikern leben musste, die diese Geschichte hautnah miterlebt haben: Condoleezza Rice zum Beispiel. Deren Freundin starb bei einem Klu-Klax-Klan-Attentat, als Rice kaum zehn Jahre alt war. Wenn sich Klaus Emmerich nicht „von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen“ will, kommt seine Warnung zu spät. Die westliche Welt wurde die letzten Jahre sogar von einer Schwarzen dirigiert, die selbst gut aussehend und gescheit ist. Und so schlimm war das ja gar nicht, zumindest vom Rassen-Aspekt her gesehen. Oder, Herr Professor Emmerich?
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