Sherko Fatah, Roman, Jung und Jung Verlag, Salzburg-Wien 2008, 439 S.
Die Heimat von Kerim, dem jungen „Helden“, liegt im Nordirak, im „autonomen Kurdengebiet“. Doch tatsächlich kochen dort seit einiger Zeit, auch in dieser Gegenwart des Romans, die US-Truppen und die Iraner ihr Süppchen. Am Ende lässt Sherko Fatah, der Berliner Autor und Sohn eines Kurden, seinen Antihelden - nach der Flucht aus der Heimat im dunklen Schiffsbauch versteckt, nach Berlin gelangen. Dort wird er von einem anderen Migranten aus dem Umfeld der „Gotteskrieger“ ermordet. Wie hängen im Irak normaler Alltag und öffentlich sanktionierte Gewalt zusammen. Kerims Vater wird in seinem Restaurant einfach erschossen, von Agenten „der Macht“. Wie sind privates Leben und politische Ereignisse durch Gewalt verzahnt: Kerim wird von einer islamistischen Gruppe in die Berge verschleppt, soll zum Attentäter ausgebildet werden. Letztlich entkommt er, will kein Selbstmörder oder Mörder werden. Er und seine Familie sind religiös gleichgültig gewesen; erst im Exil wird ihm Religion wichtig, weil die Identifizierung mit dem Islam ihn abgrenzt von der Mehrheitsgesellschaft. Dass ihn dennoch der lange Arm der Islamisten erreicht, gehört zur Dramatik von „Krieg und Chaos“. Fatah schildert die „Glaubenskrieger“ oder „Gefolgsleute Gottes“ und ihre traumatischen Schicksale; den zeitgeschichtlichen politischen Hintergrund deutet er nur an. So wird das zivile Leben und das Bewusstsein für friedliches Miteinander vernichtet. Der Autor hat bereits zwei Romane über das geschundene Land verfasst: „Im Grenzland“ und „Onkelchen“ (im selben Verlag). Er betont, „auf gleicher Höhe mit den Ereignissen schreiben zu wollen“, weil die Attentate und Bombardierungen, die uns die Medien täglich melden, auch ein Nachleben haben, das in der medialen Präsentation ausgeblendet wird. Er hingegen will vermitteln, „was wirklich passiert“. Die Sprache von Fatah ist konkret, zupackend, originell. Klischees werden ebenso wie Erklärungen vermieden, die Erzählstrategie ist die „von unten“: Der Leser weiss nie mehr als Kerim weiss. Er sieht mit dessen Augen die unendlichen Landschaften des Irak oder die begrenzte Szenerie Berlins. Der Autor weckt beim Leser die Sehnsucht, in jene Gegenden zu fahren, wo der Koch heute noch dem Huhn, das in der Gasthausküche gebraten wird, „den Kragen umdreht“ wie bei uns früher auch. Aber sind wir deswegen anders oder sind „die anderen“ anders? Der Verlag Jung und Jung ist für Fatahs Roman „Das dunkle Schiff“ eben, Ende September 2008, auf die „Shortlist“ des Deutschen Buchpreises gesetzt worden. Hedwig Wingler
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