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ROBIN HUT - Briefe aus Absurdistan
Mittwoch, 8. Oktober 2008

33. Brief: Oktober 2008

Hallo, alter Freund!

Natürlich hast du recht, wenn du mich darauf hinweist, welche Luxussorgen wir hier im Vergleich zu den Menschen in der Dritten Welt haben. Aber wie wir wissen, ist Zufriedenheit eine Frage des Angebots und der Relationen, manchem geht es hauptsächlich darum, mehr zu haben als andere und jedenfalls darf es niemals weniger sein, als man schon einmal gehabt hat.

Womit ich schon mitten im gerade zu Ende gegangenen Nationalratswahlkampf hier in Österreich bin, weil da nämlich die beiden ehemaligen Großparteien so wenig Zustimmung haben wie noch niemals in der Geschichte der Zweiten Republik und dafür die mittlerweile zwei Rechtsparteien so viel wie noch nie im selben Zeitraum.
Was Wunder, haben doch SPÖ und ÖVP in einer zweijährigen großen Koalition eine permanente Regierungskrise mit gegenseitigen Schuldzuweisungen inszeniert und dann hat am Tiefpunkt dieser Provinzposse die ÖVP überraschende Neuwahlen ausgerufen. Ganz offensichtlich ist der Westentaschennapoleon der österreichischen Politik und bisherige Mastermind der ÖVP, Wolfgang Schüssel, ein Formel-I-Fan und hat sich daran erinnert, wie vor Jahren Michael Schuhmacher seinen härtesten Gegner um die WM-Krone nicht überholen konnte, ihm deshalb ins Auto gefahren ist und so Weltmeister wurde. Eine näher liegende Erklärung für diese strategische Glanzleistung hat im ganzen Land bisher niemand gefunden.
Zwar sind angesichts des ganz offensichtlichen Machtvakuums dann die neuen Angebote wie die Schwammerl aus dem sommerlichen Politboden geschossen, waren den Wählern dann grosso modo aber doch zu fadenscheinig: Als die Stammbaumforscher beim selbst ernannten Nachfahren Andreas Hofers keine Blutsverwandtschaft feststellen konnten, war seine Glaubwürdigkeit außerhalb des heiligen Landes Tirol beim Teufel, die Christen mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Menschen die Kirche lieber im Dorf lassen als im Parlament und die Vertreter von „Rettet Österreich“, dass die angeblich wackelige Zukunft der gleichnamigen Tageszeitung die WählerInnen wenig tangiert.
Blöd gelaufen ist es aber auch für die Grünen und die Liberalen, beiden hat der eigene Parteichef einen Strich durch die Rechnung gemacht: Alexander van der Bellen dadurch, dass er wohl geglaubt hat, dass es reicht, keine Feinde zu haben. Aber dann hätte auch meine Würschtelfrau kandidieren können. Die mag auch jeder und sie gibt auch zu allem ihren Senf dazu, aber wenn mann sie fragt, wie’s denn besser ginge, verschwindet sie murmelnd im heißen Würschteldampf. Und ausgerechnet den Chef der selbst ernannten Anständigkeitspartei LIF hat man dabei ertappt, wie er seine Politgage damit verdient hat, gegen die Eurofighter zu sein und das Einkommen aus seiner privatwirtschaftlichen Tätigkeit mit Lobbying für die Eurofighter.
Also kam es, wie es kommen musste: Am schwersten abgestraft wurde die ÖVP für ihre Selbstverliebtheit, mit der sie unser Land in Geiselhaft genommen hatte und deutlich weniger, aber auch so, dass es weh tut, die SPÖ dafür, dass ihrem Ex- Parteichef kein Rezept dagegen eingefallen ist. Und weil den ÖsterreicherInnen ihr Land gar nicht so egal ist, wie’s manche gern hätten, sind immer noch fast drei Viertel zur Wahl gegangen und haben ihr Kreuzerl recht häufig halt bei denen gemacht, die das wohlbekannte Motto: „Sex sells“ ernst nehmen: Beim H.C. Strache, seines Zeichens Discokrakeler mit blauen Kontaktlinsen und blonder langmähniger Freundin und beim Jörgl Haider, als alternder Westernheld aus dem österreichischen Kalifornien Kärnten direkter Politnachkomme von Ronald Reagan.
Darin, dass rund 30 Prozent der WählerInnen großzügig darüber hinwegsehen, dass beide auch eine unnachgiebig national-sozialistische Politik im wahrsten Wortsinn verfolgen, liegt meines Erachtens sowohl eine Gefahr wie auch eine Chance. Da sie großteils nicht dafür gewählt wurden, brauchen die anderen Parteien in ihrer Kommunikation mit dem Volk nur endlich auch im neuen Jahrtausend ankommen und die beiden sind wieder, was sie immer waren: tief in der Geschichte,

hofft dein
Robin Hut
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