Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Steirischer Innovationsschub für Sonnenstrom
Mittwoch, 8. Oktober 2008
Die stark steigenden Preise für fossile Brennstoffe sowie die aus umweltpolitischer Sicht notwendige Begrenzung der CO2-Emissionen lassen scheinbar utopische Konzepte mit immer höherer Geschwindigkeit reale Gestalt annehmen. Ein Beispiel dafür ist die Gewinnung von Solarstrom: Vor wenigen Jahren noch wurde sie als technische Spielerei angesehen – heute arbeitet man mit Hochdruck an verbesserten Solarzellen zur Stromgewinnung, die in naher Zukunft mit den Kosten traditioneller Energiegewinnung konkurrieren können. In der Steiermark widmet sich seit kurzem an der Technischen Universität Graz sowie der Joanneum Research ein neu etabliertes Forschungsnetzwerk den Herausforderungen neuer Nano-Materialien und Verfahren bei der Herstellung von Solarzellen.

Neuer Brennpunkt in der Solarforschung.
Den Kern für die wissenschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Photovoltaik bildet ein neues Christian Doppler (CD) Pilotlabor an der TU Graz, das am 28. Juli dieses Jahres offiziell eröffnet wurde. Diese auf sieben Jahre anberaumten Projekt-Labore werden in erster Linie vom Bundesministerium für Wirtschaft finanziert und widmen sich in Kooperation mit privaten Unternehmen der Erforschung industrierelevanter Fragestellungen. In Graz arbeiten am CD-Labor für Nanokomposit-Solarzellen unter der Leitung von DI Dr. Gregor Trimmel künftig die ExpertInnen des Institutes für Chemische Technologie von Materialien (ICTM) gemeinsam mit dem Institut für Elektronenmikroskopie und Feinstrukturanalyse sowie der NanoTecCenter Weiz Forschungsgesellschaft an der Entwicklung neuer Beschichtungen für flexible Solarzellen, die – etwa zur Nutzung als Dachfolien – aufgerollt werden können. Als Industriepartner des Forschungsvorhabens fungiert die traditionsreiche Isovolta AG, die sich bereits seit 1985 mit der Herstellung von Verbundstofffolien zur Einkapselung von Solarzellen beschäftigt, wie Dr. Albert Plessing anlässlich der Eröffnung des Labors erklärte.

Testfeld organische Stoffe. Die nötige Flexibilität der Solarzellen soll durch die Verwendung organischer Polymere erreicht werden, erläutert Trimmel: „Die Herausforderung liegt dabei in den extrem dünnen Schichten, die auf die Trägerflächen aufgebracht werden müssen. Die sind mit rund 170 bis 200 Nanometer rund 500-mal dünner als ein Blatt Papier.“
In den bisherigen Solarzellen wird meist das anorganische Material Silizium verwendet, das zwar einen guten Wirkungsgrad, dafür aber andere gravierende Nachteile aufweist: Zum einen lässt es sich durch seine starre kristalline Struktur nur schlecht biegen und zum anderen ist das benötigte hochreine Silizium, das auch zur Herstellung von Computerchips verwendet wird, durch Produktionsengpässe relativ teuer geworden. In einer Mischung von kristallinen und Polymer-Halbleiterphasen wird daher ein möglicher Lösungsweg für diese Probleme gesehen. Das Geheimnis liegt in der gezielten Anordnung der Polymerstränge in der so genannten Aktivschicht, die dazu gebracht werden müssen, sich in Form von länglichen Stegen auszurichten, um so ein reibungsloses Fließen des Stromes zu gewährleisten.

Effiziente Aufgabenteilung.
Die Erforschung neuer Materialien findet in seiner Arbeitsgruppe statt, wie Trimmel erläutert: „Mit den durch Nanopartikelsynthese gewonnenen Substanzen stellen wir selbst einfache Solarzellen für erste Versuchszwecke her, die gleich hier vor Ort auf ihre Eigenschaften untersucht werden können.“ Für die genauere Strukturanalyse muss auf die Ressourcen des Instituts für Elektronenmikroskopie und Feinstrukturanalyse unter der Leitung von Univ.-Prof. Ferdinand Hofer zurückgegriffen werden. Dabei werden die Schichten und ihre innere Struktur bis in den Nanometerbereich hinein analysiert. Beim Partner NanoTecCenter Weiz (Leitung a. o. Univ.-Prof. Emil List) wird schließlich ein so genannter Reinraum genutzt, um jegliche Verunreinigungen und Störfaktoren auszuschließen, da bereits winzigste Staubpartikel die Funktion der Solarzellen stark beeinträchtigen können.

Wettlauf mit der Konkurrenz. Bis zur technischen Ausgereiftheit der neuen Technologie, in die große Zukunftshoffnungen gesetzt werden, ist es freilich noch ein weiter Weg, räumt Trimmel ein: „In frühestens fünf bis sieben Jahren wird es sich zeigen, ob eine Serienherstellung mit den bis dahin erzielten Fortschritten als vielversprechend angesehen werden kann.“ Inzwischen bleibt auch die Konkurrenz keineswegs untätig, in verschiedenen Forschungszentren wird weltweit an der Entwicklung ähnlicher technischer Lösungen für die Nutzung der Solarenergie mit alternativen Photovoltaikzellen gearbeitet. Der Vorteil der an der TU Graz erforschten Polymerstoffe liegt darin, dass sie viel leichter mit dem Know-how der Kunststoffbranche kompatibel sind, sodass eine einfachere und kostengünstige Einbindung in bereits existierende Produktionsprozesse möglich sein wird. Damit könnte auch ein Durchbruch in der Breitenanwendung zur Stromerzeugung für Wohnhäuser geschafft werden.

Paradigmenwechsel der Energiesysteme. Zum derzeitigen Zeitpunkt nimmt sich der Anteil des Solarstroms an der Gesamterzeugung mit einem Anteil von unter einem Prozent noch relativ bescheiden aus. In den vergangenen Jahren erlebte die Nutzung der Solarenergie zur Stromerzeugung aber einen gewaltigen Aufschwung. Die Photovoltaik-Branche befindet sich in vielen Ländern der Welt, wie etwa in Japan, mit einem jährlichen Wachstum von 30 Prozent auf dem Weg zum solaren Wirtschaftswunder – alleine im Vorzeigeland Deutschland entstanden in den letzten drei Jahren rund 40.000 neue Arbeitsplätze, während die Entwicklung in Österreich in der PV-Branche durch ungünstige Einspeisungstarife noch etwas hinterherhinkt. Trotzdem sind auch österreichische ExpertInnen zuversichtlich: Eine Annäherung an die schon bestehenden deutschen oder japanischen Rahmenbedingungen lässt das Erreichen eines Anteils von zumindest 20 Prozent PV-Anteil am Stromverbrauch Österreichs im Jahr 2050 möglich erscheinen und wurde vom BMVIT als Zielwert definiert. Neuartige und kostengünstige Solarzellen, wie sie im CD-Pilotlabor der TU Graz entwickelt werden, könnten diesen langen Weg entscheidend verkürzen helfen.

Josef Schiffer
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